Livebericht Theatre of Tragedy (mit Pain und Sirenia) |
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Ein Livebericht von Opa Steve aus Andernach (Juz-Liveclub) - 28.12.2004 (35258 mal gelesen) |
Sirenia, die als erstes auf die Bretter mussten, leiden immer noch etwas unter der leicht unsteten Besetzung. Morten Veland arbeitet zwar im Studio den Großteil des Materials im Alleingang aus, aber es ist immer schöner, wenn die Stücke dann möglichst livehaftig präsentiert werden können, als einen Großteil per Playback beizusteuern. So kam es dann diesmal, dass im Gegensatz zum Summerbreeze-Gig auch noch der Bassist "virtuell" war, und ständiges Drummitglied Jonathan wurde aus beruflichen Gründen für diese Tour vom Edenbridge-Kollegen Roland Navratil ersetzt. Also stapften sie auf die Bühne vor das Publikum, welches sich zwar stark auf Pain bzw. Theatre Of Tragedy eingeschossen hatte, aber dennoch dem "Goth-meets-Klassik"-Metal des ehemaligen Tristania-Masterminds eine faire Chance gaben. Es gab keine Abwanderungen, der Club blieb etwas zurückhaltend, aber nicht ablehnend. Der selbstbewussten Präsentation Sirenias war es schlussendlich zu verdanken, dass der Applaus sogar von Stück zu Stück zunahm und nach dem gigantischen Über-Song "Star Crossed" der Jubel noch anhielt, als die Band schon verschwunden war. Absoluter Blickfang Sirenias ist und bleibt Henriette Bordvik. Es gibt nur wenige singende Frauen im Metal, die diese Kombination aus guter Stimme und optischer Präsenz darbieten können. Ihr "männerfreundliches" Outfit und ihre Show wirken aber keineswegs billig oder aufgesetzt, so dass ein Gig von Sirenia nicht zuletzt durch sie zu einem Gesamtkunstwerk wird. Die Songs haben live insgesamt viel mehr Dampf als auf CD, und auch glaubt man bei dem Genuss der wirklich gelungenen Studioscheiben nicht, dass man Live zu diesem Material so viel Power inkl. Propellerbanging von Morten und Henriette geboten bekommt. Verglichen mit dem Wahnsinnsgig auf dem Summerbreeze merkte man der Band mit fortschreitender Zeit doch an, dass ein Touralltag an den Kräften zehrt. Ohne die musikalische Qualität zu mindern wurden die Akteure mit der Zeit deutlich ruhiger und ausgepowerter. Leider mussten sich gerade die beiden Vokalisten etwas mehr anstrengen, da der Sound für den Gesang etwas dürftig abgemischt war und der zu leise Monitorsound auch hier und da mal etwas für Intonationsprobleme sorgte, wenn sich Henriette zu weit an den Rand wagte. Wie manche Mixer auf den Ohren sitzen und stur nicht nachkorrigieren wird ein ewiges Live-Rätsel bleiben, welchem ich schon seit 20 Jahren auf den Grund gehen will... Der Schwerpunkt der Darbietung lag ganz klar auf dem "Elixier..."-Album plus einiger Ausflüge zum Debüt. Die aktuell erschienene MCD wurde nicht weiter berücksichtigt. So musste man trotz aller Spannung auf die Coverversion von "First we take Manhattan" leider verzichten, aber wie uns die Band beim Interview mitteilte, war diese MCD ohnehin ein Experimentierfeld vor dem nächsten Album. Wir werden Sirenias Werdegang gespannt verfolgen. Auf dieser Tour werden sie sicherlich überraschte Fans hinzugewinnen. Bleibt nur zu wünschen, dass sie mit dem nächsten Album nicht allzulange warten und auch besetzungstechnisch auf einen stabilen Pfad kommen, so dass wir bei der nächsten Tour vielleicht das Material in voller Pracht geboten bekommen. Bei Pain waren unsere Erwartungen nach der furchtbaren letzten Tour nicht allzuhoch. Und dennoch überraschte uns der Peter mit richtig frischem Wind! Statt Zwangsjacke hat er wieder eine Klampfe umgeschnallt, und seine Begleitmusikerinnen bestanden aus zwei Supersonic Bitches an 2. Gitarre und am 6-Saiter-Bass. Fett grinsend und mit einem 100%igen Luder-Image standen sie da, und Peter mit Hemd und Krawatte in der Mitte fühlte sich sichtlich wohl und lief zur Höchstform auf. Schon der Opener "Supersonic Bitch" hat richtig schön gebraten - die Techno-Synthies (ebenfalls per Sequencer eingespielt) machten Platz für brettharte Industrial-Gitarren, es war laut und geil. Peter poste was das Zeug hält, und der Funke sprang sofort auf die Meute über. Das war zuviel für die arme Anlage, denn schon bei "End Of the Line" fiel der Strom aus. Weder die "Ausziehen!"