Savage Grace - Sign Of The Cross

Review von baarikärpänen vom 05.05.2023 (4060 mal gelesen)
Savage Grace - Sign Of The Cross Wir müssen reden! Natürlich auch über SAVAGE GRACE und die Musik vom neuen Album "Sign Of The Cross". Aber man kommt ja gar nicht drumherum, über den allgegenwärtigen rosa Elefanten im Raum, in diesem Fall das Artwork der neuen Scheibe, sich so seine Gedanken zu machen. Wenn eine aufstrebende neue Band in Ermangelung eines riesigen Budgets auf eine Zeichnung eines mäßig talentierten Freundes für ihr Erstlingswerk zurückgreift, ist das voll in Ordnung. Wenn eine neue Band, die oldschool as fuck sein möchte, ihren (gewollt) rumpeligen Sound mit dem entsprechenden Motiv auch auf dem Cover zum Ausdruck bringt, ist das ebenfalls keine Riesensache. Wenn aber jemand wie Christian Logue, der mit SAVAGE GRACE solche Meilensteine des 80er-Metals wie "Master Of Disguise" und "After The Fall From Grace" veröffentlicht hat und der mit "Sign Of The Cross", ich zitiere mal, ein "Meisterwerk und eine großartige Ergänzung meines Vermächtnisses an universell gefeierten klassischen Metal-Aufnahmen" veröffentlicht und dann mit einem Artwork aufwartet, das im Vergleich zu den eh schon fragwürdigen Artworks der frühen Scheiben eine fast für unmöglich gehaltene Steigerung des schlechten Geschmacks abliefert, dann darf, ja MUSS, man das diskutieren. Letztendlich bleibt es ja jedem überlassen, was er vom Cover der neuen SAVAGE GRACE hält, aber die Tendenz ist halt schon klar erkennbar, wenn man sich Foren anschaut, in denen am Artwork kein gutes Haar gelassen wurde. Besonders Noise aus Berlin waren so ein Label, das seinen Bands oft einfach mal ungefragt ein komplett anderes Covermotiv verpasst hat (nachzulesen im Buch "Systemstörung: Die Geschichte von Noise Records" von David E. Gehlke). Ein sehr zweifelhaftes Vorgehen, aber in Bezug auf SAVAGE GRACE wäre es wünschenswert gewesen, wenn Massacre Records genau das getan hätten. Sollte Christian Logue tatsächlich dieses Review lesen und mir ob der negativen Worte zum Artwork die Pest an den Hals wünschen, dann kann ich nur sagen, wir wären dann Quitt. Ging mir nämlich damals genauso, als ich 1985 Geld in die USA überwiesen hab für ein Band-Shirt, das niemals bei mir angekommen ist.



Ich für meinen Teil habe so meine ganz besondere Beziehung zu SAVAGE GRACE. Das fing mit dem Kauf von "Master Of Disguise" damals an. Das selbst gezogene Tape der Scheibe lief in Dauerschleife auf der Fahrt zum Metal Hammer Open Air auf der Loreley 1985. Dazu hatte ich das Vergnügen, für ein klitzekleines Fanzine damals Chris Logue zu interviewen, der mir meine mitgebrachte LP dann auch noch mit einem wenig netten Comic über dem Bild von Sänger Mike Smith plus Autogramm verziert hat. Logue kam damals wirklich supernett rüber, hat sich für den Schreibnovizen jede Menge Zeit genommen und mehr als ausführlich jede noch so schlechte Frage beantwortet. Das mag auch mit der Grund sein, warum ich die damalige Entscheidung, Mike Smith, der mit seinen Vocals "Master Of Disguise" maßgeblich geprägt hat, vor die Tür zu setzen und Chris Logue mit seinem sehr überschaubaren Talent als Sänger hinter dem Mikro zu platzieren, gnädig übersehen habe. Immerhin konnte auch ein Chris Logue als Sänger nicht viel kaputt machen auf dem nachfolgenden "After The Fall From Grace" mit seinen tollen Songs. Wo dieses Album mit Mike Smith heute in der Geschichte des Metal einzusortieren wäre, steht auf einem anderen Blatt Papier ... Letztendlich begann danach der Niedergang von SAVAGE GRACE, was auch daran gelegen haben dürfte, dass Chris Logue eben doch kein Teamplayer war und sein "Baby" in Richtung belangloser Hard Rock gesteuert hat (nachzuhören auf dem 2021 veröffentlichten "New York Daze"). Dass Chris Logue ein schwieriger Charakter ist, dazu muss man nur die Jungs von ROXXCALIBUR befragen, die 2010 als Backing Band bei der Reunion von SAVAGE GRACE mit Logue auf Tour waren. Da ist es dann auch mit Vorsicht zu genießen, wenn Logue über das neue Line-up der Band sagt, dass er die "unglaublichsten Musiker aus der ganzen Welt um sich geschart" hat und mit dem neuen Album "eine neue Dimension des Metals" erschafft. Zeit also, sich der neuen Scheibe zu nähern.

