Ein Interview von Dunkeltroll vom 10.10.2021 (27672 mal gelesen)
RUNNING WILD gehören zu meinen ewigen Lieblingsbands, da gibt's nix dran zu rütteln: Von meiner ersten Begegnung mit Heavy Metal 1987, also bei Veröffentlichung der "Under Jolly Roger" bis etwa zur "Black Hand Inn" 1994 gehörten sie für mich zu den Allergrößten, und veröffentlichten Klassiker um Klassiker. Um so mehr schmerzt es da, das Gefühl zu haben, dass die Band seit nunmehr über 20 Jahren unter ihren Möglichkeiten bleibt, und so ging ich mit einem Bündel kritischer Fragen und gemischten Gefühlen an dieses Telefonat mit meinem einstigen Idol heran.
Rock 'n' Rolf erwies sich dabei als gleichermaßen angenehmer, aufmerksamer, offener und selbstbewusster Gesprächspartner - ein Interview über Musik, Krankheiten, Intrigen und Tischdecken.
Hallo Rolf, wie geht es dir?
Rock 'n' Rolf: Mir geht's gut, alles super!
Trotz der ganzen Telefoniererei?
Rock 'n' Rolf: Ach, das hält sich in Grenzen: Ich hab meistens nicht mehr als vier oder fünf Interviews, manchmal auch nur eines oder zwei, und auch nur zwei Tage in der Woche. Das haben wir schon so geregelt, dass ich auch meine anderen Sachen nebenbei machen kann. In den Neunzigern waren das auch schon mal 15 Interviews am Tag, aber dann redest du echt nur noch Quatsch zusammen (lacht), das ist echt nicht machbar!
Das neue Album "Blood On Blood" kommt jetzt am 29.10. endlich in die Hände der Fans. Die EP kam schon im Dezember 2019 und ich meine mich erinnern zu können, das Album wäre auch schon für letzten Sommer angekündigt gewesen.
Rock 'n' Rolf: Ja, aber es gab viele Probleme zwischendurch, auch mit dem Songwriting: Ich war einfach nicht zufrieden mit der Songauswahl für die Platte, und hab einfach noch länger gebraucht, und das war der Plattenfirma dann auch klar und dann haben sie gesagt: "Pass auf, wie wäre es denn, wenn wir 'ne Single vorab machen?". Da ich so viele Songs in dem Pool vom Album hatte, also insgesamt so 20 Songs, die dafür vorgesehen waren, konnte ich dann ganz locker zwei Songs, von denen ich bereits wusste, dass sie nicht auf dem Album sein werden, obwohl wir den einen Song davon natürlich in Wacken gespielt haben mit Ankündigung zum Album, dass wir die dann dafür nehmen können. Dadurch habe ich mir dann wieder Zeit verschafft, um weiter am Album zu arbeiten - und das war letztendlich auch gut, denn ich wusste ja zu dem Zeitpunkt noch nicht, dass wir dann nicht live spielen konnten, denn es waren ja für 2020 vier Festivals geplant. Ich hätte dann schon im Frühling wieder aufhören müssen an der Platte weiter zu arbeiten, um mich selber vorzubereiten, mit der Band in den Proberaum gehen, die Setlist vorbereiten, dann auch die Shows spielen und so weiter.
Das ist dann ja weg gefallen, aber dafür kamen dann ein paar andere Verzögerungen: In 2019 hatte ich, wie ich damals dachte, eine komische üble Erkältung, die wahnsinnige Kopfschmerzen und Fieber verursacht und die Lunge zu macht, aber nicht richtig ausbricht. Das war dann so nach neun Tagen wieder vorbei, aber anschließend hatte ich noch zwei Monate Probleme mit Asthma, Allergieanfällen, Nervenproblemen und allem Möglichen. Und wie ich im Nachhinein dann sehen musste, hätte es Corona gewesen sein können: Es gab ja schon im Oktober vereinzelte Fälle in Europa. Aber das ist letztendlich egal: Mich hat es einfach zwei Monate komplett aus der Arbeit gehauen, ich konnte einfach nicht singen und nicht richtig arbeiten - wieder Zeitverzögerung. Dann hab ich mich wieder rein gekniet, nachdem es dann wieder ging, und dann hab ich mir im Juli leider einen Leistenbruch auf der rechten Seite zugezogen, und links einen angehenden. Das heißt ich brauchte eine Operation - mitten in der Corona-Zeit, prima gemacht!, auf die ich zwei Monate warten musste. Damit konnte ich wieder nicht arbeiten, und danach auch einige Monate nicht, sodass ich locker noch mal vier oder fünf Monate verloren habe. Von daher war es gut, dass die Festivals nicht stattgefunden haben - ich hätte sie auch gar nicht spielen können mit dem Blödsinn. Insofern war das eigentlich 'ne gute Geschichte, wie es dann gelaufen ist - so konnte ich mich dann auf die Platte konzentrieren.