-Rufe noch der "Unplugged!"-Vorschlag wurden berücksichtigt und man musste warten, bis Amps wieder glühen konnten. "Welcome to the show" meinte Tägtgren lapidar, und die Drums läuteten den Pain-Göttersong überhaupt ein: "Creed" rief sofort einen Moshpit auf den Plan, und auch wenn der Versuch des Crowdsurfens in der kleinen Halle gründlich daneben ging, war die Stimmung unaufhaltsam. Selbst bei Klingelton-Intros wie von "Shut your mouth" wurde gejubelt was das Zeug hält. Einzig und allein das Beatles-Cover "Eleanor Rigby" war etwas deplaziert. Und weil Pain schon recht fleißig an neuen Songs arbeiten, gab es direkt live ein paar Kostproben. Die bald erscheinende Single wurde vorgestellt, und auch schon ein neuer Song des nächsten Albums ("Same old song"). Zugaberufen verhallten ob des knappen Zeitplans leider ungehört, aber unter'm Strich kann man sagen, dass Pain in diesem Stadium wieder ganz vorne stehen. Wer weiß, vielleicht wird Hypocrisy irgendwann mal das Sideproject statt umgekehrt? Das überaus junge Publikum mit einigen Mädchen, die sich noch nicht so richtig zwischen Rock-Göre und Gothic-Girlie entschieden haben, sicherte sich nach Pain die vorderen Reihen für Theatre Of Tragedy. Die Skandinavier standen vor vielen Jahren mal ganz oben auf meiner Interessenliste, als Gothic-Metal noch nicht so richtig erfunden war, und die epischen Werke zwischen Death Metal Growls und dieser leisen Stimme einer gewissen Liv Kristine eine richtige Neuerung auf dem Markt war. Seitdem hat die Band eine Menge Veränderungen durchgemacht, und nach dem Scheideweg "Velvet Darkness They Fear" hat mich das Material auch nicht weiter sonderlich interessiert. Wie kaum zu überhören hatte sich die Band vor einigen Monaten von Liv getrennt und präsentiert sich nun mit neuer Vokalistin. Die Hintergründe mag man kennen, verstehen, oder auch nicht. Im Prinzip setzt Neuzugang Nell genau da auf, wo Liv gesangstechnisch auch heute steht. Solide, aber ruhig. Während Liv sich nun bei Leaves' Eyes Songs auf ihre Stimme maßschneidern lässt, kämpft Nell mit dem Problem, welches mich bei Theatre Of Tragedy schon immer gestört hat: das Material wird einfach zu gefällig. Die Zeiten sind wahrlich vorbei, als diese Band noch mit Wucht Düsterheit und Licht verbreitete. Die Growls sind komplett verschwunden, Raymond (dessen privater musikalischer Geschmack auf Merkwürdigkeiten wie Eminem, Dr. Dre, Snoop Dogg oder gar Outkast richtet) summt sich fast durch das Material, welches maximal zur oben genannten Scheibe zurückreichte, ansonsten aber komplett aus der neuen, elektronischeren Ära stammt. Nell guckt lieb ins Publikum und akzentuiert ihre Einsätze programmgemäß, und sonst passierte leider nicht viel. Nach der Vielseitigkeit Sirenias und der Wucht des Pain Gigs sank mein Spassfaktor leider rapide, obwohl gut die Hälfte des Publikums auf Theatre Of Tragedy einging und den soliden Bombast-Pop abfeierte. Mir hingegen schauderte es bei Langeweilern wie "Lorelei" und ich erfreute mich lieber an einigen älteren Werken wie "And When He Falleth" - leider wirkte der theatralische Mittelpart ohne den starken Dialog (bitte, diese Takte leben von den Gesprächssamples!) etwas langatmig. Fazit: nett, aber nicht unbedingt mitreißend für Metaller. Und noch ein Gruß an den Soundmann: dank Headliner-Status hat man bei Theatre Of Tragedy endlich mal die Female Vocals ordentlich gehört. Trotz des straffen Zeitplans hatte jede Band eigentlich einen ordentlichen Sound, aber leider etwas wenig Spielzeit. Dabei hätte man doch so gut die einzelnen Gigs etwas ausdehenen können, da der sonstige Headliner Tiamat ohnehin beim Andernacher Termin gefehlt hatte. Dafür war der Eintrittspreis von 17 Euro für die knapp 3 Stunden Nettospielzeit immerhin fair (wenn auch nicht gewohnt günstig für Clubs dieser Größe), und gemessen an den Publikumsreaktionen bei allen drei Bands kam wohl insgesamt jeder auf seine Kosten. Die Tour läuft noch eine ganze Weile - zieht's euch rein! |
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