Interview mit Mike & Joey von Cheeno

Ein Interview von Opa Steve vom 03.03.2009 (19217 mal gelesen)
Selten hat mich ein Debüt-Album durch Konzept, Professionalität, Vielseitigkeit und das ganze Drumherum so überzeugt wie CHEENOs "The Next Step Will Be The Hardest". Da darf es natürlich nicht ausbleiben, der Band ein bisschen näher auf den Zahn zu fühlen. Gitarrist Joey und Drummer Mike standen Rede und Antwort.

Hallo zusammen! Ihr haut als Newcomer mal locker eine wirklich randvolle CD mit 17 Stücken auf den Markt, und geizt trotz der Masse nicht mit Details. Wie lange muss man sich auf ein Intro einigen, welches wie ein Eierschneider auf Dope klingt?

Mike: Ungefähr drei Bier und 10 Zigaretten.....

Joey: also so ca. 24 Minuten... dabei mehrmals bei mittlerer Hitze wenden. Da wir keinen Eierschneider hatten, nahmen wir eine kleine Wandergitarre mit Stahlsaiten und setzten sie unter Drogen. Das Spieluhrgeräusch im Hintergrund kommt aber allen Ernstes übers Telefon. Wir riefen jemanden an, der eine Eieruhr hat und hielten das Handy ans Gesangsmikro.

Mike: Ich finde bei einem etwas längerem Werk wie "The Next Step...." ist die Detailverliebtheit eigentlich das Wichtigste, weil eine endlose Aufreihung mehrerer Songs schnell zu Langeweile und Eintönigkeit für den geübten Hörer führen kann. Da wir eigentlich eine große Masse von Hörern erreichen möchten, die Musiker, den Anspruchsvollen, und den Otto-Normalverbraucher, haben wir uns dazu entschlossen ein Mischwerk an Songs und Eindrücken auf eine CD zu packen, was uns - denke ich - auch ganz gut gelungen ist. Wir sind uns seit der Bandgründung einig, dass Abwechslung und Anspruch gepaart mit Eingängigkeit das Wichtigste bei unserer Musik sein soll. Dies lässt sich, wie wir herausgefunden haben, mit einer Liebe zum Detail umsetzen.

Wie lange war euer Studioaufenthalt insgesamt, und wie finanziert ihr ein solches Werk, welches so manchen Major-Act blass aussehen lässt?

Joey: Phil, unser anderer Gitarrist, hat mit seinem Su2 Studio mittlerweile ein völlig ausgebuchtes Studio, wo sich auch oftmals ein größerer Act zum Aufnehmen einnistet (z.B. Parachutes, Powerwolf, Vendetta). Natürlich haben wir auch bei ihm aufgenommen. Da er aber nun mal keine freien Tage hat, mussten wir dann über einen längeren Zeitraum immer in seinen freien Momenten aufnehmen. Dafür mussten wir ihm jedoch immer warme Mahlzeiten spendieren, was auf Dauer auch an das Budget eines Major Acts rankommt…haha

Mike: Die Tatsache, dass Phil von seinem Studio ja irgendwie auch leben muss, hat die ganze Produktion ziemlich in die Länge gezogen. Wir haben fast über ein Jahr in etlichen Sessions die CD aufgenommen und arrangiert, was auch wieder zu einem ungewollten aber wirklich guten Effekt seitens der Abwechslung im Sound geführt hat.

Erzählt doch bitte etwas mehr über die Gründung von CHEENO. War das eher ein Verlegenheits-Platzfüller nach AUTUMNBLAZE, oder wie entstand die Idee, das Ruder in Richtung modernen und open-minded Metal herumzureißen?

Joey: CHEENO ist unser Ding. Wir kennen uns alle schon länger und entwickeln zusammen ein wahnsinniges Gespür für Musik. Die Chemie stimmt sozusagen. Eigentlich hat uns die Arbeit mit AUTUMNBLAZE früher mehr gehindert, daran zu arbeiten und deshalb sind wir alle froh wie die Dinge nun sind.