imgcenter


Ob die Ankündigung des Meisters nur heiße Luft ist oder doch wenigstens in Teilen stimmt, lässt sich nun mal nur beim Hören feststellen. Seine Mitstreiter hat Logue sich in Brasilien gesucht, und zumindest was Bassist Fabio Carito und Drummer Marcus Dotta angeht, scheint Logue nicht übertrieben zu haben. Beide haben jede Menge Referenzen vorzuweisen (TIM RIPPER OWENS, WARREL DANE, LEATHER). Die sind bei Sänger Gabriel Colón zwar noch spärlich gesät (immerhin LYNCH MOB und CULPRIT), aber auch hier kann man Chris Logue ein feines Händchen bei der Auswahl attestieren. Colón, dessen Stimme irgendwo zwischen (einem jungen) Rob Halford und Ralf Scheepers liegt, liefert auf "Sign Of The Cross" eine beeindruckende Performance ab. Stimmlich total anders als der erwähnte Mike Smith dürfte es spannend werden, ihn die alten Sachen singen zu hören. Hier ist also alles schon mal im grünen Bereich und Logue hat nicht übertrieben.

Aber was nutzt das beste Personal, wenn die Songs nicht zünden wollen? Ist das die "neue Dimension des Metals"? Als Antwort genügt ein klares "Nein"! Eine neue Dimension ist "Sign Of The Cross" nun wirklich nicht, aber halt auch weit davon entfernt, ein schlechtes Album zu sein. Speed Metal, den SAVAGE GRACE (was man ruhigen Gewissens so sagen kann) mit erfunden haben, findet sich auf "Sign Of The Cross" lediglich in einem Stück, und zwar in dem geschickt platzierten Opener 'Barbarians At The Gate'. Und dieser Song transportiert tatsächlich den Spirit der ersten SAVAGE GRACE-Scheibe ins Jahr 2023. Logue hätte es sich leicht machen und das ganze Album mehr oder weniger in diesem Stil fortführen können. Macht er aber nicht. Soweit verdient das schon mal Respekt. Dass die restlichen neun Songs mit angezogener Handbremse um die Ecke kommen, kann auch wirklich keiner behaupten. Dafür machen zum Beispiel 'Automoton' oder 'Star Crossed Lover' immer noch genügend Druck. Aber bei diesen beiden Tracks offenbart sich auch die (leichte) Krux dieses Albums. Beide klingen so, als ob sie bei JUDAS PRIEST zu "Painkiller"-Zeiten aus Zeitgründen nicht mehr auf die Scheibe gepasst hätten. Schlecht sind beide Songs auf keinen Fall, das will ich damit nicht sagen. Aber eben auch keine vollmundig angekündigte neue Dimension des Metals. SAVAGE GRACE, oder besser gesagt Christian Logue, bündeln auf "Sign Of The Cross" alle Schaffensphasen ihrer Geschichte. Da sollten durchaus gelungene Ausflüge in Richtung Melodic Metal wie in 'Rendezvous' oder 'Stealin' My Heart Away' nicht verwundern. Aber auch typischer US-Metal kommt nicht zu kurz. Stellvertretend dafür die bestens austarierten 'Sign Of The Cross' oder 'Land Beyond The Walls'. Mit 'Helsinki Nights' (lediglich und zu Recht nur als Bonus auf der CD) gibt es dann sogar einen sleazigen und verzichtbaren Song. Klammert