Devin Townsend - Retinal Circus

Review von Opa Steve vom 18.10.2013 (11148 mal gelesen)
Devin Townsend - Retinal Circus DEVIN TOWNSEND ist einer der wenigen wirklichen Ausnahmekünstler auf diesem musikalischen Planeten. Und man hat fast den Eindruck, dass er nach dem Ende seiner selbstzerstörerischen Drogeneskapaden und ausgelebter Hyperaktivität in der gefundenen Ruhe noch kreativer ist als früher. Nur anders. So veranstaltete er vor einiger Zeit den "Retinal Circus" - ein großes Konzert, welches mehr als ein Konzert werden sollte, gar eine Show. Mit großer Besetzung und großer Produktion hatte er neben seiner Band noch NVA-Soldaten, Artisten, Gospel-Chor, Feuershow, Zwerge, Statisten, einen saufenden Ziltoid, gigantischen Vaginen, Hochzeitspaare, Go-gos, Videoprojektionen und - last but not least - als prominenten Moderator Steve Vai, in dessen Diensten Devin einst seine musikalische Karriere als Sänger startete.

Vom "Retinal Circus" gibt es nun eine fette Live-Ausstattung in verschiedenen Box-Sets, vom CD-Only-Set bis zur Limited Edition mit zwei BluRays. Zur Rezension liegt uns die Audio-Fassung als Doppel-CD vor, die wir aber auch mit der Filmfassung verglichen haben. 25 Songs umfasst diese gigantische Show, und eine Spieldauer von über 2 Stunden. Bei der Anzahl fetter Hits von Devin kann man über die Songauswahl für die Setlist geteilter Meinung sein. Ich persönlich hätte die schelmisch-schmalzigen bis sperrigen Titel wie 'Lucky Animals', 'Planet Of The Apes', 'Baby Song' oder 'Little Pig' nicht gebraucht und lieber mehr der typischen Soundwände seiner DEVIN TOWNSEND PROJECT-Phase genossen. Aber, das muss man sich immer wieder vor Augen halten, hier ging es um eine Show, eine Bühnenzauberei mit Zirkuscharakter. Da wirken diese Grinse-Stücke natürlich passender als 'Away' oder 'Earth Day'. Steve Vai hat zu jedem Titel ein paar passende Sprüche per Einspieler parat, und er übergibt auch gerne mal an Devins kongeniale Gesangsunterstützung, nämlich die wie immer überwältigende Anneke Van Giersbergen, die mit ihm begeistert die Bühne teilt oder auch mal auf verschiedenen Balkonen der Bühnenkonstruktion in verschiedenen Kostümen auftaucht. Hierfür wird ihr auch der Platz in der Show eingeräumt, den sie verdient hat. Da kommt es gar zu humoristischen Huldigungen, wenn Devin 'War' unterbricht und zu ihr meint: "Anneke, I'm fat and old, please help me out, baby!". Ihr Gesang ist absolut perfekt in Stimme und Mix, und es ist wieder eine Freude, ihr zuzuhören (oder in der visuellen Fassung zuzusehen, denn sie gehört zu den Künstlern, denen man die Leidenschaft in jeder Faser anmerkt).

Perfekt ist überhaupt das Stichwort zu dieser Scheibe. Musikalisch ist hier eigentlich alles perfekt. Wenn nicht immer wieder das Publikum lauter reingemischt würde, dann findet man keinen Unterschied zu den Studio-Aufnahmen. Mit einziger Ausnahme des unplugged-Sets von 'Hyperdrive' und 'Ih-Ah'. Und das ist etwas, was diese Scheibe etwas steril macht. Die Spontanität eines Live-Gigs geht in so einer durchkonzipierten Show ein Stück weit verloren. Und das ist auch das Hauptmanko dieser Scheibe, wenn man sie sich als Audio-CD anhört. Die Songs rutschen durch wie auf den Studio-CDs, nur mit etwas anderem Sound. Devin hält sich dank des Moderators auch weitestgehend zurück mit Ansagen, und seine witzigen Sprüche sind dadurch natürlich viel weniger als auf einem normalen Gig. Inwieweit mit instrumentalen Einspielern gearbeitet wurde, kann ich dabei schlecht unterscheiden. Das Fade-Out in der Mitte von 'Colour Your World' klingt schon sehr ungewöhnlich für Live-Auftritte.

Zur Halbzeit gibt es eine kurze Pause, in welcher dem Publikum 15 Minuten zum Pinkeln eingeräumt werden. Nach dem folgenden Akustikset gibt es den krassen Kontrast, als Devin seine Fratze auspackt, das Publikum einmal laut "Strapping Young Lad" rufen lässt und dann 'Detox' - verstärkt durch Jed Simon - von der Bühne donnert. Der Song wird allerdings im typisch "matten" Devin-Townsend-Sound gespielt und büßt eine Menge seines Durchschlagspotenzials ein. Ein ähnliches Schicksal erfährt 'Kingdom' vom vergleichsweise harten "Physicist"-Album.

Dem Audio-Erlebnis steht die durchgeplante musikalische Untermalung sowie der etwas belegte, weiche Sound des Livemixes (es galt ja, viele Stimmen in dieser einmaligen Show unter einen Hut zu bringen) ein wenig im Weg - wer sich hier das hautnahe Hörerlebnis verspricht, wird enttäuscht werden. Es ist glatt, wenig spontan, und der Schwerpunkt lag eindeutig im Gesamtwirken mit der Bühnenshow. Daher ergeht - ungeachtet der Fabelhaftigkeit vieler der vorhandenen Songs - diese Rezension für die Doppel-CD für den musikalischen Regalwert ohne Wertung, und ich spreche stattdessen eine eindeutige Empfehlung für das visuelle Erlebnis von DVD oder der BluRay aus. Denn was hier auf der Bühne geboten wurde, ist zu keiner Zeit langweilig, steckt voller verrückter Ideen, und es präsentieren sich eine Menge Musiker, die ganz deutlich einen ganz fetten Spaß bei diesem Projekt hatten. Mein Neid gilt denjenigen, die das Erlebnis direkt vor Ort hatten.

- ohne Wertung -
Trackliste Album-Info
01. Effervescent/True North
02. Lucky Animals
03. Planet Of The Apes
04. Truth
05. War
06. Sould Driven
07. Planet Smasher
08. Baby Song
09. Vampolka
10. Vampira
11. Addicted!
12. Colour Your World
13. The Greys
14. Hyperdrive
15. Ih-Ah!
16. Where We Belong
17. Detox
18. Bend It Like Bender
19. Life
20. Kingdom
21. Juular
22. Love?
23. Colonial Boy
24. Grace
25. Little Pig
Band Website: www.hevydevy.com
Medium: CD
Spieldauer: 128:08 Minuten
VÖ: 30.09.2013

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