Uriah Heep - Into The Wild

Review von Stradivari vom 24.04.2011 (10082 mal gelesen)
Uriah Heep - Into The Wild Was für den überaus geschätzten Kollegen Elvis KISS ist, stellt bei mir URIAH HEEP dar. Eine Band, die über allem steht, unangreifbar, nahezu einer Götzenverehrung gleichkommend. Immerhin ist es den Briten zu verdanken, dass ich Anfang der siebziger Jahre begonnen habe, dem Hardrock zu frönen und nicht länger den BAY CITY ROLLERS gelauscht habe. Ein Klassenkamerad hatte mir eine Musikkassette gemixt, auf welcher - neben zum Beispiel auch 'Smoke On The Water' - 'Easy Livin'' vertreten war. Nachdem ich die MC das erste Mal gehört hatte, bekam der arme Kerl den Job, mir seine gesamten URIAH HEEP-LPs aufzunehmen, was im Zeitalter des Vinyls noch deutlich aufwendiger war als heutzutage. Sein Pech, dass er stolzer Besitzer einer Kompaktanlage war und ich lediglich über einen Radiorekorder verfügte... Jedenfalls waren damit die Siebziger gerettet und Scheiben wie "Look At Yourself", "Demons And Wizards" oder "Return To Fantasy" liefen in Dauerrotation. Am Rande bemerkt - 'Lady In Black' betrachte ich, genau wie die Band selbst, als "Unfall". Wenn auch einen sehr einträglichen...

Warum aber bin ich HEEP- und nicht PURPLE-Fan geworden? Hauptsächlich wegen der fiesen, übermächtigen Hammond und dem unvorstellbar dichten, düsteren Gesamtsound. Ken Hensley war Gott, who the fuck is Jon Lord? Übrigens, auch wenn man es kaum glauben kann, in 'Easy Livin'' gibt es kein Gitarrensolo...

Und was haben diese Kindheitserinnerungen nun mit der Rezension von 'Into The Wild', dem mittlerweile 23. Studioalbum der Band, zu tun? Nun, die übermächtige Hammond ist zurück, es gibt nur spärliche Gitarrensolos, wenn überhaupt, und die Scheibe läuft bei mir erneut in Dauerrotation. Nach einer etwas ruhigeren Phase ließ bereits die 2008er Veröffentlichung "Wake The Sleeper" aufhorchen, da sich die Truppe um Mike Box auf ihre Trademarks besann und den alten Klassikern so nahe kam, wie schon sehr lange nicht mehr. Daher drückte ich voller gespannter Erwartung den iTunes-Playbutton...

...um dann zunächst einen eher süß-saueren ersten Eindruck zu bekommen. Der Opener 'Nail On The Head' erweist sich als netter, aber doch etwas beliebiger Stampfer ohne große Nachhaltigkeit. Eventuell zeigt sich die wahre Klasse des Stückes jedoch auch erst in der Liveversion. Umso mehr lässt 'I Can See You' aufhorchen. Das Gaspedal wird durchgetreten und Keyboarder Phil Lanzon, immerhin auch bereits seit 1986 an Bord, bewegt sich auf Augen- oder besser Ohrenhöhe mit Mike Box. Wobei das Filetstück des Songs der originelle, eingängige Refrain ist. Klasse, so hatte ich mir das vorgestellt. Der Titeltrack beginnt mit einem kurzen Orgelintro, und dann zieht man die Augenbrauen hoch. Da ist er doch wieder, dieser unnachahmliche, bollernde, fette, leicht matschige Bass, der den Gesamtsound der Band in ihrer frühen Schaffensperiode so sehr geprägt hat. Dazu ein majestätischer Refrain und ein kurzes, intensives Gitarre-/Orgelduell. Habe ich Heuschnupfen oder sind es Tränen der Rührung?

