Lantlos - Wildhunt

Review von Zephir vom 17.08.2021 (6685 mal gelesen)
Lantlos - Wildhunt Um es gleich vorwegzunehmen: Ein Werk wie "Wildhund" hatte ich von LANTLOS nicht erwartet. Genau genommen hatte ich nach dem eigenartigen Post-Rock-Ausreißeralbum "Melting Sun", das etwa zeitgleich mit dem ähnlich frappierenden "Shelter" der Kollegen ALCEST erschien - 2014 war dieses denkwürdige Jahr - gar keine wie auch immer gearteten Erwartungen gehegt, außer vielleicht die vage Annahme, dass Markus Siegenhorst sich fortan eher seinem Projekt LOW CITY RAIN und dem Wave widmen würde. Doch nun trudelte nach sieben Jahren Sendepause tatsächlich eine neue Platte von LANTLOS ein, die, den experimentellen und avantgardistisch angehauchten Post Black Metal längst im Rücken und in der älteren Backlist, abermals in eine ganz neue Richtung davonzupreschen scheint.

Die Veränderung in der Schreibweise des Bandnamens (vormals LANTLÔS) war minimal, die Veränderung im musikalischen Output dünkt erst einmal gewaltig. "Wildhund" ist anno 2021 eine Spielart des Alternative Rock: Dominiert wird das Geschehen von überraschend tief gestimmten Saiten und völlig ungewohnten Elektro-Einschlägen. Der charismatische, etwas frostig wirkende Cleangesang des Frontmanns ist ebenso präsent wie zahlreiche rhythmische Experimente, die den typischen Alternative-Flow durchbrechen und die ganze Angelegenheit interessanter machen, als die ersten Takte des Openers 'Lake Fantasy' erwarten lassen.

Diese nämlich - die ersten Takte von 'Lake Fantasy' - haben mich als alte Freundin von ".neon" (2010) und "Agape" (2011) erst einmal kräftig verunsichert: Aufdringliche elektronische Klänge über weit in den Hintergrund gerückten Gitarrenriffs, dazu mainstreamtaugliche, mit ordentlich Hall unterlegte mehrstimmige Gesangslines ... nun war ja LANTLÔS schon seit "Melting Sun" keine eindeutige Marke mehr, man kann das mögen oder nicht mögen. Der weitere Verlauf des Albums zeigt aber den unbedingten Willen von Markus Siegenhorst und Felix Wylezik, unter dem Namen LANTLOS einerseits etwas völlig Neues zu schaffen und andererseits ebenso konsequent auszubauen, was man bereits begonnen hatte. Als Hörer muss man es sich schon erarbeiten: Die Saitenfraktion gewinnt im zweiten Track die Oberhand, und in den folgenden Songs von "Wildhund" begrüßen uns immer wieder progressive Ausbrüche, die sich sowohl in vertrackten Rhythmusspielereien als auch in harmonisch völlig verschraubten Skalen niederschlagen. Es sind verschrobene Progressive-Post-Rock-Tracks wie 'Home' oder introvertierte Avantgarde-Epen wie 'Planetarium', die dem Album zu seiner eigentlichen Stärke verhelfen; psychedelische Einsprengsel à la 'Dream Machine' scheinen gar das Werk aus Zeiten von "Melting Sun" fortzuführen und zu erweitern. Erwähnenswert auch das eigenwillige Interlude 'Cloud Inhaler', das zwischen den sparsam eingesetzten Ambient-Klängen eine Menge zu erzählen hat.

Und so komme ich nach intensivem Hören zu dem Ergebnis, dass der Bruch, wenngleich ohne Zweifel hör- und fühlbar, so groß am Ende gar nicht ist: Wenn man sich noch einmal mit "Melting Sun" beschäftigt (ich musste es tun), scheint die Weiterentwicklung von LANTLÔS zu LANTLOS aller Electronica, allen Indie-Rock-Feelings zum Trotz irgendwie stimmig. Als Inspirationsquellen sollen DEVIN TOWNSEND und die FOO FIGHTERS gewirkt haben; dies zur beurteilen fällt mir schwer. Feststellen kann ich mit Sicherheit einen höchst positiven Drive, der "Wildhund" zu einem wunderbaren Soundtrack für eine sommerliche Autofahrt macht, gepaart mit verträumten und teilweise auch verkopften Spielereien, in die Freunde vom Post-Irgendwas so richtig abtauchen können.

Gesamtwertung: 7.0 Punkte
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Trackliste Album-Info
01. Lake Fantasy
02. Magnolia
03. Cocoon Tree House
04. Home
05. Vertigo
06. The Bubble
07. Amber
08. Cloud Inhaler
09. Planetarium
10. Dream Machine
11. Dog in the Wild
12. Lich
Band Website:
Medium: CD, LP
Spieldauer: 51:21 Minuten
VÖ: 30.07.2021

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