Damit wäre meine nächste Frage (wie man die Zwangspause sinnvoll hätte nutzen können) quasi schon erledigt, wobei: einen Teil davon muss ich trotzdem stellen. Ein wenig Erklärung vorneweg: Ich bin in einem großen deutschen Metal-Forum unterwegs, und als ich da vor einer Woche geschrieben habe, dass ich ein Interview mit dir führen werde, gab es diversen Input von anderen Mitgliedern. Also immer wenn ich jetzt von Fans spreche, bezieht sich das darauf. Es gibt eine menge Fans die es schätzen würden, wenn du deine Archive öffnen und alte Live-Aufnahmen, Demos und dergleichen veröffentlichen würdest.
Rock 'n' Rolf: Da gibt es relativ wenig (lacht), um das mal klar zu sagen. Es gibt natürlich ein paar Live-Aufnahmen: von 2017 haben wir was vom Sweden Rock, und auch eine Sache vom Wacken, aber ich hab im Moment überhaupt keine Zeit, daran zu arbeiten oder mich damit zu beschäftigen. Wenn jetzt zum Album das neue Rock Hard raus kommt, wird da eine CD mit zwei Titeln beiliegen, und da werden wohl auch einige von den Live-Geschichten mit drauf sein. Aber ansonsten ist da derzeit einfach aus Zeitgründen nichts geplant.
Aber gibt es nicht zum Beispiel ein Video von der "Death Or Glory"-Tour?
Rock 'n' Rolf: Das sind rein private Sachen, die wir mit einer Kamera aufgezeichnet haben, um danach die Show zu besprechen: Was ist gut gelaufen, was ist scheiße gelaufen - das sind keine Sachen, die man veröffentlichen könnte. Und was es von der "Death Or Glory" mal gab, da ist das Master verschwunden. Man weiß ja: Modern Music ist zu Sanctuary, Sanctuary ist dann irgendwann pleite gegangen und wurde von Universal übernommen, da ist so einiges verschwunden, und ich kann es nicht wieder herzaubern (lacht), das ist einfach so.
Reden wir ein bisschen übers Album: Der Titelsong ist eine Gute-Laune-Nummer mit "hoch die Tassen" und Musketier-Bezug. Wie hast du dich für den als Opener entschieden?
Rock 'n' Rolf: Der Song hieß ursprünglich "One For All And All For One", aber das war mir zu lang. Dann kam ich halt auf die Idee "Blood On Blood", denn das heißt ja das Gleiche, Blutsbrüderschaft, und da war von vornherein klar, dass das der Titelsong und Opener sein würde.
Bei 'Wild And Free' gibt es gleich zwei für RUNNING WILD sehr typische Begriffe im Namen: Wie wild bist du mit inzwischen 60 Jahren - übrigens herzlichen Glückwunsch nachträglich - noch unterwegs?
Rock 'n' Rolf: Eigentlich in dem Falle nicht - schon gar nicht während der Platte jetzt (lacht), weil erst mal Corona und zweitens: Wenn du richtig konkret an einer Platte arbeitest, dann hast du nicht viel Zeit um irgendwelche Partys zu machen oder irgendwo hinzugehen. Du bist einfach andauernd mit dem Ding beschäftigt, bis du damit fertig bist. Ich treffe halt meine Freunde und meine Kumpels, und das war es dann auch. Da machen wir aber nichts Großes draus - die "hoch die Tassen"-Zeit ist schon vorbei. Der Song ist mehr als Party-Ding zu verstehen, und dass man sein Leben genießen soll.
