Livebericht Lizzy Borden (mit Godmode ) |
---|
Ein Livebericht von Elvis aus Kerkrade (The Rock Temple) - 02.12.2010 (16690 mal gelesen) |
Es gibt Bands, die werden gnadenlos überbewertet trotz unglaublichen Erfolgen bei der Masse. Mir kommen dabei z.B. immer unweigerlich U2 und NICKELBACK in den Sinn, was weniger mit der musikalischen Richtung als mit so ziemlich allem anderen zu tun hat. Schön, das mal geschrieben zu haben! Nun ja, wenn die Masse aus dem Fenster hüpft, ist es deswegen ja noch lange nicht richtig, hinterherzuhüpfen. Einerlei, es gibt natürlich auch Bands, die jeglichen Erfolg, den sie haben, fraglos verdient haben. Die Namen mag ein jeder an dieser Stelle für sich selbst einsetzen, es gibt mehr als genug davon. Und dann... ja, dann gibt es noch die Bands, die man üblicherweise als sträflich unterbewertet bezeichnet oder bezeichnen muss. Auch das ist natürlich oftmals eine Wertungs- oder Geschmacksfrage, doch LIZZY BORDEN gehören für mich fraglos und zweifelsohne in diese Kategorie. Die nach der berühmt-berüchtigten potentiellen Axtmörderin benannte Band um den exzentrischen Frontmann mit dem gleichen Namen hat meines Erachtens noch nie auch nur ansatzweise die Anerkennung erhalten, die die Band verdient hätte. In den 80ern zwischen etlichen wesentlich schlechteren Bands als vermeintlich typische Hair Metal-Combo nie zum rechten Durchbruch auf breiter Front gelangt, folgte in den 90ern eine längere Pause, bis man sich Anfang der 2000er mit dem starken Comeback "Deal With The Devil" zurückmeldete. Ob Lizzy sich nun wirklich mit dem Teufel eingelassen hat, mag einmal dahingestellt sein, Fakt ist jedenfalls, dass die Band seitdem mit dem Comeback-Album und dem 2007er Output "Appointment With Death" zwei der stärksten Alben der Bandgeschichte eingespielt hat. Mit letzterem Oeuvre ist man immer noch in der Weltgeschichte unterwegs und wenn kurzfristig ein Konzert im sympathischen Rock Temple im holländischen Kerkrade angesetzt wird, bleibt wenig übrig, als ebenso kurzfristig dem Pilgerruf Folge zu leisten und dem Meister und seinen Mitstreitern zu huldigen. Schließlich haben es nicht wenige Bands bis heute verstanden, mich mit nahezu jedem einzelnen Song in irgendeiner Weise zu berühren. Der Zuspruch an diesem verschneiten Dezemberabend ist leider nicht so gut, wie es sowohl die Band als auch die tolle Location wünschen lassen würden. Hinzu kommt, dass aufgrund von ein paar Transportproblemen die ganzen Bühnenutensilien nicht hinterher gekommen sind, was schon bei einem Gig in Athen zuvor zu einer auf die Basics beschränkten Show geführt hat. Der Rock Temple, der schon im letzten Jahr Ort eines tollen LIZZY BORDEN Gigs im April war, füllt sich nur langsam mit Anhängern. Klar, das Konzert um das Hard Rock Hell Festival in Wales zwei Tage später war sehr kurzfristig angesetzt, dennoch haben die Jungs mehr verdient. Immerhin weiß das Publikum wenigstens, wen es hier vor sich hat. Doch zuvor sind erst einmal die niederländischen Lokalmatadore von GODMODE am Zuge. Die nicht mehr ganz taufrischen Jungs sehen an sich ziemlich normal aus und spielen einen zwar nicht übermäßig spektakulären, aber gefälligen Heavy Rock bis Metal. Mir war die Band bislang nicht bekannt und dementsprechend wenig kann ich zu den einzelnen Songs schreiben. Der Klang ist ordentlich und schlecht ist das Dargebotene jedenfalls nicht. Allerdings kennen die Anwesenden offenbar doch ein bisschen mehr und es regnet im Rahmen des Möglichen mehr als nur einen Höflichkeitsapplaus für die Band. Der Changeover dauert nicht überragend lange und kurz nach 21 Uhr betreten LIZZY und Co. die Bühne. Schon bei den ersten Klängen des Titelsongs 'Tomorrow Never Comes' der aktuellen Platte wird klar, dass auch Holland heute nicht in den Genuß einer kompletten Bühnenshow kommen wird, denn von den gewohnten Kostümen und Masken der Band und vor allem des Meisters selbst ist nichts zu sehen. Lizzy erscheint stattdessen mit Sonnenbrille und einem Wollmantel bekleidet und rockt sich unabhängig von der überschaubaren Zuschauerzahl gewohnt professionell durch die ersten Songs. Trotz des etwas ungewohnten Anblicks, wenn man eben nun mal die diversen Masken und Outfits einer LIZZY BORDEN-Show gewohnt ist, hat diese "Stripped Down"-Show auf jeden Fall den Effekt, einem wieder einmal die Stärke des Songmaterials vor Augen zu führen. Seien es nun die Hits wie das später unvermeidliche 'Me Against The World' oder 