Mike: Ich kann das ganze nur aus meiner Sicht erzählen. Die Grundidee zu CHEENO kam ursprünglich von Carsten und Jennie. Ich wurde damals als AUTUMNBLAZE Schlagzeuger von Carsten gefragt, ob ich Lust hätte, ein weiteres Projekt zu starten. Natürlich hab ich dann nicht nein gesagt, als ich hörte, dass hierbei eine sehr gute und begabte Sängerin am Mikro stehen sollte. Nach den ersten Proben habe ich das dann auch merken können.....der Fokus hat sich dann schon mal mehr in Richtung CHEENO bewegt. Leider kam ich musikalisch aber nicht mit dem Gitarristen klar. Ich redete mit Carsten und wir entschlossen uns dazu, Joey und Phil zu fragen ob sie die Gitarren übernehmen möchten. Die Chemie mit den beiden war natürlich musikalisch durch die Vorgeschichte schon bedeutend reifer. Als wir dann mit den beiden 'Cocaine', 'The Ruler', und 'Invisible' in nicht weniger als einem Monat geschrieben hatten, war für mich persönlich klar, dass ich die Ehre habe hier mit einer verdammt guten Truppe Musik zu machen. Dann war es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Umstände dazu führten, dass sich das Mastermind von AUTUMNBLAZE irgendwann dazu entschlossen hat die Band vorerst aufzulösen. Open-minded Metal, wie du es nennst, hat sich durch unsere Einstellung zur Musik im Laufe der Zeit von ganz alleine ergeben......

CHEENO haben viele positive Vibes. Nicht das, was man von eurer früheren Band erwartet hätte. Seid ihr einfach persönlich so flexibel, oder gibt es eine Richtung, in der ihr euch besonders "zu hause" fühlt?

Joey: Wir fühlen uns außerhalb aller Zwänge und Sparten zu Hause. Wenn wir die Möglichkeiten aller Einflüsse dieser Welt nutzen können, dann tun wir dies auch gerne. Die positiven Vibes resultieren wohl aus jener Spielfreude und dass wir hier etwas kreiert haben womit wir uns alle 100% identifizieren können.

Mike: Ich denke wir sind mit unseren verschiedenen Musikgeschmäckern sehr flexibel was den Stil betrifft. Casi mag z.B. Black Metal ganz gerne..... Mir persönlich sind der Stil und die Atmosphäre der Spartenmusik relativ egal. Hauptsache es ist gut gemacht....

Die Vielseitigkeit, gepaart mit mit dem hohen Niveau der Arrangements, ist wohl eins der auffälligsten Merkmale der neuen Scheibe. Ich höre hier Ansätze von BJÖRK ('@'), ein paar für Metal gewagte Sounds des 90er Electro-Pop ('...') oder auch Parallelen zu TOOL - besonders im Titelsong. Erzählt doch bisschen über eure persönlichen Stile und wer sich wie in den Songwriting-Prozess einbringt.

Joey: Ha ... die Parallelen gefallen mir. '@' und BJÖRK? Ok... klingt aber cool. BJÖRK is cool. Gerade bei dem Stück '...' dachten wir, dass wir damit jede Menge Verrisse ernten, doch auf der anderen und durchschlagenden Seite dachten wir "Scheiß drauf, wir wollen das also machen wir das" und hey... bisher hat sich noch niemand beschwert. Wir hören alle schon im einzelnen sehr unterschiedliches Zeug, und im Kollektiv wird das natürlich ein noch größerer Haufen an Einflüssen. Doch gerade das wollen wir ja unserer Musik geben. Dabei soll natürlich immer alles nach CHEENO klingen. In eine einzelne Sparte wollen wir auf jeden Fall nicht gesteckt werden.