Der andere Begriff ist Freiheit: Mir sind zwei Fälle bekannt, in denen Leute vom eurem Webmaster für kritische Kommentare auf eurer Facebook-Seite gesperrt worden sind, weil sie beispielsweise gesagt haben, dass die "Shadowmaker" Mist wäre. So etwas sollte man als freie Meinungsäußerung eigentlich bringen dürfen, oder?
Rock 'n' Rolf: Du, das ist nicht meine Aufgabe - denn es ist auch nicht meine Homepage. Der Jens Pohl macht die Seite eigenständig; er wird von uns als erster mit Informationen versorgt, aber ich habe keinen Einfluss darauf, was er macht.
Du persönlich könntest aber schon mit Kritik leben?
Rock 'n' Rolf: Das ist mir vollkommen egal - ich krieg das sowieso nicht mit (lacht), weil ich bin nicht im Internet. Tut mir leid, das interessiert mich letztendlich nicht!
Ebenfalls noch zum Stichwort "Freiheit": Ihr habt in eurem Shop letztes Jahr ein Lockdown-Shirt ins Programm genommen, das widersprüchliche Signale sendet. Zum einen steht da "Stay Strong - Stay Safe" drauf, zum anderen "Fight For Freedom, Fight For The Right, We Are Running Wild". Ist klar, wo letzteres her kommt ('Prisoners Of Our Time'), aber: Wer hat sich denn diese Kombination von Texten ausgedacht? Die einzigen Leute, die in den vergangenen Monaten hier in Deutschland für angeblich beschnittene Freiheiten und Rechte gekämpft haben, waren ja alle ein bisschen komisch drauf ...
Rock 'n' Rolf: Das hat da gar nichts mit zu tun. Das war einfach ein T-Shirt, das wir gemacht haben, und das hat da überhaupt keinen Bezug zu. Gar nicht, Null. Das bezieht sich auf RUNNING WILD, ganz einfach.
'Crossing The Blades' hat auf dem Album ein Intro, das auf der EP nicht drauf war. War es das an Veränderungen, oder hab ich was verpasst?
Rock 'n' Rolf: Die Rhythmus-Gitarren sind komplett neu gespielt, der Bass ist neu gespielt, im Chorus sind Stimmen ergänzt, und es sind mehrere Melodie-Gitarren im zweiten Vers dazu gekommen - und der Song ist natürlich komplett neu gemischt, damit er auch ins Album passt, weil die Single ja vollkommen anders klang.
Mit 'One Night, One Day' habt ihr dann eine sehr außergewöhnliche Nummer dabei - nicht nur für RUNNING WILD, sondern für Metal im allgemeinen - die ich als "Celtic Fok meets Gospel" umschreiben würde, und bei der ich mir statt deines Gesangs auch einen entsprechenden Chor gut vorstellen könnte.
Rock 'n' Rolf: Es hat auf jeden Fall was gospeliges - eine Hymne mit balladeskem Anfang, die Beschreibung passt ganz gut. Der Song hat auch dieses für Gospel typische "Frage und Antwort"-Ding, das würde auf jeden Fall auch mit einem Chor funktionieren.
Da ist auch wieder eine Geschichte drin, bei der ich kritisch nachfragen muss: Du erwähnst im Text die "New World Order", und dass diese gestürzt werden wird. Ist das ein Konzept, das für dich eine Bedeutung hat, oder ist das eher ein fantastisches Ding, über das man mal singen kann?
Rock 'n' Rolf: Nö: Das ist etwas, was Tatsache ist, was passiert; und deswegen hab ich bezüglich der Prophezeiung geschrieben - weil es ist ja ein Song über Prophezeiung, und das hat auch da in diesen Prophezeiungen durchaus einen Niederschlag gefunden. Interessanterweise nicht wie es beseitigt wird, sondern nur dass es beseitigt wird.
Von was für einer Gruppe von Menschen reden wir, die da angeblich die Drähte ziehen?
Rock 'n' Rolf: Von Leuten, die sich im Hintergrund bewegen, weil die Leute sind viel zu schlau, um sich der Öffentlichkeit zu stellen - dazu sind die viel zu clever. Und gleichzeitig wieder dumm, weil sie glauben, es ist eine gute Idee: ist es nicht.
Und welchen Personenkreis beeinflussen die jetzt? Schlussendlich Politiker?
