Anathema - Distant Satellites

Review von Stormrider vom 04.07.2014 (6663 mal gelesen)
Anathema - Distant Satellites Ich gestehe, dass ich ANATHEMA nach "Alternative 4" aus einem nicht zu benennenden Grund irgendwie aus den Augen verloren habe. Zwar habe ich in den ein oder anderen Nachfolger mal reingeschnuppert, aber mehr als mal nebenbei auflegen und feststellen, dass es anders klingt, kam nicht mehr zustande. Nun obliegt mir also die Review des aktuellen Opus "Distant Satellites".

Nachdem ich das Album nun mehrfach durchgehört habe, komme ich nicht umhin zwei Dinge festzustellen. 1.) Mit dem Art-Rock beeinflussten Gothic-Metal der Anfangstage haben die Briten nichts mehr gemeinsam, außer dem Namen, unter dem "Distant Satellites" veröffentlicht wird. 2.) Schafft man es, sich von dem Gedanken zu lösen, dass irgendwann doch ein Riffausbruch kommen müsste (was den Fans, die den Weg über die letzten Alben bis hierhin kontinuierlich verfolgt haben, wesentlich leichter fallen dürfte), dann ist "Distant Satellites" vor allem eins: Ein wunderschönes, von fantastischen Melodien und Sängern dominiertes, emotional ergreifendes musikalisches Kleinod. Hier lohnt es sich wirklich, der Welt für 57 Minuten zu entfliehen und sich einfach tief in die Musik fallenzulassen. Die Band um die Cavanagh-Brüder nimmt den Hörer mit auf eine musikalische Reise, die eine große Spannweite an Emotionen abdeckt.

'The Lost Song Pt.1' beginnt atmosphärisch und wird komplett mit Streicherteppichen unterlegt. Dazu wird, auf einem Drumpattern aufsetzend, sofort offensichtlich, dass die Vocals den zentralen Part einnehmen. Gitarren finden das erste Mal nach knapp dreieinhalb Minuten statt und sorgen für einen Anstieg in der Dynamik, ohne dabei jedoch die Vocalpräsenz anzugreifen, bevor der Song wieder zurück in die atmosphärische Bahn gelenkt wird und in 'The Lost Song Pt. 2' übergeht, der dem gleichen Aufbau folgt und ebenfalls auf einer zentralen, wunderschön zerbrechlichen Gesangsspur basiert. Hier allerdings nicht von Vincent Cavanagh vorgetragen, sondern von Lee Adams deren Stimme vollkommen zurecht viel Platz auf "Distant Satellites" eingeräumt wird. 'Dusk (Dark Is Decending)' baut sich über drei Minuten lang düster und dissonant zu einem Soundwall auf, ehe es, in einen nur von Piano und Stimme begleitetem Break, in sich zusammenbricht, um in einem positiven Vibe zu enden. 'Ariel' hingegen ist ein emotionales Duett, das nebenbei gehört nicht funktioniert, sondern dazu einlädt, sich in diesen knapp sechseinhalb Minuten einfach mit der Musik treiben zu lassen. Hier findet auch die Gitarre in Form des abschließenden Solos entsprechend ihren Platz, bevor 'The Lost Song Pt. 3' wieder den Songaufbau des Albumanfangs aufgreift. Auf ihrem zehnten Album platzieren ANATHEMA dann auch einen selbstbetitelten Song. Häufig sollen diese Songs ja die Essenz einer Band zusammenfassen, und wenn man nun 'Anathema' als Trademark-Song ansieht, dann wird hier auch alles zusammengefasst, was das vorliegende Album bis zu diesem Zeitpunkt ausmacht. Zunächst eine vorsichtige Pianomelodie, gepaart mit emotionalem Gesang, bevor das Tempo anzieht und in einem schönen Gitarrensolo eruptiert, nur um anschließend wieder leise und zerbrechlich auszuklingen. Dem folgt mit 'You're Not Alone' ein Track, der mit massivem Pop-Appeal und Trip-Hop-Elementen startet, bevor eine wüstere Mischung aus den beiden Elementen, Drums und Gitarren eine richtige Struktur vermissen lässt. Dies ist der erste Song auf dem Album, der mich gar nicht berührt. Nach diesem Durcheinander wirkt das sakrale Instrumental 'Firelight' nahezu entspannend, kann aber mit den Emotionen der ersten sechs Songs nicht mithalten. Im Albumkontext macht es aber durchaus Sinn, da es in den Titeltrack überleitet und die Verbindung zwischen den sakralen und elektronischen Elementen schafft, die den Titelsong dominieren. Hier fehlt mir aber ein wenig die Spannung, Emotionalität oder ein echter Höhepunkt, der Song plätschert über 8 Minuten mehr oder weniger vor sich hin. 'Take Shelter' lässt das Album dann entspannt ausklingen und nimmt alle Elemente der vorangegangenen Songs nochmal auf. Das Niveau der ersten Songs kann aber insgesamt ab 'You're No Alone' leider nicht ganz aufrechterhalten werden, eigentlich ab dem Moment wo ANATHEMA stark auf die elektronischen Beats setzen, was aber gar nicht an den Beats liegt, sondern daran, dass die Spannungsmomente gefühlt geringer werden.

Dennoch: Erschreckend, dass ich an ANATHEMA so lange vorbeigehört habe, aber doch schön, dass wir nach knapp 15 Jahren nun doch nochmals auf einem anderem Level zusammenfinden. Da sich der Vergleich mit den direkten Vorgängern für mich persönlich nicht stellt, kann dieser auch nicht stattfinden. Somit bleibt lediglich, das Album ganz für sich und nicht in Relation zum bisherigen Schaffen zu bewerten. Dieses Album ist zwar kein Metal mehr, aber "Distant Satellites" ist eine in sich stimmige Reise, die ich garantiert wieder antreten werde und aus der auch kein Song herausgetrennt werden sollte, nicht einmal die zunächst befremdlich wirkenden elektronischen Elemente. Dass es dennoch nicht zu höheren Blutstropfensphären gereicht hat, ist der Tatsache geschuldet, dass dem Album in der zweiten Hälfte die zwingenden Melodien und Emotionen nicht mehr so einfach von der Hand gehen wie in der sehr starken ersten Hälfte. Wer sich elektronischen Einflüssen und Ambient oder Art-Rock-Klängen aber nicht verschließt und sich emotional ganz tief fallenlassen möchte, der sollte "Distant Satellites" (insbesondere die ersten sechs Songs!!) entdecken!

Gesamtwertung: 7.5 Punkte
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Trackliste Album-Info
01. The Lost Song Part 1
02. The Lost Song Part 2
03. Dusk (Dark Is Descending)
04. Ariel
05. The Lost Song Part 3
06. Anathema
07. You're Not Alone
08. Firelight
09. Distant Satellites
10. Take Shelter
Band Website: www.anathema.ws
Medium: CD
Spieldauer: 56:49 Minuten
VÖ: 06.06.2014

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