Mike: Was ich gerne höre kann man auf meiner My Space Seite nachlesen..... Die Songs entstehen eigentlich aus Ideen unserer beiden Gitarristen Joey und Phil..... Im Proberaum wird das Ganze dann auf Live-Tauglichkeit und Eingängigkeit geprüft.....evtl. verbessert bzw. so umarrangiert bis es so gut wie jedem von uns gefällt. Im Studio wird dann normalerweise noch der Feinschliff gemacht bis alles rund ist. Wir arbeiten da schon alle zusammen, der Vorschlag für das Fundament eines Songs wird jedoch von unseren beiden Gitarristen entwickelt.

Gibt es noch andere musikalische Projekte, oder konzentriert ihr eure Kraft nun voll auf CHEENO? Wie ist der Masterplan?

Mike: Nein, meinerseits gibt's keine anderen Projekte. CHEENO hat absolute Priorität.

Joey: Also der Masterplan wird hier nicht verraten. Schließlich wollen wir später die alleinigen Herrscher des Universums sein ... haha! Nein also unser 100% Augenmerk liegt auf CHEENO. Wenn ich eine Songidee habe, würde ich ungern erst mal entscheiden müssen, für welche Band ich das jetzt benutze. Gerade weil wir mit CHEENO ja die Freiheit haben, alles zu machen was wir wollen…

Jennie hat als kommerzielle Sängerin sicher einen nicht leeren Terminkalender. Wie bringt ihr die Band und das zwangsweise "Geldverdienen" momentan noch unter einen Hut?

Joey: Als Gitarrenlehrer zähle ich dann auch als kommerzieller Gitarrist. Wir alle haben Jobs bei denen wir die Möglichkeit haben unserem musikalischen Weg zu folgen.

Mike: Die Konzerte werden so weit im Voraus wie möglich geplant, so dass bei jedem die Möglichkeit besteht es einzurichten. Aber es hat eigentlich bis jetzt fast alles so funktioniert wie es funktionieren sollte.

Jennies sonstige Einsätze würde man ja nicht gerade mit Metal in Verbindung bringen. Ist sie eine Rockerin, die beruflich halt andere Dinge singt, oder ist sie einfach eine Sängerin, die auch Metal singen kann? Wie kamt ihr zusammen?

Joey: Wenn wir am nächsten Tag nicht mehr live spielen müssen, kann Jennie mehr tanken als Lemmy.

Mike: Jennie, Phil und Joey kennen sich schon super lange. Dass sie singen kann, war allseits bekannt, aber dass sie so wandlungsfähig im Bezug auf den Musikstil ist hat mich selbst überrascht.... Was soll man dazu noch mehr sagen als....saugeil!!!

Ihr arbeitet viel mit Soundexperimenten, Samples, akustischen Instrumenten etc.. Wie bringt ihr diese Parts live rüber?

Joey: Live stehen wir eher auf den puren direkten Sound. Für Veranstaltungen wie etwa unser Release Konzert, bei dem wir das ganze Album am Stück spielten, haben wir dann auch die Samples ausgepackt. Siggi, die Cellistin, hilft uns auch manchmal aus. Kommt immer darauf an ob genug Platz auf der Bühne ist. So ein Cello-Bogen kann ganz schön weh tun, wenn du ihn beim Bangen ins Auge bekommst...

Was war für euch der Anreiz, den Titelsong auf 15 Minuten auszudehnen? Geschah es einfach so, oder hattet ihr den konkreten Plan, ein auffallend langes Stück zu schreiben?

Mike: Es war von Anfang an geplant einen längeren Song zu machen, was sonst wäre auf so einem langen Album sinnvoll als mit einem Langen Song aufzuhören?