Rock 'n' Rolf: Politiker mit Sicherheit - ja natürlich, klar. Das ist ja voll offensichtlich. Weil: Wie oft gibt es Politiker, die gewisse Dinge vertreten und gewisse Dinge als unumstößlich darstellen, ihren politischen Job aufgeben, in die Wirtschaft gehen und plötzlich das absolute Gegenteil sagen? Ist dir das noch nicht aufgefallen?
Ich muss sagen, dass ich mich mit Politiker-Karrieren eigentlich relativ wenig auseinandersetze. Ich hab mich jetzt zur Bundestagswahl mal wieder ein bisschen mit dem Thema beschäftigt: Die Leute scheinen mir alle mehr oder weniger inkompetent zu sein, aber das war es dann auch schon.
Rock 'n' Rolf: Ja ja, das ist ein ganz großes Problem, das ist natürlich auch irgendwo die Sache. Man muss sich einfach nur mal ... - es geht ja immer auch um Intrigen, darum geht es ja auch. Es gibt ja Leute die sagen: "Öh, ist ja alles Verschwörungstheorie!", dann kann ich nur sagen: Guck dir die Weltgeschichte an, die besteht nur aus Verschwörung. Die gesamte Weltgeschichte ist eine einzige Verschwörung. Das kannst du überall gucken: Das war schon bei Macbeth so, und das ist ja nun wirklich auch der Inhalt dieses Buches. Insofern, wie gesagt, gibt es da schon Anlässe zu, die Sachen auch so zu sehen.
(Anmerkung: Was genau Rolf unter "diesem Buch" versteht, wollte ich nicht weiter diskutieren. Ich nehme mal an, er spricht von dem, in dem auch die angesprochenen Prophezeiungen zu finden sind, und nicht von Shakespeare.)
Rock 'n' Rolf: Aber: Der Song 'One Night, One Day' braucht nicht nur so gelesen werden - deswegen ist er auch ziemlich offen geschrieben - man kann das auch als die persönliche Krise einer Person sehen. Das kennt ja jeder: Dass man mal in ein tiefes Loch fällt und nicht weiß, wie man da raus kommt, aber man weiß, man muss sich da durchkämpfen, bis man das Licht am Ende das Tunnels wieder sieht. Als dieses Symbol kann man diesen Song sicherlich auch sehen, ganz klar.
Die erste Hälfte ist ja auch mehr oder weniger eine Schilderung von Katastrophen, die über einen hinein brechen.
Rock 'n' Rolf: Genau, das kann man auch so lesen. Auf der anderen Seite kann man den Song auch einfach als Song zum Mitsingen betrachten. Da gibt es verschiedene Lesarten, und ich lasse es eigentlich völlig offen, wie man sich damit beschäftigen möchte oder nicht.
'The Shellback' bezieht sich direkt auf die Story des "Black Hand Inn"-Albums. Die Songtexte liegen mit leider nicht vor, und daher ist mir nicht ganz klar, wie der Song inhaltlich ans Album anknüpft.
Rock 'n' Rolf: Das war eigentlich gar nicht geplant: Ich hab den Song geschrieben, und als ich die musikalischen Ideen zusammen hatte, ist mir dieser Titel begegnet, der ja soviel wie "der alte Seebär" heißt. Und dann kam mir die Idee: Warum sollte dieser alte Seebär nicht der Mann aus Black Hand Inn sein? Ich erzähl die Geschichte, wie er eigentlich dazu gekommen ist ,das zu machen, und wie seine Lebensgeschichte vorher gelaufen ist: Was hat ihn dahin gebracht, was hat ihn dazu bewogen, das zu tun? So war das eigentlich geboren, und dann war ziemlich schnell auch die Idee da, die Titelmelodie von 'Black Hand Inn' als akustisches Intro für den Song zu nehmen um klar zu machen, dass diese Songs zusammen gehören.
Ein weiterer bemerkenswerter Song ist 'The Iron Times': ein klassischer RUNNING WILD-Longtrack, in dem du den 30jährigen Krieg behandelst, und für mich auf jeden Fall eins der Highlights auf dem Album. Was fasziniert dich an dem Thema?
