Interview mit Hans Lundin von Kaipa

Ein Interview von Metal Guru vom 26.06.2022 (5642 mal gelesen)
Was viele Metal-Heads wahrscheinlich weder wissen (wollen) noch großartig interessiert: Keyboarder/Keyboards beziehungsweise von Keyboardern/Keyboards dominierte Truppen. Sind angeblich nix "Metal" - hm ... Ich teile diese Einstellung/Meinung/Sichtweise NICHT, und so war es mir Ehre, Freude und Privileg zugleich, Hans Lundin zu interviewen. Hä, wer ist Hans Lundin? Nun, Hans Lundin ist genau so ein Keyboarder und KAIPA genau so eine (= seine) Truppe. Ich persönlich halte diesen Komponisten, Tastendrücker und Texter für einen der größten noch lebenden Progger auf diesem Planeten und seine Band für die möglicherweise größte schwedische Art-Folk-Fusion-Melodic-Prog-Truppe! Bei meinen Fragen hab' ich versucht, Mr. KAIPA weder abzuschrecken, noch zu langweilen, noch zu nerven! Und los geht's:

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Metal Guru Moin, Hans - wie geht's dir, wie ist die Lage und was machst du gerade so?

Hans Lundin: Nach einer intensiven Promotion-Phase für's neue Album wird's jetzt wieder etwas ruhiger. Es baut mich immer auf, all die großartigen Rezensionen zu lesen. DIE inspirieren mich, neue Musik zu schreiben, und so hab' ich letzte Woche einige Zeit in meinem Studio verbracht.

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Metal Guru Könntest du dich bitte dem nicht so progressiven Publikum vorstellen - wer bist du (persönlich), wo kommst du her (musikalisch) wie kam deine Band KAIPA zustande?

Hans Lundin: Angefangen hab' ich 1964 in meiner ersten Band ST. MICHAEL SECT. Die Jahre von 1964 bis 1973 waren - außer viel harter Arbeit und viel Spaß - die beste musikalische Erziehung, die ich kriegen konnte. Ich hab' sooo viel gelernt und als ich 1973 beschloss, KAIPA zu gründen, konnte ich alles Gelernte anwenden. Heute hab' ich das Gefühl, als stünde mir eine ganze Bibliothek an Erfahrungen irgendwo in meinem inneren musikalischen Universum zur Verfügung. 1973 arbeiteten der Bassist Tomas Eriksson und ich als Backing Musicians für ”Harpo” in einer Band namens HARPO'S HELICOPTER (ein paar Jahre später hatte besagter HARPO den Welthit "Moviestar"). Das hat zwar Spaß gemacht, war aber nicht, was ich wirklich machen wollte. Ich hatte viele verschiedene neue Songs mit unterschiedlichen Charaktern geschrieben, einige "normale" Pop-Songs, einige komplexere Sachen und einige, die von schwedischem Folk inspiriert waren, die ich mit mit einer neuen Band ausprobieren wollte. Also hab' ich Tomas gefragt, ob er bei meiner neuen Band mitmachen will, wo wir unsere eigene Musik spielen könnten. Er hat zugestimmt, und so mit 'nem Bass, 'ner Hammond und 'nem Schlagzeug. Wir haben ganz von vorne angefangen und acht Stunden pro Tag geprobt in dem Glauben und mit der Überzeugung, etwas "Großes" zu (er)schaffen. Der Name der Band war ursprünglich URA KAIPA. Als 1974 Roine Stolt bei uns einstieg, verkürzten wir den Namen zu KAIPA. Zwischen 1974 und 1982 haben wir fünf Alben aufgenommen, mehr als 500 Konzerte gespielt und wurden so die führende skandinavische Progressive Rockband.

Metal Guru Eure letzte Veröffentlichung "Urskog" wurde ja während DER Pandemie konzipiert, aufgenommen und gemixt - hat sich die Arbeitsweise an DEM Album irgendwie von der früherer (= vor-pandemischer) Alben unterschieden?

Hans Lundin: Eigentlich wollte ich Anfang 2020 mit den Aufnahmen zum neuen Album anfangen, aber dann musste ich erkennen: Das wird nix! Zu jener Zeit waren Jonas (Reingold - Bass) mit STEVE HACKETT, Per (Nilsson - Gitarre) mit MESHUGGAH und Morgan (Agren - Schlagzeug) mit DEVIN TOWNSEND unterwegs. Dann kam Corona quasi über Nacht und alle Touren wurden abgesagt. Im März 2020 hab' ich Morgan kontaktiert, aber fünf Monaten lang hat der's NICHT geschafft, mir irgendwelche Aufnahmetermine zu nennen. Schließlich bat er mich, einen neuen Schlagwerker zu finden. Ich hab' schon im Oktober 2019 mit Aleena (Gibson) aufgenommen und ich bin wirklich sehr froh, dass wir das gemacht haben, weil es ihr seitdem nicht möglich war, zurück nach Schweden zu kommen. Im April 2021 waren die Aufnahmen dann im Kasten, ich informierte Inside Out darüber und hab' nach einem Veröffentlichungsdatum gefragt. Der erste Termin war im April 2022. Alle Musiker*innen, die eigentlich "auf Tour" sein sollten, fanden sich die letzten zwei Jahre zuhause wieder, neues Material komponierend oder/und neue Alben aufnehmend, was dazu geführt hat, dass ungefähr 100 Prozent mehr Alben als "normal" veröffentlicht werden mussten. Für viele Bands war der Aufnahmeprozess während dieser Zeit anders, nicht so für KAIPA: Wir haben immer schon in verschiedenen Studios aufgenommen.