man das Artwork mal aus, gibt es an "Sign Of The Cross" eigentlich nur einen Grund zur Kritik, und das betrifft den Sound. Laut Info hat Chris Logue das Album produziert, was er mal besser einem anderen hätte überlassen sollen. Es scheppert und klimpert an allen Ecken und Enden. In einem Interview hat Logue erklärt, dass er gerne Bill Metoyer oder Max Norman für den Mix gehabt hätte, aber der eine (Metoyer) kam nicht aus dem Quark und der andere (Norman) wollte zu viel Geld für seine Arbeit haben. Letztendlich bekam Roland Grapow (HELLOWEEN, MASTERPLAN) den Zuschlag für den Mix. Dass Grapow was vom Handwerk versteht, kann man locker bei seiner Arbeit für MASTERPLAN heraushören und er hat sicher beim Mix für "Sign Of The Cross" gerettet, was zu retten war. Letztendlich ist der Sound dann zwar durchaus verbesserungswürdig, aber - so viel Ehrlichkeit sollte sein - es erscheinen monatlich viele Alben, die einen merkwürdigeren Sound als "Sign Of The Cross" haben. Bleibt festzuhalten, dass die angekündigte "neue Dimension des Metals" ausgeblieben ist und die Ankündigung wohl eher unter "gnadenlos übertrieben" einzusortieren ist. Aber dennoch ist "Sign Of The Cross" ein Album geworden, was a) nicht viele von SAVAGE GRACE erwartet hätten und mit dem b) Chris Logue durchaus viel richtig gemacht hat. Bleibt nur noch die Frage, wer da in den Videos zum Album an der zweiten Gitarre zu sehen ist ... Das Infoschreiben liefert keinen Hinweis.

Wenn wir das Artwork einfach mal außen vor lassen, dann bleibt als Fazit, dass "Sign Of The Cross" ein erstaunlich gut gelungenes Album geworden ist. Den Vergleich mit den Frühwerken von SAVAGE GRACE hält es schon deshalb nicht stand, weil Chris Logue und SAVAGE GRACE sich breiter aufgestellt haben, was die musikalischen Einflüsse angeht, und die Scheibe wirklich nicht altbacken, sondern positiv modern wirkt. Dass Logue allerdings seinem Ruf als schwieriger Charakter weiterhin gerecht wird, das zeigt das kürzlich veröffentlichte Interview der Kollegen vom Rock Hard. Aber das sollte uns bei der Bewertung von "Sign Of The Cross" nicht großartig interessieren. Darum gibt es von meiner Seite auch ehrlich gemeinte acht Punkte.




Gesamtwertung: 8.0 Punkte
blood blood blood blood blood blood blood blood dry dry
Trackliste Album-Info
01. Barbarians At The Gate
02. Automoton
03. Sign Of The Cross
04. Rendezvous
05. Stealin' My Heart Away
06. Slave Of Desire
07. Land Beyond The Walls
08. Star Crossed Lovers
09. Branded
10. Helsinki Nights (Bonus Track)
Band Website: www.savagegracemetal.com
Medium: CD, LP
Spieldauer: 52:50 Minuten
VÖ: 05.05.2023

Besucher-Interaktion

Name:
Kommentar:
(optional)
Meine Bewertung:
(optional)
(Hinweis: IP-Adresse wird intern mitgespeichert; Spam und Verlinkungen sind nicht gestattet)

Artikel über soziale Netzwerke verbreiten