Rock 'n' Rolf: In allererster Linie natürlich, dass dieser Krieg ein gutes Beispiel für den Wahnsinn von Krieg ist. Er ist als religiöser Krieg zwischen Protestanten und Katholiken begonnen worden, aber auf Grund des neu erfundenen Systems der Söldner, dass man Armeen aufbaut und sie mit viel Gewinn an die kämpfenden Parteien verleiht, war es innerhalb von zwei Jahren bereits der Fall, dass viele Protestanten auf der Seite der Katholiken kämpften und andersrum, womit der Anlass des Krieges bereits ad absurdum geführt war. Dann war es so, dass man um Länder kämpfte, die man nicht wirklich einnehmen konnte, einer den anderen verprügelte - sie haben sich alle gegenseitig durch die Gegend geprügelt. Und am Ende der Fahne waren es 30 Jahre - das gesamte Land, eigentlich der gesamte Kontinent, in Schutt und Asche gelegt. Es hat niemand was gebracht, es hat nichts geändert, es hat keine neue Situation geschaffen, nur alles war kaputt. Und viele, viele Menschen tot: In Deutschland lebten vor dem Krieg 12 Millionen Menschen, und nach dem Krieg vier Millionen. Das heißt also, 60 Prozent der Menschen waren gestorben, und das ist natürlich übelst. Und was auch die Traurigkeit dieser Geschichte ausmacht: Du konntest anfangs dieses Krieges geboren werden und in diesem Krieg sterben, und hast nie etwas anderes gesehen als diesen Krieg. Die Leute sind ja auf Grund von Krankheiten und allem möglichen damals kaum über 40 geworden. Von daher ist es schon ein herausragendes Beispiel, und es ist auch einer der ersten richtig großen Kriege, an dem so viele verschiedene Parteien teilgenommen haben - mehr Irrsinn geht eigentlich gar nicht.
Die Idee diesen Song zu machen hatte ich schon länger, aber ich hab immer nach der richtigen Melodie gesucht, die diese Traurigkeit trägt. Nachdem mir jetzt endlich eine passende Melodie in den Kopf kam und ich sie auf der Gitarre umgesetzt habe, kamen die ganzen anderen Ideen so wie von selbst dazu.
Auf jeden Fall ein großartiger Abschluss. "Blood On Blood" ist, wie auch in den Promotexten versprochen, sehr abwechslungsreich ausgefallen. Ein richtig schneller Song ist aber nicht drauf: Hattest du keinen geschrieben, oder hätte der nicht in den Flow gepasst?
Rock 'n' Rolf: Nee, das mache ich ja schon lange nicht mehr. Als ich mit "Shadowmaker" zurück gekommen bin, hab ich ja klar gesagt: Das Kapitel ist für mich abgeschlossen.
OK, dann kann man das (leider) so stehen lassen. Was ich sehr geil finde an dem Album ist der Gitarrensound, und dein Gesang klingt auch super. Das Einzige, mit dem ich mal wieder ein wenig Probleme hab, ist das Schlagzeug: Da habt ihr wieder mit Samples gearbeitet, oder?
Rock 'n' Rolf: Nein. Das ist ein bearbeitetes Drum, das ganz normal gespielt ist.
Die Snare klingt für mich so, als wäre auf jeden Fall ein Sample drauf.
Rock 'n' Rolf: Nee, das ist Bearbeitung. Du hast heute alle möglichen Möglichkeiten mit den PlugIns, ist überhaupt kein Problem. Da muss man wissen, was man tut, was man erreichen will und wie man das hinkriegt, und dann ist das überhaupt kein Problem.
Also schlussendlich der Sound, der dir vorgeschwebt hat.
Rock 'n' Rolf: Genau, absolut.
Na gut: Ich hätte mir da ... Aber gut, ja: Geschmackssache. Du kennst das ja.
Rock 'n' Rolf: Genau (lacht), ganz einfach.
Das Artwork: Da gab es mal ein Foto, auf dem du das in der Hand hast, so ...
Rock 'n' Rolf: Genau: Ich hab das Ding selber gebaut. Die Idee ist eigentlich entstanden, weil ich mir bei der "Pile Of Skulls" den Adrian mal als Gürtelschnalle hab machen lassen. Dann hatte ich irgendwann die Idee für das Album-Cover und hatte dann so einen Katalog in der Hand, da gab es Brieföffner, die sehen aus wie Entermesser, genau in der richtigen Größe. Die hab ich mir dann bestellt, und alles andere hab ich selber gebaut - dieses Kreuz und das alles. Das ist dann so daraus entstanden: Ich hab es hergestellt, abfotografiert, und Jens hat es dann bearbeitet, dass es so aussieht wie es jetzt halt ist.
