Sortilège - Apocalypso

Review von baarikärpänen vom 02.03.2023 (1708 mal gelesen)
Sortilège - Apocalypso Stellt euch folgendes Szenario vor: Ihr hattet früher das beste italienische Restaurant direkt vor euerer Nase, über die Landesgrenze berühmt für seine edle Sauce Bolognese. Bis sich dann der Chef mit seiner Küchenmannschaft zerstritten hatte und jeder seines Weges ging. Jahrzehnte später dann auf einmal während des Stadtfestes ein Stand von eurem Lieblings-Italiener, alle Mann von damals wieder an Bord, die Spaghetti Bolognese haben nie besser geschmeckt. Tja, und nur drei Jährchen später dann die Wiedereröffnung des Lokals, wenn auch mit neuem Personal in der Küche. Ihr mit freudiger Erwartung am Tisch sitzend, und dann kommen die Spaghetti, anstatt der leckeren Bolognese aber halbherzig aufgewämter Billigketchup aus dem Discounter obendrauf. Die Enttäuschung dürfte groß sein. So wie meine, nachdem ich "Apocalypso", die neue Scheibe meiner metallischen Jugendliebe aus Frankreich, SORTILÈGE, zum allerersten Mal gehört habe.

Ähnlich wie in oben beschriebenem Szenario verhält es sich auch mit SORTILÈGE. Die lösten sich nach zwei superben Alben in den 80ern wegen der oft zitierten Meinungsverschiedenheiten auf, legten auf dem KIT 2019 ein fulminantes Comeback hin. Was folgte, war eine Neueinspielung der alten Klassiker auf dem Album "Phoenix" mit runderneuerter Band. Auf eben jenem "Phoenix" standen dann auch zwei neue Songs, die vielleicht noch nicht wegweisend waren für das neue Line-Up (aus den 80ern ist nur noch Christian "Zouille" Augustin an Bord), aber zumindest schon ein leiser Wink, wohin die Reise mit dem neuen Material gehen würde, was jetzt auf "Apocalypso" auch auf den ersten Hör so enttäuscht. Fairerweise sei angemerkt, dass jede Medaille zwei Seiten hat. Das trifft auch hier zu und das sollte bei aller Kritik nicht unter den Tisch fallen.

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Wer SORTILÈGE auf ihrem Youtube-Kanal folgt, dürfte mitbekommen haben, mit welchem Spaß und Hingabe Zouille hinter seiner neuen Band steht. Klar, dass er sich schon seine Gedanken gemacht hat, welche Musiker da ab sofort mit ihm auf der Bühne stehen werden. Es wundert also nicht, dass eben jene fast schon "alte Hasen" sind, unter anderem bei SATAN JOKERS oder MANIGANCE aktiv. Oder wie im Falle der Rhythmusabteilung bei den Death Thrashern ZUUL FX. "Phoenix", das erste Lebenszeichen dieser neuen Besetzung, wurde dann auch eher positiv aufgenommen Es gab aber auch Stimmen, die dem doch sehr modernen Soundgewand zwiespältig gegenüber standen. Und die dürften sich nach dem ersten Durchlauf von "Apocalypso" bestätigt fühlen.

