Host - IX

Review von Damage Case vom 28.02.2023 (3472 mal gelesen)
Host - IX Ist Greg Mackintosh und Nick Holmes etwa langweilig? Letztes Jahr schob der eine das neue Album seiner Band STRIGOI nach, während der andere die neue Scheiblette von BLOODBATH eingrunzte. Und der gemeinsame Heimathafen PARADISE LOST? Hier wartet die Flotte seit drei Jahren auf einen Nachfolger des grandiosen Schlachtschiffs "Obsidian" (2020). Doch bevor die gemeinsame Bandgeschichte weitergeschrieben wird, galt es, ein Projekt zu starten, dessen Name so offensichtlich ist, dass einem schon angst und bange werden konnte. Doch bereits die ersten Gitarrenklänge des Openers 'Wretched Soul' nehmen, wenn auch akustisch, ein wenig die Sorge vor einem erneuten Totalfiasko. Und tatsächlich ist "IX" musikalisch streckenweise sehr nahe an den beiden bis heute unterschätzten Alben "Believe In Nothing" (2001) und "Paradise Lost" (2005), nur eben mit demselben hohen elektronischen Anteil wie dereinst mit dem die Fangemeinde spaltenden Album "Host" (1999). Doch der Gitarrenanteil bleibt auch über Albumdistanz erfrischenderweise nicht so gering wie befürchtet, sondern Saiten und Tasten ergänzen sich auf "IX" recht harmonisch. Als ob die beiden Bandköpfe eine Scharte auszuwetzen hätten, legen sie mit der Band HOST 2023 das Album vor, das 1999 als logischer Nachfolger des erfolgreichen Chartalbums "One Second" (1997) die Karriere von PARADISE LOST vielleicht nicht beinahe killte und für knapp zehn Jahre erfolgstechnisch stagnieren ließ. Erneut versuchen sich Greg und Nick daran, all ihren dunklen Emotionen auf möglichst elektronische Weise Ausdruck zu verleihen. SISTERS OF MERCY, DEPECHE MODE, BAUHAUS, NEW ORDER, Gothic-Disco, Dark Wave und Synth-Pop sind wieder da, aber nicht mehr so penetrant präsent gewollt. Nicks immer besser reifender Gesang passt mittlerweile perfekt zu dieser dunklen Popmusik, und Gregs variable Songwritingfähigkeiten auf Weltklasseniveau schreiben dem Sänger die Melodien hierfür förmlich auf den Leib. 2023 passt der elektronische Beat von 'Tomorrow's Sky' herrlich in den Song, und der Break mit der Akustikgitarre erweckt wohlige Erinnerungen an 'Dream On' von Dave Gahan und Co. Auch alle anderen Songs, man höre nur mal das fantastisch arrangierte 'Hiding From Tomorrow' an, könnte man sich mit mehr Gitarren auf einem Album von PARADISE LOST 1997, 2005 oder 2020 vorstellen. Selbst das abschließende 'I Ran', eine Coverversion von A FLOCK OF SEAGULLS. Das zeugt von großem Können im Schreiben und der Umsetzung! Es ist Greg und Nick hoch anzurechnen, "IX" nicht unter dem Banner von PARADISE LOST zu veröffentlichen, was, siehe 1999, durchaus denkbar gewesen wäre. Stattdessen wird ein Projekt gestartet, und niemand kann sich über Ketzerei im verlorenen Paradies beklagen. Das minimalistische, in Weiß- und Grautönen gehaltene Albumcover passt exzellent zur Musik. Alles tutti!

Fazit: "IX" strahlt Dunkelheit und Emotionen aus. Beides Merkmale, die "Host", dem Album, damals im Jahr vor der Jahrtausendwende fehlten - zusätzlich zu den nicht vorhandenen Hooks und Songs zum Verlieben. Das ist diesmal alles da. Deshalb gilt dieses Experiment als gelungen und darf, nein, muss fortgesetzt werden. Mal schauen, ob die musikalisch ähnlich gelagerten DEPECHE MODE mit ihrem in Kürze erscheinenden, neuen Album "Memento Mori" qualitativ mit "IX" mithalten können.

Drei Anspieltipps: 'Tomorrow's Sky' ist ein astreiner Synth-Pop-Hit ohne jede Schwäche, dafür aber mit Gitarren. 'My Only Escape' ist Elektro pur und zeigt auf fantastische Weise, wie man diese Musik schleppend ohne tanzbaren Beat performt. 'Instinct' hat ein schönes PARADISE LOST-Riffing, abgemildert, aber der Song würde in härterem Kontext auch bei der Hauptband hervorragend funktionieren.

Gesamtwertung: 9.0 Punkte
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Trackliste Album-Info
01. Wretched Soul
02. Tomorrow's Sky
03. Divine Emotion
04. Hiding From Tomorrow
05. A Troubled Mind
06. My Only Escape
07. Years Of Suspicion
08. Inquisition
09. Instinct
10. I Ran
Band Website:
Medium: CD
Spieldauer: 41:58 Minuten
VÖ: 24.02.2023

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