Interview mit Jani Stefanovic und Marcus Bertilsson von Miseration

Ein Interview von Akhanarit vom 18.07.2012 (6363 mal gelesen)
MISERATION sind wieder da und haben mit "Tragedy Has Spoken" ihr neues, drittes Album im Gepäck. Änderungen finden nur vereinzelt statt und somit dürfte die Band um Ex-SCAR SYMMETRY-Frontmann Christian Älvestam wieder all jene Fans beglücken, die auch schon den Vorgänger "The Mirroring Shadow" mochten. Bleeding 4 Metal geht den Dingen rund um den neuen Output mit Gitarrist Jani Stefanovic auf den Grund und auch Zweitgitarrist Marcus Bertilsson klinkt sich kurz in das Gespräch ein, als die neu hinzugekommenen Instrumente der schwedischen Death Metal-Formation zur Sprache gebracht werden. Here we go!

Hallo Jani. Danke, dass du Bleeding 4 Metal die Glegegenheit zu einem kurzen Interview gibst. Wie läuft's?

Jani: Es ist sehr warm hier in Finland und mir geht es gut, danke. Ich bin sehr beschäftigt und eine Menge Dinge gehen mir durch den Kopf.

Wenn unsere Leser diese Zeilen lesen werden, habt ihr bereits euer drittes Album veröffentlicht. In vielen Köpfen herrscht noch die klassische Make-it-or-break-it Assoziation. Wie schätzt du das ein? Wird es der Durchbruch für MISERATION werden und wie laufen die Dinge für euch derzeit?

Jani: Yeah, ich kenne diesen Spruch und wir werden es wohl abwarten müssen, oder? Schwer zu sagen wie die Fans auf das gesamte Album reagieren werden, aber was uns angeht sind wir sehr zufrieden mit dem Album und haben wirklich das Gefühl, dass wir 2012 dort angekommen sind, wo wir mit MISERATION hin wollten.

Besonders auffällig am neuen Album sind die exotischen Instrumente, die ihr in euren Stil integriert habt. Für euren Sound eine echte Neuerung. Wurden sie eingesamplet, oder wer hat sie dann für "Tragedy Has Spoken" eingespielt und was kannst du uns darüber erzählen?

Jani: Es wurden keine Samples verwendet. All die Ethno-Instrumente wurden von Marcus eingespielt und die Orgel sowie das Piano von seiner Frau Linda. Marcus steckt auch hinter dem mongolischen Kehlkopfgesang. Mit dieser Idee kam Marcus an, weil es viel cooler wäre, die Stücke mit echten Facetten dieser Kultur zu würzen, anstatt nur orientalische Harmonien mit unseren Gitarren zu erzeugen, was sich als großartig herausstellte.

Gerade diese Instrumente wirken sehr verstörend im Gesamtsound von MISERATION und auch ich tue mich ein wenig schwer, da sie zum einen extrem disharmonsich wirken und für unsere Ohren in diesem Kontext zudem sehr fremd und ungewohnt klingen. Wie kamt ihr auf die Idee, diese Instrumente zu verwenden?

Jani: Wir hatten das Gefühl, dass es unseren apokalyptischen Sound, welchen wir in den Stücken haben, unterstützen könnte. Der Plan war nicht, dass es nett oder angenehm klingt, sondern die Qual und das Leid, sowie das apokalyptische Feeling, welches ihr in den Texten der Stücke findet, hinzuzufügen.

Marcus: Es geht um ein breiteres Spektrum, das man ausdrücken möchte. Es entstammt vieler Jahre musikalischer Erforschung. In bin an Ethno-Musikstilen interessiert, seit ich mit 11 eine Dokumentation über die BEATLES sah, in der sie Ravi Shankar getroffen haben und es hat mich umgehauen. Und seitdem schwärme ich für die Musik des mittleren Ostens. In den letzten Jahren fühlte ich immer mehr, dass ich die dortigen Instrumente benutzen möchte, anstatt nur die Skalen aus dem mittleren Osten auf die Gitarre zu übertragen. Also kaufte ich vor zwei Jahren das indische Instrument Esraj für die Aufnahmen meiner anderen Band INEVITABLE END. Es sieht aus wie eine kleine Sitar, wird aber mit einem Bogen gespielt und aufrecht in der Kniekehle gehalten, ein wenig wie ein Cello. Dieses Instrument wurde am häufigsten für "Tragedy Has Spoken" verwendet. Es hat einen sehr weinerlichen, herzzerreißenden Klang sein Name, Esraj, bedeutet konkret: Herzschmerz. Genauso war es mit dem mongolischen Kehlkopfgesang-Ding. Ich hörte und verstand die Hintergründe vor vielleicht drei oder vier Jahren und war von diesem Klang schier paralysiert. Damals begann ich es zu lernen und langsam bekomme ich es hin. Mir gefiel die Vorstellung, das zu verwenden. Dann ist da auch noch die Mandoline bei einigen Stücken. Sie ist ein sehr unterschätztes Instrument, wenn es um derart harsche Musik wie der unserigen geht, aber sehr nützlich. Ich lieh mir auch eine Santur von einem Freund. Das ist ein Schlagbrett aus Persien, welches man mit kleinen Drumsticks spielt.

