Anachoret - Syndrom | |
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Review von Humppathetic vom 25.03.2022 (4808 mal gelesen) | |
ANACHORET aus Würzburg ... Moment, Würzburg? Nach ANHEIM und A SECRET REVEALED schon die dritte Kombo aus der Stadt in Oberfranken, die ich mit einem Review verewige. Es scheint, als fänden Bands aus der Stadt genau die richtige Herangehensweise, um iher Musik die nötige Würze zu verleihen (this joke brought to you by: every dad ever). Wie dem auch sei, ANACHORET (der Name bedeutet "frühchristlicher Einsiedler") aus Würzburg also sind ein Einmannprojekt von K.C. (ohne Sunshine), das es zwar seit 2009 schon gibt, das aber, abgesehen von einem Demo 2011, bis 2015 ruhte, als man eine EP und eine Split mit IDISENFLUCH (bei der K.C. bis 2017 die Gitarre schwang) veröffentlichte. Es folgte noch eine Split mit URGEWALT 2017, aber außer für die Veröffentlichung einer Single 2019 ('König Pest') ruhte das Projekt abermals. Nun also, im Jahr 2022, kommt "Syndrom" um die Ecke, und von diesem ersten Album möchte ich euch jetzt erzählen. Veröffentlicht auf Folter Records, nachdem die früheren Scheiben unter anderem über Karge Welten Kunstverlag, Der Neue Weg und Self Mutilation Services herauskamen, und produziert von Gerileme, der seit 2021 bei ANACHORET auch live mitspielt (und zwar die Gitarre) und vorher ebenfalls bei ISIDENFLUCH tätig war (hier allerdings als Drummer), bringt das Werk es mit seinen sechs Songs auf insgesamt fast 55 Minuten. Kurze Rechnung ergibt: Das sind etwas mehr als neun Minuten pro Song. Mein lieber Scholli. Und was wird geboten? Ausufernder, melancholischer Atmospheric Black Metal, der durchaus, wenn auch entfernt und punktuell, an die Polen von WĘDRUJĄCY WIATR erinnert. Genauer heißt das, die werte Leserschaft darf sich auf die erwartbaren Zutaten vorbereiten. Lange Passagen des gleichen Riffs, gepaart mit einem relativ monotonen, aber die Musik gut ergänzenden und im letzten Song gar groovigen Schlagzeug. Komplettiert wird das Ganze dann durch die Stimme des Sängers, die in höchster Emotionalität und manches Mal sich selbst überschlagend vom Kampf gegen innere Dämonen, dem Ausdruck von Zerrissenheit, aber auch von der Schönheit der Natur berichtet, und das sowohl auf Deutsch wie auch auf Englisch. Man merkt vielleicht, dass ich durchaus denke, dass K.C.s Stimme ein Highlight des Albums ist. Ergänzt wird die Musik dann noch durch massiven Einsatz von Akustikgitarren, gelegentlichen Soli, von denen es mir jenes am Ende von 'Grace Of Decay' besonders angetan hat, und seltenen Chorälen, die zumindest mich frappierend an FALKENBACH erinnerten. Auch Sprachsamples gibt es, und zwar zwei. Eines kann ich leider nicht zuordnen, ein anderes aber ist ein Vortrag des Gedichtes "Do Not Go Gentle Into That Good Night" des Dichters Dylan Thomas aus dem Jahr 1951, das, thematisch passend zum Album, vom nahenden Tod erzählt (und hier von Anthony Hopkins vorgetragen wird). Falls euch weder Gedicht noch Lyriker etwas sagen, sei euch auf die Sprünge geholfen. Die Zeile "Rage, Rage Against The Dying Of The Light" schaffte es als Song auf das Zweitwerk der Briten ANAAL NATHRAKH, und das Gedicht selbst wird von Michael Caines Charakter Professor John Brand im Film "Interstellar" zitiert. Dazu gibt es im letzten Song, 'Freiheit', ein Sample aus der Stieg Larsson-Verfilmung "Verblendung". Die Musik also bietet der Klientel, die Gefallen am Atmospheric Black Metal findet, genau die richtigen Ingredienzen. Allerdings bringt es das Werk nicht ohne Makel über die Ziellinie. Monotonie ist zwar ein Kernprinzip dieses Subgenres, jedoch vermochten es ANACHORET nicht, mich über die ganzen 55 Minuten bei der Stange zu halten. Einige der Riffs landeten bei mir schlichtweg nicht, und ich ertappte mich immer wieder dabei, wie meine Gedanken ins Nichts dahinschwebten und ich mich stärker auf die Musik konzentrieren musste. Breaks gibt es zwar auch welche, aber sie trugen zumeist nur unwesentlich zum Genuss bei, sodass die Länge - eigentlich ja eine Stärke dieser Musik - eher fordernd denn fördernd wirkte. Und als hätte ich es nicht besser planen können, ist es gerade der kürzeste Song der Platte, 'Winter', der mich am meisten begeistern konnte. Hierin war die Musik einfach perfekt abgestimmt. Ein weiterer respektive der letzte Kritikpunkt ist, dass die sechs Songs sich in Aufbau und Gitarrenspiel (inklusive der Akustikgitarren) zu stark ähnelten. So bleibt ein emotional durchaus wirksames Album, das sich durch ein paar kleinere bis größere Fehlgriffe selbst eines besseren Eindrucks beraubt. Kein schwaches Werk, aber doch eines, das, so fühle ich, ein größeres Potential gehabt hätte. Nachtrag: Mir ist am Anfang des Reviews ein Fauxpas unterlaufen. ANACHORET sind mitnichten aus Würzburg, sondern aus Traunstein, das ganze 400 Kilometer entfernt liegt, sich also nicht mal in der Nähe von Würzburg befindet. Ich bitte, dies zu entschuldigen. Gesamtwertung: 6.0 Punkte | |
Trackliste | Album-Info |
01. Chasing The Night Sky 02. Home 03. Das Meer In Deinen Augen 04. Grace Of Decay 05. Winter 06. Freiheit | Band Website: www.facebook.com/anachoretband Medium: CD + digital Spieldauer: 54:49 Minuten VÖ: 12.02.2022 |
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