Also das Ding existiert tatsächlich gebaut? Denn jetzt sieht es aus wie eine Zeichnung.
Rock 'n' Rolf: Genau: Das sollte so sein, es sollte aussehen wie ein Ölgemälde. Das war der Sinn der Sache.
OK: Ich hätte das als Foto von dem gebauten Ding viel geiler gefunden ...
Rock 'n' Rolf: Das ist eine Frage des Stils: Ich wollte auch diese Zeit darstellen, und Ölgemälde sind ja schlussendlich etwas, was in diese Zeit gehört, das haben wir ja schon bei der "Rapid Forey" so gemacht, und das hat mir so auf jeden Fall besser gefallen.
Bei der "Rapid Forey" fand ich die Entscheidung, das Foto zu überarbeiten, völlig in Ordnung - ein Foto eines Stilllebens wäre doch komisch gewesen. Aber das neue Cover-Motiv war ja gebaut ein echtes Einzelstück - wie bist du denn überhaupt auf die Idee gekommen? Das ist ja ein Rahmen, mit Kunstleder oder Leder bespannt, mit einer Prägung drin ...
Rock 'n' Rolf: Ja, das ist meine alte Tischdecke (lacht), die hab ich aussortiert, und hab gesagt: Hey, das sieht doch genau so aus wie dieses Ornamentik, die sie früher hatten, deswegen wirkt das auch so echt, sieht aus wie geputztes Leder, ja klar. Deswegen hab ich das gemacht - und dann diese Polsternägel und so, und hab das Ding halt gebaut. Natürlich sah das geil aus, aber das ist halt die Frage was du willst, und es war eben anders gedacht.
Was die Fans auch mal wieder gerne hätten, wäre ein Andreas Marschall-Cover ...
Rock 'n' Rolf: Das wird nicht passieren.
Kannst du das ein wenig näher ausführen?
Rock 'n' Rolf: Wie wir gerade eben schon über die Stilistik gesprochen haben, wie ich was haben will und wie ich mir etwas vorstelle, und Jens Reinhold setzt das eins zu eins um. Insofern gibt es dafür gar keine Notwendigkeit.
Und dann natürlich die Frage nach anstehenden Liveshows: Vier Festivals aus 2020 müsst ihr nachholen?
Rock 'n' Rolf: Ja, die stehen immer noch im Raum. Die waren ja für 2020 geplant, dann erst auf 2021, und jetzt nach 2022 verschoben, und es weiß ja noch keiner, ob Festivals in so einer Größenordnung 2022 stattfinden können. Das kann uns noch keiner sagen, und deswegen hab ich noch keine weiteren Shows angenommen. Wir hatten noch andere Angebote, aber die hab ich jetzt erst mal liegen lassen, weil es nutzt ja nichts, Angebote anzunehmen, von denen man eigentlich weiß, dass man sie nicht spielen kann, das ist ja Blödsinn. Da muss man drauf warten, dass man wirklich das "Go" kriegt, grünes Licht, dass es wirklich wieder geht.
Und eine Tour kommt für euch nach wie vor nicht in Frage?
Rock 'n' Rolf: Ja, aus verschiedensten Gründen. Deswegen haben wir ja auch diese vier Festivals angenommen, und es wären sicherlich noch mehr dazu gekommen, aber dann kam Covid dazwischen, und dann machte es keinen Sinn da weiter drüber zu reden.
Die Produktionen eurer Liveshows waren zuletzt wohl auch relativ spärlich, wie ich gehört habe. Die letzte, die ich selbst gesehen habe, war das Abschiedskonzert 2009 in Wacken, bei der die Boxen schon in TOXIC TASTE-Farben angesprüht waren, in grün und lila. Das war relativ spartanisch im Vergleich zur Wacken-Show 2003, bei der ihr richtig auf die Kacke gehauen hattet. Du kannst dir sicher vorstellen, welche Art von Show den Leuten besser gefällt - mich eingeschlossen.