'Money Talk' klingt wieder etwas "moderner" und entfaltet seinen Charme erst nach einer kurzen Anlaufphase. Dann nimmt Mr. Lanzon allerdings das Heft in die Hand und holt aus seinen schwarzen und weißen Tasten alles raus. Unglaublich, wie dominant die Hammond den Song bestimmt. Wer braucht im Hardrock schon egomanische Diktatoren an der Klampfe? Das groovige 'I'm Ready' basiert erneut auf Orgel sowie Bass und verdeutlich, dass bei entsprechender songwriterischen Substanz auch relativ einfach strukturierte Titel zünden können. Nichts Weltbewegendes, macht aber einfach Spaß. Was dann folgt ist die ganz hohe Schule. 'Trail Of Diamonds' beinhaltet so viel Genialität an Riffs, Parts und Tempi-Variationen, dass andere Gruppen damit ein halbes Album füllen würden. Die Granden des Hardrock haben dies nicht nötig und schütteln so wieder mal ein unvergleichliches Juwel aus dem Ärmel, was die so fürchterlich kreativen, dynamischen Heroen des 21. Jahrhunderts eigentlich dazu bringen müsste, sich zum Schämen in die Ecke zu stellen. Eher einfach, dafür aber eingängig gestrickt ist 'Southern Star', eben ein klassisches, dezent getragenes HEEP-Stück, garniert mit den obligatorischen Chören.

Es folgt 'Believe', ein etwas flotteres Stück, welchem allerdings der Tiefgang fehlt und somit - zumindest für mich - die schwächste Nummer auf "Into The Wild" ist. Wobei das schon Jammern auf hohem Niveau bedeutet. Als quasi Wiedergutmachung folgt die schleppende Walze 'Lost', die erneut deutliche Reminiszenzen an goldene Zeiten aufweist. Düster, schwermütig und einem Riffing, welches man eher DEEP PURPLE zuschreiben würde. Beeindruckend. Den Gesang hat hier übrigens Bassist Trever Bolder übernommen, was ein genialer Schachzug ist, denn er klingt extrem klagend und authentisch. Aus der John Lawton-Ära könnte 'T-Bird Angel' stammen. Wer die etwas luftigere Seite von URIAH HEEP mag, kommt hier auf seine Kosten. Der Rausschmeißer 'Kiss Of Freedom' ist dann eine weitere Sternstunde. Atmosphärisch dicht, getragen und mit einem überragenden Bernie Shaw am Mikro. Phänomenale Gesangslinien, eine klare, facettenreiche Stimme ohne Selbstdarstellung, dafür mit viel Gefühl. Erwähnenswert zudem das tolle Solo von Phil Lanzon. Ein überaus emotionaler Schlusspunkt eines großartigen Albums.

Wo ist "Into The Wild" nun unterm Strich einzuordnen? Schwierige Frage. Natürlich gibt es kein neues 'July Morning' oder 'Salisbury'. Aber ist es überhaupt fair, URIAH HEEP an ihren legendären Frühwerken zu messen? Fakt ist, nach einer längeren Durststrecke hat die Band wieder ein Niveau erreicht, welchem ihre noch aktiven Zeitgenossen längst nicht mehr Paroli bieten können, von den Eintagsfliegen der aktuellen Szene mal gänzlich abgesehen. Neutral betrachtet ist "Into The Wild" letztlich ein weit überdurchschnittliches, fantastisches Hardrock-Album mit der Aura eines unsterblichen Acts sowie zum Teil Songs mit Klassiker-Potential. Desweiteren ein nahezu beängstigend gut gelungener Spagat zwischen den Siebzigern und heute. Ergo gibt es von mir eine uneingeschränkte Kaufempfehlung. Punkt.

Gesamtwertung: 9.5 Punkte
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Trackliste Album-Info
01.) Nail On The Head 4:16
02.) I Can See You 4:14
03.) Into The Wild 4:21
04.) Money Talk 4:44
05.) I'm Ready 4:15
06.) Trail Of Diamonds 6:28
07.) Southern Star 4:26
08.) Believe 5:09
09.) Lost 4:52
10.) T-Bird Angel 4:02
11.) Kiss Of Freedom 6:13
Band Website: www.uriah-heep.com
Medium: CD
Spieldauer: 53:00 Minuten
VÖ: 15.04.2011

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