Mit Christian Älvestam habt ihr einen wahren Ausnahmesänger in euren Reihen, der aufgrund seiner Vocal-Arbeit in diversen Internetforen fast als Death Metal-Popstar gefeiert wird. Für dich und die anderen Jungs in der Band eher Fluch oder Segen?

Jani: Christian ist extrem gut in dem was er tut und es ist einfach ein Segen für unsere Band, ein solches Talent bei uns zu haben. Wenn er also sozusagen ein Pop-Star ist, he he, dann gönne es ihm. Er verdient die Aufmerksamkeit für seine gesanglichen Fähigkeiten mit Sicherheit.

Besonders bei Christian's anderen Bands (Scar Symmetry, Solution.45, etc.) war der melodische Aspekt viel stärker ausgeprägt, als dies bei MISERATION der Fall ist. Woher die Lust auf diese extreme Aggression? Ein Ventil; und wenn ja: wofür genau?

Jani: Nun, um das für Christian klarzustellen. SCAR SYMMETRY mag die Band sein, mit der er am bekanntesten wurde, aber es war sicherlich nicht seine erste Band. Christian hat eine lange Geschichte weit vor SCAR SYMMETRY, wo er Death- und Clean-Vocals einsetzte. Wie bei einer seiner ersten Bands, UNMOORED, wo es auch ein paar nette Death-Stücke gab, aber mit den gleichen Zutaten, die man auch bei MISERATIONS erstem Album hören kann. Jetzt nur Death-Vocals zu benutzen ist nichts Neues für ihn. Die Leute haben den Drang, einen Menschen in eine Schublade zu stecken. Wie: Christian gehört in den Stil von SCAR SYMMETRY und SOLUTION.45. Warum? Er ist extrem gut, wenn er genau das tut, aber er haut dich auch um, wenn nur Death Metal-Vocals benutzt, wie bei seiner Death-Band QUEST OF AIDANCE. Er benutzt seine Stimme, wie es zu den Songs passt. Wir haben nicht beschlossen, dass MISERATION keine cleanen Vocals benutzen werden, nur weil er sie schon in anderen Bands nutzt. Das ist nicht der Grund. Wir denken dagegen an die Songs und was zu ihnen passt. Ich würde den Leuten wirklich empfehlen, mehr über Christians andere Bands herauszufinden, wenn sie wirklich das volle Spektrum seines Charakters hören wollen. Aber er ist sicher nicht dieser SCAR SYMMETRY-Typ, wo jeder meinen muss, dass nur dies der "Christian-Syle" zu sein hat. MISERATION ist ein Death-Act und SOLUTION.45 ist es nicht, von daher hinkt der Vergleich.

Du selbst bist ja auch kein unbeschriebenes Blatt mehr und hast auch schon ein einigen Bands gespielt (DIVINEFIRE, ESSENCE OF SORROW, AM I BLOOD, etc.). Bei DIVINEFIRE soll es sich sogar um eine Band mit christlicher Ausrichtung handeln. Kollidiert dies manchmal auch mit der lyrischen Ausrichtung, die ja im Death Metal sehr oft eher die finsteren Aspekte des Lebens thematisiert und spielt der Glaube für dich eine wichtige Rolle im Leben?

Jani: Mein persönlicher Glaube ist etwas, was mir sehr wichtig ist, aber das bedeutet nicht, dass ich Musik nicht geniessen kann. Es gibt da nichts im lyrischen Inhalt bei MISERATION, was meinen inneren Glauben verletzt. Das Leben ist manchmal echt hart, ganz egal welchen Glauben wir in uns tragen. Dementsprechend komme ich prima mit den lyrischen Themen auf etlichen verschiedenen Alben da draussen klar. Wir sind ein Haufen guter Freunde bei MISERATION, deren einziges Ziel darin besteht, richtig gute Musik zu machen, abseits von religiösen oder polititschen Betrachtungsweisen. MISERATION ist weder eine politische noch eine religiöse Band. Warum sollte ich eine Flagge schwenken, nur weil ich persönlich an etwas glaube? Ist es wichtig, den Leuten auf die Nase zu binden, dass jemand ein Atheist oder was auch immer ist? Ich denke nicht. Genauso ist es bei mir. Ich werde lieber als der Musiker gesehen, der ich bin, ganz gleichgültig, wie ich die Dinge im Leben betrachte.

Was war für dich der Auslöser, speziell Death Metal zu spielen und was fasziniert dich an diesem Genre besonders?

Jani: Ich mag es, Death Metal zu spielen, aber ich höre ihn mir nicht oft an. Es ist nur etwas, das ich mag. Die Art, wie es sich anfühlt, diese herausfordernden Gitarrenparts zu spielen und die Heaviness oder die Geschwindigkeit. Aber dann wieder mag ich melodische Sachen und alle musikalischen Stilrichtungen. Dies ist eine der vielen Möglichkeiten, mich selbst auszudrücken.

