Livebericht Guano Apes |
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Ein Livebericht von Opa Steve aus Köln (Live Music Hall) - 18.11.2022 (18568 mal gelesen) |
Früher waren Konzerte mitten in der Woche irgendwie ein Stück weit Normalität. Raus aus dem Büro, umziehen, ab ins Auto, und dann erst mal locker 100 Kilometer fahren. Nach dem Konzert nachts zurück und am nächsten Morgen mit etwas Glück 30 Minuten länger schlafen und dann wieder ins Büro. Irgendwie ist man schon etwas entwöhnt seit Corona und wir stellen auf der Hinfahrt fest, dass 80 Minuten Autobahn und Kölner Stadtverkehr bei trübem Novemberwetter nach einem langen Arbeitstag tatsächlich etwas ist, was nicht mehr in Fleisch und Blut liegt. Nach aufreibender Parkplatzsuche (seit die Vogelsanger Straße zur Modernisierungsbaustelle verkommen ist, ist es deutlich knapper geworden als zu goldenen Zeiten, in denen das "Underground" noch existierte) kommen wir endlich zur Live Music Hall und genießen den entspannten Einlass, denn voll ist es trotz ausverkauftem Haus um diese Uhrzeit noch nicht. Während die Fans erst eintrudeln, nutzen wir die Möglichkeit, ein paar Worte mit Henning zur Tour zu wechseln. So verpassen wir größtenteils den Opener TELL A VISION, der aber in unserem Magazin ohnehin auf eher geringeres Interesse stoßen würde. Keine Band auf der Bühne, keine Instrumente, nur Fee Kürten mit ihrem Laptop und dem Mikro. Die etwas avantgardistische Musik mutet gelegentlich etwas schräg an, Drum'n'Bass sind die Hauptbestandteile, die Vocals entrückt-lakonisch, Ansagen minimalistisch. TELL A VISION gehört irgendwie zu den Künstlern, wo einem spontan Berlin einfällt, wo genau der richtige Platz in alternativen Subszenen für diese Art Avantgarde Pop ist. Im APES-Publikum reicht es für Höflichkeitsapplaus, aber nicht für große Begeisterungsstürme. Apropos Publikum: Die Crossover- und Rock/Metal-Fans der Band sind auch in Würde gealtert, so sind die großen Alben ja auch schon 20 Jahre her. Insofern findet man im Publikum neben frischen Youngsters natürlich auch eine Menge Normalos im mittleren Alter, aber auch diverse Metalheads und einige entspannte Altrocker. Es ist nicht mehr wie einst die dominierende Skater- und Crossover-Welle der 90er, die das Publikum der GUANO APES bestimmt, sondern die Hörer haben sich diversifiziert. Beim zweiten Support-Act, MACHETE DANCE CLUB, ist die Halle dann schon deutlich voller und die organische Band kann das Publikum besser erreichen als der Solo-Opener. 'Cheap Motel' haut direkt groovig krachend ins Publikum. Der Sound ist eine Mischung aus progressivem Pop Rock und Alternative. Brutal tiefgestimmte Distortion-Akkorde kommen in der Musik genauso vor wie zart-süße Gesangsmelodien. Ich persönlich komme mit der Tonlage des Gesangs nicht so gut parat, denn diese Grenze zur Kopfstimme ist mir einfach zu gehaucht. Da bin ich schon froh, wenn einige flottere Rap-Passagen oder auch mal Schreie eingebracht werden. Dieses Weiche ist einfach nicht mein Ding. MACHETE DANCE CLUB profitieren von der zunehmenden Enge in der Halle und bringen sogar viele Hände in die Luft. Es gibt auch ordentlich Bewegung auf der Bühne sowie unterstützende Gesangseinlagen der Begleitmusiker. Zum Ende hin hat sich die Band entweder freigespielt oder ich habe einen allmählichen Zugang zum musikalischen Konzept, denn die letzten drei Songs gefallen mir sogar richtig gut. Ganz geschickt ist die Band beim obligatorischen Abschlussfoto vor Publikum. Es wird einfach mal laut die Frage gestellt: "Habt ihr Bock auf die GUANO APES?" - und im darauf lostobenden Jubel wird dann auf den Auslöser gedrückt. So gelingt auch der Vorband ein enthusiastisches Band-Selfie vor eindrucksvoll steilgehender Kulisse, das