Joey: Hmm, ein ganz kurzer eventuell? So eine Art "Helge Schneider Schluss". Wie man dem Inlay entnehmen kann, sind die Sequenzen zwischen den Songs und der lange am Schluss von der generellen Idee in meinem Kopf entstanden. Mir schwebte was Undurchsichtiges im Kopf herum, was das "Normale" aus der CD vertreibt. Dann hab ich mit Mike zusammen den letzten Song musikalisch im Proberaum geschrieben. Der Text kam dann im Fluge. Er ist eine Interpretation von Geschichten die mir mein Vater nach seiner Entziehungskur erzählt hat. So kam dann auch die generelle Idee, um was es im Buch im Gesamten geht. Mein Vater war starker Alkoholiker. Heute hat er kein Problem damit wenn ich das erzähle, sondern ist sogar dafür, dass man öffentlich mehr darauf hinweist, wie hinterlistig das Zeug sein kann und wie leicht es im Gegensatz zu Drogen erhältlich ist und sogar angeboten wird. Wir alle und besonders ich sind da jetzt nicht enthaltsam, aber ich persönlich betrachte Alkohol schon mit einem wachenden Auge. Nun um kurz wieder auf den Song zurück zu kommen: der Weg nach so einem Entzug ist lang und steinig und so sollte auch der Song und dann das ganze Album sein. Es gibt Hochs und Tiefs und am Ende müssen wir uns selbst fragen: haben wir es geschafft?

Wollt ihr dieses Stück auch live bringen und habt genug Zeit dafür?

Mike: Wenn die Zeit es zulässt wird der Song mit Sicherheit immer gespielt. Dies war aber bis jetzt leider nur auf unserer Release-Party der Fall.... Bei zu kurz bemessener Spielzeit haben die anderen Songs da natürlich den Vorrang.

Joey: Ja so sieht's aus. Das ist 'ne Zeitgeschichte. Bei Headliner-Konzerten kann es durchaus mal vorkommen.

Ich habe zwar erfahren, dass die Songs eine Geschichte erzählen, die auch noch als Buch veröffentlicht wird. Ist der Inhalt völlig geheim, oder könnt ihr uns schon einen Tipp geben, wie man 'Buddhistic Hands' mit 'Pacman' in einer Geschichte unterbringt?

Joey: Die buddhistischen Hände tragen Margareth zurück zu Tyler der auch Pacman genannt wird. Der Tipp ist eigentlich recht naheliegend. Es gibt die Story zum Album parallel als Roman. Einfach 'ne Mail an info@cheeno.de schreiben oder über den Prevision Shop das Buch bestellen und es wird einiges klarer. Ich persönlich mag diese kryptischen Songtitel. Sie sind schon so etwas wie ein kleines Markenzeichen von uns. Bei den meisten Bands oder CDs schau ich auf die Titel und kann mir schon vorstellen wie die Sachen so klingen. Bei uns wird man da eher mal aufgefordert sich etwas mit der Scheibe zu befassen, was ja auch Sinn der Sache ist.

Das Jahr ist noch frisch, die ermüdende Festival-Saison noch weit weg, euer Album gerade raus. Eigentlich die ideale Zeit, eine kleine Tour zu machen. Wie sieht's aus?

Joey: Ja wir haben ja nun ein paar Konzerte klar gemacht und versuchen im weiteren Verlauf des Jahres noch weitere Ecken der Republik abzudecken. Auch in Italien haben wir schon 'ne Menge Freunde gefunden. In unserem Stadium ist es schwer eine passende Supporttour zu bekommen ohne uns dafür arm zu machen. Von daher sind wir momentan noch an der Eigenarbeit und versuchen so unsere CD möglichst in jeder Mann Wohnzimmer zu tragen.

Ich danke euch für eure Zeit - die letzten Worte an unsere Leser gehören euch!

Mike: Wenn du es gut findest was wir tun, bleib uns treu, besuch unserer Konzerte und KAUF die CD, stehle sie nicht !....!

Joey: Ja die Internetpiraterie ist ein Thema – gerade bei uns als Debutband knallt es noch richtig rein wenn mehr Leute sich die Musik illegal downloaden als die CD zu kaufen. Von daher müssen wir noch stärker auf den Kauf pochen. Denkt mal so rum darüber nach: durch illegales Downloaden unterstützt man die DSDS Liga, weil gerade Newcomer, die sich aus der Eigenmotivation heraus durchkämpfen, nicht diese riesige Promomaschinerie haben und viele dann kurz nach dem Anfang wieder aufgeben müssen. Wir freuen uns über jeden neuen Hörer. Danke für das Interview!

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