Livebericht Gojira (mit Hypno5e ) |
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Ein Livebericht von Opa Steve aus Frankfurt am Main (Batschkapp) - 20.04.2002 (10792 mal gelesen) |
Verdammt, ich kann mich in meinem ganzen Leben noch an keinen Besuch eines Batschkapp-Konzerts erinnern, an dessen Tag es mal nicht schweinekalt gewesen wäre. Wenigstens ist die Kapp zuverlässig, was den Zeitplan angeht, und wenn man sein Auto glücklich auf einem der versteckten Insider-Parkplätze abgestellt hat, ist bis zum Einlass immer noch genug Zeit für einen Snack von der heißen REWE-Theke nebenan. Dann schnell durch die Kälte, und rein in die gute Stube. Pünktlich um 20 Uhr geht das Licht in der Batschkapp aus und die Bühne wird zu einem neblig-düsteren Schauplatz für die aus Montpellier stammende Band HYPNO5E. Der Vierer, bestehend aus Emmanuel Jessua (Lead Vocals & Gitarre), Cédric "Gredin" Pages (Bass & Backing Vocals), Thibault Lamy (Drums) und Jonathan Maurois (Gitarre), betritt im Zwielicht und durch Nebelschwaden die Bretter, um in der folgenden Dreiviertelstunde seinen experimentellen Ambientmetal in teilweise sehr langen Songs zu präsentieren. Das Publikum begrüßt die Musiker freundlich, aber doch recht zurückhaltend. Irgendwie passend zur leicht strangen Atmosphäre starten HYPNO5E ihren Set mit 'Psycho', welches gefolgt wird von 'Acid Mist Tomorrow' vom gleichnamigen Album. Dabei fallen die feine Beckenarbeit des Drummers und der supertiefe Bass auf. Der mehrstimmige Gesang, den sowohl Emmanuel als auch Cédric beisteuern, schwächelt an manchen Stellen leicht. Wie in all ihren Songs wechseln die Franzosen sehr kontrastreich zwischen wütendem Hardcore und sehr ruhigen Parts. Drücken sie zunächst aufs Gaspedal und kommt es zu musikalischen Ausbrüchen, wird man als Hörer in der nächsten Sekunde plötzlich voll ausgebremst. Dann ändert sich das leicht aggressive in ein etwas käsiges Ambiente. Einerseits wirkt ein solcher Kontrast schon interessant, aber andererseits kann dies dazu führen, dass ein "normales" Publikum mit solchen Kompositionen überfordert ist. Doch GOJIRA-Fans bilden da offensichtlich eine Ausnahme, daher kommt dieser vertrackte Stoff wirklich gut an. Mithilfe der tollen Lightshow, die hauptsächlich aus bläulich-weißem Licht und Stroboskop-Blitzen besteht, und zusammen mit dem allgegenwärtigen Nebel lassen sich die Leute in der Batschkapp also quasi hypnotisieren und tauchen in die musikalische Welt von HYPNO5E ein. Auch wenn fast keine Kommunikation zwischen Band und Publikum stattfindet, merkt man doch, dass die Jungs auf der Bühne die Stücke, die sowohl von der 2012er Scheibe "Acid Mist Tomorrow" als auch vom 2007er Album "Des Deux L'Une Est L'Autre" stammen, sehr ehrlich rüberbringen. Daher gibt es am Ende der Show auch einen ordentlichen Applaus für die Vier auf der Bühne. Setlist: Psycho Acid Mist Tomorrow Maintained Relevance of Destruction II Gehenne Brume Unique Obscurité Tutuguri Für GOJIRA wird der Bühne durch den Abbau der Support-Backline endlich die nötige Tiefe geschaffen. Eine ordentliche Reihe Amps werden rechts und links vom Drumkit enthüllt, und hinter dem Drumkit selbst sieht man groß das baumartige Emblem der letzten genialen Scheibe "L'Enfant Sauvage". Dieses sollte später noch als Leinwand für Projektionen, aber auch für eine stimmungsvolle Beleuchtung mit rückseitigem Spots dienen, während die ganze Bühne für das Intro in blaues Licht gehüllt wird. Als dann die Band auf die Bühne kommt, drängen sich die geschätzten 500 Besucher in der Batschkapp vor allem in den ersten Reihen auf der gesamten Bühnenbreite nach vorne. Vor Christian Andreu und Joe Duplantier vollführten in der ersten Reihe sogar eine Handvoll Leute tief verbeugte Huldigungen. Man kann jetzt schon zwei Dinge deutlich erkennen: 1) die Band hat in Deutschland eine feste Fangemeinde, und 2) diese ist aufgrund der sehr seltenen Besuche aus dem Nachbarland extrem ausgehungert nach einer ordentlichen Portion französischem Prog-Deaths live. Ich habe ehrlich gesagt auch nie verstanden, warum auf dieser Europa-Tour in Deutschland mit Köln und Frankfurt nur das Rhein-Main-Zentrum beehrt wurde. Aber nach diesem Gig werden GOJIRA sicherlich umdenken - dazu später mehr. Die Band legt nach dem Intro mit einem Bombensound mit 'Explosia' los. Jeder Schlag sitzt wie ein Nackenbrecher, und die Batschkapp verwandelt sich sofort in ein Meer synchronen Headbangings. Der Song geht direkt in das verhaltene 'Flying Whales' über, dem nochmal ein stumpfer Brecher ('Backbone') folgt. Jean-Michel am Bass hat sich mittlerweile Sehnen und Muskeln warmgespielt und bietet den gewohnten vollen Körpereinsatz, bei dem er die Schläge mit dem Kopf fast bis zum Boden ausführt oder seinen Bass in den irresten Verrenkungen herumreißt. Es ist überhaupt eine Freude zu sehen, wie die Band zu ihrem Material zu 110% abgeht und jeden Akkord zelebriert, als gäb's kein Morgen mehr. Joe ist ein klasse Frontmann und beherrscht das präzise Killer-Riffing zu seinen Shouts auch live perfekt. Wenn er dann noch die melodischen Gesangspassagen anschreit, ist Gänsehaut pur angesagt. 