Schweden oder Skandinavien generell konnte sich ja noch nie über den Mangel an wirklich guten Death Metal-Bands beklagen. Viele der ganz grossen Namen sind noch immer mit wirklich guten Alben am Start. GRAVE, UNLEASHED, HYPOCRISY und viele mehr. Welche Bands haben aus deiner Sicht die deutlichsten Spuren im MISERATION-Sound hinterlassen?

Jani: HYPOCRISY ist die einzige Band von denen, die du aufgezählt hast, die ich höre. Ich habe mir die anderen Bands auch angehört, aber sie sind nicht Teil meiner musikalischen Geschichte. Schwer zu sagen, aber es gab da viele Bands über die Jahre hinweg, die ein Einfluss waren. Für mich sind es Bands wie TESTAMENT, AT THE GATES, ENTOMBED, HYPOCRISY, MESHUGGAH, um nur ein paar zu nennen, aber dann stolpert man auch immer wieder über neue Acts, die einem gefallen.

Von der alten Garde fehlt ja heutzutage ein Name: DISMEMBER. Die haben sich aufgelöst. Sprecht ihr auch innerhalb der Band über solche Geschehnisse und verfolgt ihr die Metal-News aus eurem Heimatland?

Jani: Nicht wirklich. Obwohl Martin Persson von DISMEMBER ein alter Bandkumpel von mir zu SINS OF OMISSION-Zeiten ist. Ich habe in dieser Band die Drums gespielt. Der Grund für die Auflösung war tatsächlich, dass Persson der Job bei DISMEMBER angeboten wurde. Ich wusste nicht mal, dass sie sich aufgelöst haben, also schätze ich, damit hast du deine Antwort. Und nein, wir sprechen nicht über die schwedische Szene.

Welche Bands sind deiner Meinung nach die interessantesten Newcomer in der Szene zur Zeit?

Jani: Ich habe echt keine Ahnung. Vielleicht bin ich in diesem Punkt ein wenig altmodisch. Ich suche nicht nach neuen Bands, im Gegensatz zu früher. Dieser Djent-Stil ist vielleicht einer der Neuesten, die gerade hochgekommen sind. Bands wie TESSERACT, PERIPHERY, VILDHJÄRTA, ANIMALS AS LEADERS, FELLSILENT, etc. - und es war am Anfang ganz nett, aber dann wurden diese Art Bands wie eine Welle hochgespült und es verlor seinen Reiz, denn jeder wollte das Gleiche machen. Doch in letzter Zeit habe ich andere, Metal-ferne Sachen gehört.

In den letzten Jahren hat sich die Musiklandschaft ja ganz schön verändert. Speziell Bandpackages werden immer häufiger zusammengestellt, bei denen oft 5 Bands hintereinander auf der Bühne stehen. Wie würde dein Traumpackage (inklusive MISERATION) aussehen, wenn du frei wählen könntest?

Jani: Wen immer ich möchte? Könnten möglicherweise die folgenden, in unbestimmter Reihenfolge, sein: MESHUGGAH, GOJIRA, TESTAMENT, SLIPKNOT.

Werden denn auch in Deutschland ein paar MISERATION-Shows stattfinden, in denen ihr uns das neue Album auch hier um die Ohren hauen könnt?

Jani: Am Ende des Jahres ist eine Tour geplant. Also ja, es wird auch ein paar Konzerte in Deutschland geben.

Eure letzten beiden Alben haben ja diesen speziellen Biomechanik-Anstrich im Artwork und sie sehen großartig aus. Habt ihr besonderen Bezug zu dieser Kunstform entwickelt? Euer Debüt "Your Demons - Their Angels" ging ja optisch noch in eine ganz andere Richtung...

Jani: Das ist nur etwas, das im Moment zu uns passt. Wir mochten das erste Albumcover auch. Wer weiß, wie unser nächstes Cover aussehen wird, aber derzeit ist das aktuelle die perfekte Wahl für uns.

Selbst in den Weiten des WWW sind über Miseration nur sehr wenige Infos zu finden. Scheinbar gibt es nichtmal eine offizelle Homepage. Habt ihr kein Interesse an den Möglichkeiten, die das Internet bietet oder kommt da noch was nach?

Jani: Nein, keine offizielle Homepage. Ich weiss nicht warum, aber wir haben das so geregelt, dass wir die Infos, die wir nach draußen bekommen wollen, über Facebook und Myspace unter die Leute bringen. Zu einem späteren Zeitpunkt werden wir weitersehen und vielleicht machen wir uns eine offizielle Homepage.

Vielen Dank für dieses Gespräch. Die letzten Worte an unsere Leser und eure Fans gebühren nun dir!

Jani: Ich hoffe, euch da draußen zu sehen. Cheers!!

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