wird sicherlich Schule machen. Zur Umbaupause für den Headliner wird die Live Music Hall dann ihrer Definition von "ausverkauft" wieder einmal gerecht. Das Publikum staut sich bis um die Einlassecke und ein Durchkommen ist nur noch mit viel Geduld möglich. Gleichzeitig tummeln sich stets noch weitere Besucher im Hof, die dort den Imbiss, Getränkestand oder die Toiletten aufsuchen. Es hat sich seit den Neunzigern nichts geändert, dass die Halle so viele Tickets verkauft, dass pro Besucher tatsächlich nur noch ein minimaler Stehplatz übrigbleibt. Ein Durchkommen an die Theken entwickelt sich schon zum Sport. Auf der Bühne wird nun auch Platz geschaffen und das Equipment der Vorbands abgebaut. Der Schriftzug "APES" in vier großen Bannern verdeckt das Backdrop, welches noch mehrmals während des Gigs das Motiv wechseln wird. Die Bühne selbst ist spartanisch eingerichtet - keine riesige Backline, wie man es von den meisten Metal-Bands kennt, sondern vor allem viel Freiraum. Wer den Bewegungsdrang einer Sandra Nasic kennt, der weiß auch, warum. Den Fotografen wurde ein etwas eigentümlicher Platz zugewiesen, nämlich am FOH statt im Fotograben. So tummeln sich vor dem Mischpult die Objektive, als die Band zum Intro die Bühne betritt. Sandra kommt dann zum Opener 'You Can't Stop Me' auf die Bühne und pusht den Jubel noch mal höher. Getreu dem Motto der Tour ein gut gewählter Opener, außerdem einer der späteren großen Hits mit entsprechend Airplay. Leider kann mich Sandras Gesang hier noch gar nicht überzeugen. Sie singt sehr zurückhaltend und wirkt irgendwie kurzatmig. Gerade der Refrain lebt ja von dieser Power, und das kann sie live im Moment noch nicht vermitteln. Klar will man mit einem Kracher einsteigen, aber vielleicht hätte ein anderer Song zu Beginn besser gewirkt, damit man sich auf der Bühne erst mal warm machen kann. Möglicherweise hat sie auch noch mit Monitorproblemen zu kämpfen und kann deswegen nur ganz konzentriert und zurückhaltend singen. Egal - so viel sei schon verraten: Die Vocals sind spätestens beim dritten Song auf gewohntem Niveau! 'Crossing The Deadline' bringt als relativ ruhiger Song aus der Frühphase etwas chillige Stimmung nach den ersten Songs zum Warmwerden und man merkt Sandra hier auch schon deutlich mehr Bewegung an. Sie dreht sich vor dem Drumset um die eigene Achse und der Song bringt das Publikum zum groovigen Tanzen. Alte Songs wie 'Rain' mischen sich danach mit neuen Songs wie 'Lose Yourself' oder 'Like Somebody'. Man merkt aber schon deutlich, dass trotz der Klasse der Titel, die nach der Reunion geschrieben wurden, die Fans großen Hunger nach altem Material mitbringen. Vor allem das Album "Proud Like A God" erfuhr in der Setlist eine prominente Beachtung. Zwischendurch werden die Backdrops auch mehrmals ausgetauscht und die Buchstaben "A-P-E-S" entfernt, damit die großen Backdrops zur Geltung kommen. Von den neuen Titeln kann in der zweiten Hälfte 'Oh What A Night' die Live Music Hall richtig auf Touren bringen. Wo man auch hinschaut ist Bewegung im Publikum. Sandra post in den Gesangspausen vorne an der Bühnenkante, Dennis ist hinter dem Kit komplett im Tunnel und präsentiert seine meterweit ausgeholten Schläge. Auch Stefan nutzt einen großen Bewegungsradius, während Henning eher der gechillte Ruhepol ist und sich auf seine Gibson konzentriert. 