Ich bin mir sicher, keiner hat von Zouille erwartet, dass er auf Nummer sicher geht und einfach nur das aufwärmt, was SORTILÈGE mal ausgemacht hat. Zu viel Zeit ist seitdem vergangen, und 40 Jahre gehen auch an einem Ausnahmesänger wie Augustin nicht einfach so vorbei. Das im Hinterkopf darf man zumindest attestieren, dass die Stimme von Zouille sehr gut gealtert ist und er auch 2023 noch zu begeistern weiß. Begeisternd ist auch der Auftakt zu "Apocalypso" geworden. 'Poseidon' ist ein Song, der nahtlos da anknüpft, wo "Larmes De Héros" aufgehört hat, nur eben mit einem zeitgemäßen Touch. Französischer Metal vom feinsten also, garniert mit einem tollen Solo von Bruno Ramos. Das folgende 'Attila' klingt dann aber schon sehr gewöhnungsbedürftig. Clément Rouxel ist ein toller Drummer, keine Frage, aber eben auch ein sehr moderner, was dank der sehr gelungenen Produktion auch klar rauszuhören ist. Muss man sich als alter Fan der Band erstmal dran gewöhnen. Wie auch an den Aufbau des Songs. In die gleiche Kerbe wie der Opener haut dann wieder 'Le Sacre Du Sorcier'. Schönes Stück, gelungene Doublebass-Parts, mit einigen unerwarteten Wendungen im Songaufbau. Dazu will allerdings das kurze 'La Parade Des Centaures' mit seinem stark nach Modern Metal klingenden Sound nicht so recht passen. Zum Glück haben SORTILÈGE daraus keinen Longtrack gemacht. Wer in seiner Vita eine Powerballade wie 'Hymne À La Mort' stehen hat, muss sich (leider) daran messen lassen. Und da ziehen SORTILÈGE im Jahr 2023 und mit 'Encore Un Jour' deutlich den kürzeren: meiner bescheidenen Meinung nach einfach zu belanglos und ein klarer Skip-Kandidat. Zu verschmerzen, denn die Franzosen hauen direkt danach mit 'Trahison' ein echtes Highlight von "Apocalypso' raus. Ein schneller Banger, der alles hat, um in Zukunft neben 'Poseidon' seinen festen Platz im Live-Set zu haben. Ähnliches lässt sich auch zu 'Vampire' sagen. Zu schade aber, dass der fast achtminütige Titeltrack, der das Album abschliesst, einfach nicht aus dem Quark kommen will. Man wartet und wartet, und dann ist der Song auch schon vorbei und nichts ist passiert. Immerhin darf sich Bruno Ramos einige edle Soli aus dem Ärmel schütteln. Nicht falsch verstehen, 'Apocalypso' ist weit davon entfernt, ein Stinker zu sein, und vielleicht braucht der Song einfach nur 10-20 Durchläufe, um endlich beim Hörer anzukommen. Last but not least wäre dann da noch 'Derrière Les Portes De Babylone', sozusagen SORTILÈGE's Version des LED ZEP-Klassikers 'Kashmir'. Was zu Beginn mit seinen orientalischen Einflüßen recht gewöhnungsbedürftig klingt, wächst tatsächlich schon beim zweiten Hören. Daumen hoch für die Entscheidung, sich bei diesem Lied die Unterstützung der Tunesier MYRATH zu sichern, wovon besonders das letzte Drittel des Songs eindeutig proftitiert, wenn orientalischer Folk (starke Leistung von MYRATH-Sänger Zaher Zorgati) auf zunehmende Geschwindigkeit trifft. SORTILÈGE beziehungsweise Zouille sind mit "Apocalypso" definitiv ein Risiko eingegangen und sollten darauf bauen, dass vor allem ehemalige Fans der Band die Geduld aufbringen, sich intensiv mit dem Album zu beschäftigen. Es lohnt, ganz sicher! Dabei sollte helfen, dass "Apocalypso" nicht nur ein schönes Artwork spendiert bekommen hat, sondern vor allem die Produktion zu einer der gelungensten in letzter Zeit gehört, die jedem Instrumentalisten den nötigen Raum gibt (allen voran Gitarrist Bruno Ramos). Und Christian "Zouille" Augustin? Der gehört mit seiner Leistung auf "Apocalypso" auf jeden Fall weiterhin zu den besten seines Fachs.

Um nochmal auf den Beginn dieses Reviews zurückzukommen, sei angemerkt, dass man - sollten die Spaghetti Bolognese nicht munden - anstatt zu lamentieren ganz einfach was anderes bestellt. Denn wer weiß, vielleicht hat die neue Mannschaft in der Küche ja ganz andere Qualitäten? Bei mir hat sich die anfängliche Enttäuschung spätestens nach dem dritten Durchlauf in sowas wie Begeisterung gewandelt, die mit jeder weiteren Runde wächst. Wie ein guter Rotwein. Dem sollte man ja auch einfach die Zeit geben, um zu atmen, bevor er sein volles Aroma entfaltet. Dass SORTILÈGE für "Apocalypso" nicht die Höchstnote einheimsen, liegt einfach und allein an den zwei austauschbaren Songs 'La Parade Des Centaures' und 'Encore Un Jour'. Verbleiben unterm Strich immer noch neun Punkte.



Gesamtwertung: 9.0 Punkte
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Trackliste Album-Info
01. Poseidon
02. Attila
03. Derrière Les Portes De Babylone
04. Le Sacre Du Sorcier
05. La Parade Des Centaures
06. Walkyrie
07. Encore Un Jour
08. Trahison
09. Vampire
10. Apocalypso
Band Website: www.facebook.com/SortilegeWithZouille
Medium: CD, LP
Spieldauer: 46:58 Minuten
VÖ: 03.03.2023

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