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Metal Guru Wie würdest du die Ähnlichkeiten/Unterschiede zwischen "Urskog" und KAIPAs früheren "Children Of The Sounds", "Sattyg" oder "Vittjar" beschreiben?

Hans Lundin: Ich glaube, als Per Nilsson (Gitarre) 2006 zur Band stieß, haben wir eine (musikalische) Richtung gefunden, die wir seit dem 2007er "Angling Feelings" verfolgen und entwickeln konnten. Ich nenne unsere Musik immer "Progressiver Folk-Fusion-Rock".

Metal Guru Nach Jahrzehnten des Komponierens, Arrangierens, Aufnehmens und Mixens - woher nimmst du immer noch/immer wieder deine Inspiration?

Hans Lundin: Ich beschließe nie eine bestimmte Richtung für ein neues Album im Vorfeld. Ich lasse mich von der Inspiration mitnehmen, manchmal auf familiäre Wege, manchmal in völlig neue Richtungen. Der Kern und Mittelpunkt eines neues Liedes muss für mich immer eine gute Melodie sein. Häufig kommen sie in den unerwartendsten Situationen zu mir: manchmal, wenn ich morgens meinen Kaffee schlürfe oder manchmal, wenn ich spazieren gehe. Plötzlich fangen irgendwelche Töne an, in meinem Schädel eine Melodie zu ergeben. Wenn DAS passiert, renn' ich in mein Studio und mach' davon eine ganz simple Aufnahme, damit ich sie nicht vergesse. So kann ich nach 'ner Woche oder so noch mal reinhören. Wenn mir die Melodie dann immer noch gefällt, fang' ich an, daraus einen Song zu entwickeln. Die Fertigstellung kann dann ein paar Tage oder auch schon mal ein paar Monate dauern. Manchmal wird's nur ein kurzes Lied und machmal eben einer jener KAIPA-Longtracks.

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Metal Guru Die reformierten KAIPA des 21sten Jahrhunderts scheinen ein reines Studio-Projekt zu sein - wann und warum hast du beschlossen, nicht mehr zu touren und was sind jetzt die Vor-/Nachteile?

Hans Lundin: Als ich KAIPA im Jahre 2000 erneut startete, beschloss ich, dass es diesmal ein reines Studio-Projekt sein sollte. Ich habe 18 Jahre meines Lebens in irgendwelchen Tour-Bussen verbracht und jetzt bin ich 'n alter Mann, der einfach nur froh ist, jeden Morgen für einen unerforschten Tag aufzuwachen.

Metal Guru Was machst du beziehungsweise was machen KAIPA, wenn du gerade nicht komponierst, nicht arrangierst, keine Aufnahmen machst, nicht mixt und KEINE Interview-Fragen beantwortest?

Hans Lundin: Ich möchte so nah wie möglich an/bei/in der Natur sein. lch lebe ja in Uppsala, einer großen Stadt, also mach' ich oft lange Spaziergänge oder fahr' mit dem Fahrrad raus. Häufig finde ich da draußen Inspiration für neue Musik, und genau DAS kann man speziell auf dem neuen Album "Urskog" hören. Und was die anderen Gruppenmitglieder angeht: Die touren die meiste Zeit um die Welt.

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Metal Guru Abschlussfrage: Wird es irgendwann vielleicht DOCH noch mal die Möglichkeit geben, euch hier in Deutschland zu sehen.

Hans Lundin: Es tut mir leid, aber DAS wird nicht passieren. Das letzte Live-Konzert war im Dezember 1982. Wie ich schon sagte: Live spielen wir NIE!

Metal Guru Mein lieber Hans - allerwärmsten Dank an dich für deine Zeit, deine Geduld und deine Energie, die immer gleichen Fragen ein weiteres Mal zu beantworten. Alles Gute für euch alle, bleibt gesund und vielleicht treffen wir uns ja mal irgendwann. Die letzten famosen Worte sind deine!

Hans Lundin: Ich hab' ja schon mehrfach erwähnt, dass dies das vielleicht letzte KAIPA-Album sein könnte, aber irgendwie werd' ich immer wieder inspiriert, kommen mir wieder neue Ideen und ich fange an, an einem neuen Album zu arbeiten. Ob DAS auch diesmal passiert, wird die Zukunft zeigen. Viele Grüße ...

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