Rock 'n' Rolf: Pff, das war ja 'ne Abschiedsshow - das ist je was ganz anderes. 2018 hatten wir in Wacken das größte Stageset, das jemals auf der Bühne war. Wir hatten an die 300 zusätzliche Scheinwerfer gemietet, wir hatten 52 Gitarrenboxen in drei Ebenen auf der Bühne, wir hatten Pyrotechnik ohne Ende; ich weiß nicht, wie viele Tonnen Equipment das waren. Das hat die Wacken-Leute an die Grenzen des Möglichen gebracht. Wäre das noch ein bisschen mehr gewesen, dann hätten wir für dem Umbau ein echtes Problem gekriegt. Das hätten die nicht mehr gewuppt bekommen, denn du musst ja auch irgendwie im Zeitplan bleiben. Die hatten das natürlich in Teile zerlegt, so dass man es hin und her schieben konnte, aber das hat natürlich auch irgendwo seine Grenzen. Die Lichtshow zum Beispiel musst du natürlich da hängen lassen, ich weiß nicht, wie viele Batterien das waren. Deswegen haben wir auch nie ein Backdrop, denn da ist einfach kein Platz für ein Backdrop, das hängt alles mit Lampen zu.
Jedenfalls ist es schön, dass ihr mal wieder woanders spielt als immer nur in Wacken, wie etwa auf dem Rock Harz. Das Problem in Wacken ist ja immer: Erst sind alle Tickets verkauft, und dann werden irgendwann RUNNING WILD bestätigt ...
Rock 'n' Rolf: Ja, klar. Da waren wir diesmal auch sehr früh angesagt: Die sind sehr früh auf uns zu gekommen, war für alle vier Festivals gilt, die wir spielen. Wir sind ja überall Festival-Headliner, weil unser Status sich so geändert hat; egal wo wir spielen, und geben uns da mit GUNS N' ROSES, KISS oder IRON MAIDEN die Klinke in die Hand - wir spielen praktisch die gleichen Slots.
Ich hab meine Fragen jetzt quasi durch - gibt es noch irgendwas zur Produktion des neuen Albums, das du gerne loswerden willst, von den Verzögerungen durch Krankheit und Corona abgesehen?
Rock 'n' Rolf: Nö - das war ja die Erklärung, warum es so lange gedauert hat (lacht), das war ja beides nicht geplant. Du fängst dann ja auch so ein bisschen wieder von vorne an. OK: Du hast heutzutage ProTools und fängst nicht wieder bei Null an, aber du musst dich halt erst mal wieder orientieren.
Na ja: Es gibt ja Leute, die behaupten, Corona wäre geplant gewesen - von wem auch immer ...
Rock 'n' Rolf: Ich bin kein Hellseher, ich weiß es nicht. Es ist auf jeden Fall eine beschissene Erkrankung, da sind wir uns wohl alle einig, aber wenn immer in irgendwelchen Laboren mit Viren herumhantiert, da kann schon mal was frei fliegen. Das ist ja auch nicht das erste Mal, dass so was passiert wäre - wenn es denn so wäre. Das ist ja nun schon einige Male vorher passiert. Man kann nur hoffen, dass die da irgendwie mal ein probates Mittel finden; so wie das, was die Australier gerade entwickeln, mit Gentechnik, das den Coronavirus praktisch umbringt, und das als Medikament an Leute mit schweren Verläufen verabreicht werden könnte.
Ein guter Kumpel von einem Freund von mir: Sportler, raucht nicht, trinkt nicht, hat sich mit Corona infiziert, ist ins Krankenhaus gekommen, und zwei Tage später war er tot. Das ist ein harter Schlag - da hätte man nie gedacht, dass es den trifft. Und dann kommt die 106-jährige aus dem Koma und ist das pralle Leben - da gibt es keine Regel. Ich kann es mir noch nicht vorstellen, wie man mit der derzeitigen Situation, die wir noch haben, ein Festival wie das Hellfest mit 100.000 Menschen machen will. Da kommen ja sowohl Fans als auch Bands aus der ganzen Welt; da kratz ich mich noch am Kopf, wie sie das machen wollen.
Rolf: Ich bedank mich sehr herzlich für das Gespräch! Grüß die Band und alle anderen, sag dem Jens Pohl er soll keinen mehr bei Facebook rausschmeißen, und du hast nun das letzte Wort an unsere Leser!
Rock 'n' Rolf: Ich hoffe, dass den Leuten da draußen die Platte gefallen wird, wenn sie dann raus kommt, und ich hoffe auch inständig, dass wir dann nächstes Jahr auch mal wieder Konzerte spielen können. Da hoff ich wirklich drauf.