2007 hatte ich schon das Glück, GOJIRA mal auf dem Summerbreeze zu sehen, und das Potenzial war damals schon überdeutlich. Nun, 6 Jahre später und unter perfekten Bühnenbedingungen, ist es ein wahrer Genuss, die meist sehr hochwertigen Titel von einer Band präsentiert zu bekommen, die den Namen "Band" wirklich mit Leben füllt. Nachdem die Meute erst mal ordentlich wachgeschüttelt ist, nimmt sich Joe etwas Zeit für eine erste Ansage. Dabei betont er überschwänglich seine Dankbarkeit dafür, dass sie in Deutschland so gut aufgenommen werden. Er scheint selbst überrascht von den euphorischen Reaktionen, die allerdings sofort nachlassen, als er mal paar Sätze auf Französisch für die angereisten Landsleute loslässt. "Do you have a problem with that?" - nun, nicht damit, dass er mit seinen Leuten auch bisschen quatschen will (man weiß schließlich, wie gut es um das Englische bei den meisten bestellt ist). Aber die Sprache selbst ist nun mal ... ähem ... äußerst gewöhnungsbedürftig und kaum Metal-kompatibel. Ich nehm mir mal die Freiheit raus, so intolerant zu sein - bitte, es mir nachzusehen. Weg von der Sprache, hin wieder zu feinster Musik aus Froonkraisch. Nach 'The Heaviest Matter Of The Universe' werden das neue 'Liquid Fire' sowie der Titelsong des aktuellen Albums gespielt, und Joe erklärt nochmal das Gesicht vom Cover, welches das Kind darstellen soll, welches noch mit der Natur verwachsen ist. Bei diesem Titel wird nochmal deutlich, wie präzise GOJIRA zusammenspielen. Drums und Gitarren bilden eine Einheit, und die Kommunikation auf der Bühne klappt wie am Schnürchen. Nach diesem kurzen Ausflug auf die neue Scheibe folgt für die Die-Hard-Fans ein Ausflug in die alten heftigeren Death Metal Tage. 'Remembrance' mischt das Publikum ordentlich auf, welches es mit einem ersten Moshpit dankt. Das brutale 'Wisdom Comes' steigert die Stimmung nochmal. Zwischendrin tauschen Christian und Mario die Instrumente und machen eine Joke-Death-Version, während Mario als extravaganter Death Grunter angekündigt wird. An der Klampfe schlägt er sich gar nicht übel, allerdings zeigt sich Christian hinter den Drums von einer doch eher holprigeren Seite. Netter Gag am Rande! Von einem Drumsolo unterbrochen wird dann der Weg in die Neuzeit wieder aufgemacht, bei dem auch endlich Stücke von "The Way Of All Flesh" gespielt werden. 'Toxic Garbage' schließt dann den ersten Teil des Gigs ab. Nach so einer Vorlage gibt es in der Kapp natürlich kein Halten mehr. Immer wieder formieren sich lautstarke Zugabe-Rufe, und von so viel Lärm angelockt lassen die Jungs nicht mehr lange auf sich warten. 'Vacuity' stampft die Halle in Grund und Boden. Es wird wild gepogt, und auch Crowdsurfer lassen sich bis zum Mischpult tragen. Zum Abschluss wird es noch einmal theatralisch, denn das erhabene 'The Gift Of Guilt' erschallt und steigert sich minutenlang, während die Fans jede intensive Minute auskosten und gestenreich bejubeln. Dieser Gig war ein einziger Siegeszug der Franzosen. Die Jungs bekamen das Strahlen gar nicht mehr aus dem Gesicht heraus, und blieben noch lange Zeit vorne am Bühnenrand, um sich bei den Fans zu bedanken. Von den Reaktionen überwältigt, versprachen sie auch sogleich, Deutschland schnellstmöglich wieder zu besuchen. Für mich persönlich war dieser Gig in allen Belangen perfekt. Sound, Show, musikalisches Können und absolut geile Stimmung im Publikum machten ihn zu einem dieser magischen Momente. Am Rande sei abschließend noch bemerkt, dass GOJIRA mit ihrem Naturschutz-Motto mehr als bloß Worte pflegen, denn auf dieser Tour war auch die Umweltschutzorganisation Sea Shepherd mit an Deck, die nicht nur ein Schiff namens "Gojira" haben, sondern auch noch mit Shirts und anderem Material auf ihre Arbeit aufmerksam machten. |
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