Ministry - Akte Ministry | |
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Review von Opa Steve vom 13.11.2014 (8368 mal gelesen) | |
Ja ja, der Al Jourgensen - wer seinen Werdegang kennt oder auch nur die Eskapaden während der MINISTRY-Zeit verfolgt hat, die er teilweise als Schatten seiner selbst bestritt, der weiß, dass Al nicht unbedingt zu den asketischen Kostverächtern zählt. Und da nach Lemmy und Ozzy ja offenbar jeder Musiker, der sich mal seinen Körper mit Drogen konservierte und neben die Spur geschossen hat, nun unbedingt eine Biografie nachlegen muss, darf der gute alte Al nicht fehlen. Es handelt sich dabei - wie bei der Ozzy-Biografie auch - nicht um eine reine Autobiografie, denn das Buch entstand in Zusammenarbeit mit Jon Wiederhorn vom "Revolver", der auch gleich im ersten Kapitel schildert, wie er mit Al über ein Interview in Kontakt gekommen war. Daraus ergab sich mit der Zeit mehr und Al öffnete sich auch immer weiter. Irgendwann hatte Jon so viel verrückte Stories gehört, dass ihm die Idee kam, dieses Buch mit Al zu machen. In einem fast wirren Prolog steigt Al dann auch direkt mit seiner letzten Nahtoderfahrung ein, wo ihm mal wieder der Körper aufgrund des 40-jährigen Drogenmissbrauchs und ungesunden Lebensstils einfach schlappmachte und die Magengeschwüre das Blut hochspülten. Die einzigen Lebewesen, die auf ihn aufpassen können, sind sein Hund und seine Frau Angie. Und er springt dem Tod mal wieder von der Schippe. Und das war kurz vor dem 2012er "Relapse"-Album. Erst danach geht es chronologisch los, angefangen von Als Kindheit in Kuba, die frühen Musikerfahrungen und eine Menge Scheiße, die er gebaut hat. Sämtliche Projekte werden erwähnt, seien es die REVOLTING COCKS oder LARD mit Jello Biafra oder obskurer Punk-Country von den BUCK SATAN & THE 666 SHOOTERS. Im Gegensatz zu den Großen des metallischen Autobiografie-Universums hält Al dabei private Geschichten - von seiner Kindheit mal abgesehen - weit im Hintergrund. Nahezu besessen von seinem eigenen Schaffen räumt er jedem Detail seiner musikalischen Laufplan sehr viel Platz ein. Der Rest des geschriebenen Worts gehört natürlich seinen Drogeneskapaden jeglicher Coleur, und zwischendrin kommen dann vereinzelte Fetzen, was den Menschen Al Jourgensen eigentlich ausmacht. Das Verhältnis ist insgesamt etwas unausgewogen und wie so oft stelle ich mir als ausgesprochener Freund von interessanten Autobiografien die Frage: ab wann sollte ein Mensch eigentlich seine Autobiografie schreiben? Mehr tot als lebendig ist Al hier und da sicherlich, aber gibt ein künstlich verkürztes Leben einem auch die Weisheit, darauf zurückblicken zu können? Ein Lemmy kann das. Er ist zwar kein begnadeter Schreiber, aber er hat einen scharfen Blick. Ein Ozzy konnte das mit Hilfe auch - sein Blick war zwar mehr als trübe, aber sein Co-Autor talentiert. Und da kommen wir zu einem kleinen Knackpunkt des Buchs. Man bekommt das Gefühl, dass Al nahezu Ich-besessen eine Predigt hält und möglichst als der coole verrückte Freak rüberkommen will. Entweder ist es Jon Wiederhorn als Co-Autor nicht gelungen, ein wenig Regie in Als Gedankenfluss zu bekommen, oder er hat es einfach nicht gut gemacht. Besonders erkennbar wird es, wenn es um die Glaubwürdigkeit mancher Geschichten geht. Wenn Al aus seiner Kindheit Details bringt, welche Autos er als junger Teenager alle geknackt hat (inkl. Baujahr!) oder in welchem Quarter er beim Baseball-Spiel als Zehnjähriger stand, als der Blitz einen Kumpel traf, dann kommen mir erhebliche Zweifel, ob sich Al wirklich an diese Details erinnert, oder ob er glaubt, sich erinnern zu können. Diese Ambivalenz wird vor allem durch die "Zwischenrufe" im Buch deutlich, wenn Weggefährten in einem kurzen Kapitel zu den Dingen zu Wort kommen. Und sein Stiefvater, der ebenfalls interviewt wurde, schildert einige Dinge deutlich anders und glaubwürdiger als Al es tut. Wenn dann noch die Jahreszahlen mancher Releases durcheinander laufen und ihm sogar manchmal die Reihenfolge nicht ganz klar ist ("Big Sexy Land" von den REVOLTING COCKS wurde seiner Erinnerung nach direkt nach MINISTRYs "Twitch" aufgenommen, dabei ordnet er dem ersten Album 1985 als Jahr zu und "Twitch" 1986) dann bestärkt es den Leser in der Vorsicht, wie hoch der Korrektheitsgrad seiner Erinnerungen wirklich sein mag. Wenn man das mal auf Seite schiebt und davon ausgeht, dass wenigstens 80% des Buchs sich genau so zugetragen haben, dann bleibt immer noch ein erstaunlicher Dauertrip eines Musikers, der sich eigentlich immer nur austoben wollte und dem die Akzeptanz seiner Musik völlig egal war. Vor allem ist es erstaunlich, wievielen Leuten Al Jourgensen über die Füße gestolpert ist, von denen man das gar nicht meinen würde. Und noch schräger ist, mit welchen abseitigen Erinnerungen Al diese Geschichten würzt. So erfahren wir z. B. dass MADONNA fürchterlich stinken soll. Ansonsten versucht er hilflos, den Konsum von sieben Nasen Koks vor dem Straight-Edge-Papst Ian MacKaye (MINOR THREAT) zu verbergen, als er mit diesem im Studio arbeitet. Von Henry Rollins bekommt er Prügel angedroht, da dieser mit Junkies überhaupt nichts anfangen kann, und das Arbeitskonzept von Jello Biafra im Studio ist auch sehr ... kreativ. Und natürlich seine einschneidende Begegnung mit LSD-Papst Timothy Leary, die seinen bewusstseinserweiternden Gelüsten völlig neue Horizonte aufzeigte. Das Buch ist für MINISTRY-Fans aufgrund seiner Vielzahl an Geschichten sicherlich ein Muss. Wer auch auf YouTube nach "Jenny Elvers betrunken" sucht, der wird aus den derben Geschichten, den Exzessen, Sex, Drugs & Violence auch hier ein hohes Maß an Unterhaltung ziehen. Weniger empfehlenswert allerdings ist es für Freunde der Autobiografien an sich. Er öffnet sich als Person eigentlich kaum, sondern bietet meist einen verbal grobschlächtigen Blick auf seine Außenwahrnehmung. Über sich selbst wird eigentlich nur pausenlos betont, was er doch für ein cooler, versoffener und verdrogter Nihilist sei. Echte Selbstreflexion und tiefere Gedanken? Fehlanzeige. Gesamtwertung: 6.5 Punkte | |
Trackliste | Album-Info |
Band Website: www.ministrymusic.org Medium: Buch Spieldauer: VÖ: 29.09.2010 |
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