'Sunday Lover' legt dann noch mal mit seinen Indie-Rock-Vibes nach und sorgt dafür, dass langsam der Schweiß durch die Klamotten fließt und die Belüftung der Live Music Hall nicht mehr nachkommt. Diese beiden Titel im Doppelpack beweisen eindrucksvoll, welches Potenzial in der Comeback-Scheibe "Bel Air" steckt, welches zwar nicht so tiefgründig und komplex wie auf "Walking On A Thin Line" ist, aber dafür extrem mitreißende Werke mit Wahnsinns-Hooks bietet. Der letzte reguläre Titel ist nach dieser Reise durch frühe und späte Zeiten der Band noch mal ein Kracher, der außer Konkurrenz steht. Das einstige Projekt mit Mittermeier, 'Kumba Yo!', sorgt für einen formidablen Moshpit im ersten Hallenviertel, der zum happy Refrain komplett austickt und - gut vorhersehbar - den Höhepunkt des Sets markiert. Nach einer Pause und permanenten "Zugabe!"-Rufen kehren zuerst Henning und Dennis auf die Bühne zurück. Dort machen sie gemütlichen Smalltalk und man verschaukelt sich gegenseitig und da kippt auch gern mal ein Bier auf den Bandkollegen, bis sich auch Stefan wieder auf die Bühne gesellt. Zum Trio geschrumpft zetteln die Instrumentalisten dann ohne Sandra ein längeres Instrumental an, bei dem vor allem viel gejammt wird. Stefan klettert neben dem Drumset auf seine Backline und die Band spielt sich in einen wunderbaren Groove. Ich hatte vor wenigen Jahren das Glück, die GUANO APES auf der Loreley als Festivalheadliner zu erleben, und schon da fiel mir das großartige Jam-Talent auf, wie die Musiker miteinander kommunizierten, als Sandra mal Probleme mit ihrem In-Ear-Monitorsystem hatte und die Jungs die Pause überbrücken mussten. Und auch das funktionierte hier als Intermezzo wunderbar, wenn auch stilistisch natürlich deutlich anders als die emotionalen Titel mit Vocals. Aber man muss es der Band einfach ins Buch schreiben, dass sie nicht nur eine Charakterstimme und agiles Markenzeichen als Frontfrau haben, sondern alle Musiker auch auf einem starken Level zusammenspielen und eine Einheit wie ein musikalischer Organismus bilden. Und das macht in meinen Augen auch einen Großteil des Erfolgs aus, dass man diese unzertrennbare Einheit auch in den Arrangements einfach spürt. Es wächst stets zusammen, was zusammen gehört, und das schafft nicht jede Band. Nach dem Instrumental haben sich die GUANO APES natürlich noch zwei Kracher aufgespart: 'Big In Japan' als ALPHAVILLE-Cover war schon damals bei der Veröffentlichung ein Erfolgsgarant. Wie Sandra den Vocals eine aggressivere Note als im Original auferlegt, funktioniert damals wie heute und bringt den ehemaligen Synthiepop-Hit auf ein anderes Level. Und es ist wenig verwunderlich, dass der starke Drive in der Bridge immer wieder für Eskalation im Publikum sorgt. Als dann auch noch ihr frühester Durchbruch-Hit, 'Lords Of The Boards' angestimmt wird, gibt es kein Halten mehr. Das Hawaii-Feeling des Intros unterstreicht noch mal die Hitze in der Halle, die direkt auf den harten Crossover-Groove anspringt. Der Wechsel in der Dynamik sorgt für abwechselndes Luftholen und wildes Rumspringen. Das Publikum vom Bühnenrand bis zum Mixer ist ein einziges Auf und Ab der Köpfe und jeder genießt noch einmal den wilden Schlusspunkt dieses Gigs. Dieser hatte eine gut funktionierende Spannungskurve, obwohl ich mir natürlich schon mehr Power zu Beginn gewünscht hätte. 'You Can't Stop Me' und 'Quietly' sind tatsächlich zwei meiner Lieblingssongs der "Walking On A Thin Line" und die Scheibe steht generell bei mir quasi auf dem Thron. Daher hätte ich mir nicht nur mehr dieses hochklassigen Albungs gewünscht ('Pretty In Scarlet' wäre noch ein Traum gewesen), sondern natürlich gern diese beiden Songs in warmgespieltem Stadium mit bestmöglichen Power-Vocals erlebt. Aber man kann nicht alles haben, dafür freuen sich Fans der Frühzeit umso mehr über die Setlist und die ständige Steigerung des Levels ist natürlich auch geil gewesen, da immer wieder eins draufgesetzt wurde. Definitiv ein verdienter und erfolgreicher Tag für die GUANO APES, und ich bin gespannt, wie sie ihren Weg weitergehen. |
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