'American Metal', frühe Songs wie 'Notorious', 'Voyeur', 'Eyes Of A Stranger' oder neuere Titel wie 'There Will Be Blood Tonight' oder das tolle 'Live Forever': wenn man die Songs auch live ohne jegliche - was ich weiß Gott nicht abwertend verstanden wissen möchte - Mätzchen zu hören bekommt, offenbart sich erst, dass an sich die ganze Show fast schon Makulatur ist und LIZZY BORDEN auch ohne bestehen können. Die Vorbehalte diverser Fans gegen showlastige Bands, die damit musikalische Defizite ausgleichen wollen, kann man hier nicht nachvollziehen und nicht teilen. Der Sound ist von Anfang an sauber und nicht zu beanstanden und wie schon gesagt: es mögen nicht allzu viele Fans gekommen sein, aber die, die da sind, wissen genau warum! Dadurch entsteht schon nach kurzer Zeit eine bemerkenswerte Wechselwirkung zwischen Band und Publikum, die für einen sehr gelungenen Konzertabend sorgt. Die beiderseitige Begeisterung treibt an und auch die Set List lässt nicht viel zu wünschen übrig. Wer das Glück hatte, mehrere Shows der aktuellen Tournee zu sehen, wird merken, dass die Set List nicht statisch durchgezogen wird, sondern immer mal wieder Abwechslung im Set Einzug hält. Da LIZZY BORDEN mehr als genug tolle Songs im Back Catalogue haben, um auch neben den bekannteren Titeln zu überzeugen, ist für Fans eh klar. Jeder hat seine Favoriten und auch wenn ich z.B. gerne noch 'Master Of Disguise' oder etwa 'Warfare' gehört hätte, die Mischung stimmt. Trotz der Altersspanne von bis 25 Jahren zwischen den Songs zeigt sich schön, dass das neuere Material problemlos neben den Klassikern bestehen kann und alles andere als überflüssig ist. Umso besser, dass man sich in der Band der eigenen Stärke bewusst ist und die Songs auch entsprechend selbstbewusst spielt. Gleich zu Beginn ist schon die mittlerweile fest zur Band gehörende Tänzerin Steffi gewohnt leicht bekleidet mit auf der Bühne und kommt auch beim Finale wieder zum Einsatz. Die mittlerweile mit Drummer Joey Scott - dem Bruder des Maestros - verheiratete Blondine kommt immerhin dank des fehlenden Equipments heute mal um den blutigen Bühnentod durch Bandchef und Schwager Lizzy herum. Dennoch hat sie sichtlich auch ihren Spaß. Auch wenn es aus traurigem Anlass auch weiterhin modern ist, DIO-Cover in die Set List einzubauen, 'Long Live Rock 'n' Roll' zum Abschluss des regulären Sets gehört schon seit Ewigkeiten zu den LIZZY BORDEN-Standards und wird gewohnt souverän gespielt. Dennoch, das kann nach knapp 75 Minuten noch nicht alles gewesen sein. Die trotz der Zuschauerzahl lauten Rufe nach einer Zugabe bewegen daher die Band mühelos, nochmals auf die Bühne zurückzukehren. Mit der Bandhymne - standesgemäß, wenn man sich nach einer Axtmörderin benennt - 'Give 'em The Axe' und dem frühen 'Red Rum' (wer rückwärts lesen kann, ist klar im Vorteil) endet sodann ein eindrucksvoller Gig. Nach einer kurzen Erfrischungspause sind alle Bandmitglieder danach noch zur Signing Session am Merchandisestand vertreten und erfüllen sämtliche Autogramm- und Fotowünsche der Fans. Das Merchandise-Angebot (zu akzeptablen Preisen von 20 Euro) ist angesichts der bereits erwähnten Probleme mit dem Equipment nicht allzu umfangreich und beschränkt sich auf paar Shirts für Herren und auch Damen (ja, ein LIZZY BORDEN Girlie-Shirt ziert jede einzelne davon!) sowie signierte Drumsticks. Leider sind sogar die Shirts größenmäßig nicht so verfügbar, wie es lieb wäre und so gibt es nur große Größen, aber wozu gibt's den Online-Shop der Band? So oder so, trotz aller unglücklichen Umstände um den Gig herum, das Positive überwiegt heute Abend ganz klar und sowohl Band als auch Fans haben augenscheinlich und vernehmlich einen tollen Konzertabend erlebt. Es wäre wirklich zu wünschen, dass die Jungs generell vor einem größeren Publikum spielen würden und ähnlich abräumen wie letztes Jahr beim "Keep It True" - das Potential haben sie allemal. Dennoch, wer heute dabei war, kommt sicher wieder. Und Stammkundschaft hält auch eine Band am Leben, hoffen wir also, dass das bei LIZZY BORDEN noch lang der Fall sein wird! Set List LIZZY BORDEN: 01. Tomorrow Never Comes 02. Notorious 03. Voyeur 04. Live Forever 05. Eyes Of A Stranger 06. Love Is A Crime 07. Bass Solo 08. Under Your Skin 09. There Will Be Blood Tonight 10. Guitar Solo 11. Me Against The World 12. American Metal 13. We Got The Power 14. Long Live Rock 'n' Roll Encore: 15. Give 'em The Axe 16. Red Rum |
Alle Artikel