Sänger Hrabanus und Gitarrist Melior Pars standen uns Rede und Antwort und lassen uns hinter die Kulissen und Motive der Band blicken. Viel Spaß!
Ein herzliches Hallo an die gesamte Band und danke für eure Zeit! Ihr seid ja ein noch unbeschriebenes Blatt in der Szene, selbst in den heiligen Hallen der Metal Archives kann man keinen Eintrag zu euch finden. Stellt euch doch bitte unseren Lesern vor, wer ist APOSTASIE und was bedeutet die Kunst eurer Band für euch?
Melior Pars: Das mit den Metal Archives wird sich beizeiten sicherlich noch ändern, denn die meisten von uns waren schon vorher in anderen dort erwähnten Bands aktiv oder sind es noch. Wir sind aber tatsächlich eine recht neue Band, wir haben uns am 08. Januar 2024 mit einem kleinen Teaser-Video des Songs 'Es Ist Kein Gott' auf Social Media präsentiert. APOSTASIE sind eine recht melodiöse Black Metal-Band aus Frankenthal (Pfalz) und wir haben uns auf unserem Erstlingswerk der "Historia Ecclesiastica Perversa" verschrieben, dem Wahnsinn der Dogmen und der Rituale innerhalb der römisch-katholischen Kirche. Für uns alle ist Musik in verschiedensten Formen schon ein Leben lang Begleiter und ein Weg der Selbstverwirklichung. In meinem Fall, ich habe im Alter von fünf Jahren angefangen Klavier zu spielen und mit 17 Jahren dann E-Gitarre. Daher kann ich es mir eigentlich nicht anders vorstellen, als dass das Musizieren einen wichtigen Teil meiner Lebensgestaltung ausmacht.
Hrabanus: Natürlich bin ich mit Leib und Seele Sänger, aber, als ich vor fast 20 Jahren das erste Mal ein Black Metal-Projekt begonnen habe, habe ich darin vor allem die Möglichkeit entdeckt, die historischen und kulturellen Themen, die mich damals als Student und später als Historiker interessiert und fasziniert haben, künstlerisch zu verarbeiten. Diese "Entdeckung" hat sich nämlich mit meinem Interesse für Lyrik im Speziellen und für Sprache im Allgemeinen verbunden. In den letzten 20 Jahren hat sich für mich immer wieder gezeigt, dass kein Musikgenre besser für mich geeignet ist, mich auf diese Weise künstlerisch zu verwirklichen.
Ich muss ehrlich zugeben, ihr habt mit eurem Auftritt am 16.03.24 im From Hell Club in Erfurt als Vorband der grandiosen CÂN BARDD bei mir wirklich ins Schwarze getroffen und seid mir im Gedächtnis geblieben. Dafür, dass das euer erster Auftritt als Band war, war das schon sehr souverän! Wie lange habt ihr dafür geprobt?
Melior Pars: Das freut uns sehr, vielen lieben Dank! Die Zusage für den Gig kam auch echt spontan, zwei Tage vorher, da die Band NODFYR krankheitsbedingt absagen musste. Meine andere Band BLOOD FIRE DEATH hatte den Kontakt zum Besitzer des From Hell und so führte eins zum anderen. Deine Frage ist aber nicht leicht zu beantworten, da Teile der Songs schon vor einigen Jahren entstanden sind und wir neben Babypausen auch Besetzungswechsel in der Band zu verdauen hatten. Inklusive der Vorbereitung und der letzten signifikanten Änderungen würde ich aber "seit dem Ende der Pandemie" antworten.
Durch das Konzert weiß ich, dass einer eurer Gitarristen auch bei der BATHORY Tribute-Band BLOOD FIRE DEATH aktiv ist. Wie sieht es mit dem Rest von euch aus, treibt ihr noch in anderen Bands/Projekten euer Unwesen?
Melior Pars: Sanior Pars spielt aktuell noch Bass bei FALLEN TYRANT, einer befreundeten Black Metal-Band aus Darmstadt. Despotis spielt aktuell in seinen brasilianischen Black Metal-Bands BLACK ACHEMOTH, MOURNFUL TEARS und NINURTA. Die anderen Mitglieder waren bei diversen anderen Bands aus der Umgebung aktiv und einige von uns kennen sich aus einem gemeinsamen Vorgängerprojekt. Wir sind also alle schon über APOSTASIE hinaus bei verschiedenen Bands aktiv gewesen oder sind es noch.
Der Release eures Debütalbums "Non Est Deus" steht ja nun bald an, wie aufgeregt seid ihr deswegen?
Melior Pars: Wie meinte einst ein großer deutscher Philosoph ... "Mir scheint die Sonne aus jeder Ritze!" In dem Release - insbesondere, da ein so renommiertes Label wie Trollzorn Records sich unserer angenommen hat - kulminieren die Bemühungen der letzten Jahre. Und natürlich ist das super aufregend für uns! Die Kiste mit den CDs steht seit einigen Wochen bei mir im Arbeitszimmer und ich kann es kaum erwarten die ersten davon selbst unter's Volk zu bringen.
Gibt es Dinge, die ihr nachträglich an dem Album noch ändern wollen würdet, oder seid ihr mit dem Endprodukt vollends zufrieden? Meiner Meinung nach habt ihr mit "Non Est Deus" ein wirklich starkes und eigenständiges erstes Lebenszeichen gesetzt.
Melior Pars: So etwas ist leider nie fertig, und wir haben stellenweise schon mit einem gewissen Maß an Perfektionismus und Detailliebe gekämpft, das es mühsam gemacht hatte, zu dem Endergebnis zu kommen. Hier und da fallen mir auch heute noch Details auf, die ich gern ändern würde, kleine Unsauberkeiten und so weiter, manche Dinge am Sound ... und das war auch so schon ein quälender Prozess, dort hinzukommen. Aber selbst, wenn diese geändert wären, würden mir später weitere Unstimmigkeiten auffallen. Irgendwann muss man darunter einen Schlussstrich ziehen und es einfach beim nächsten Projekt dann besser machen, sonst bringt man nie irgendetwas wirklich heraus.
Hrabanus: "Besser geht immer!" Jeder Künstler, sei es ein Musiker, Autor oder Maler, oft schon während des Werkprozesses, spätestens aber nach diesem Prozess, hadert mit seinem eigenen Werk. Das gehört einfach dazu und ist vor allem Ansporn für das nächste Werk. Von daher ... ja, wir oder ich würden bestimmt Sachen anders machen. Jedes Stück unseres Albums, jeder Auftritt ist immer eine gewisse Momentaufnahme, mit der man sich kritisch auseinandersetzen kann und muss.
Die Drehleier bringt man nicht wirklich mit Melodic Black Metal in Verbindung. Dieser Extra Layer im Sound und die Atmosphäre, die dadurch entsteht, ist klasse und man läuft bei euch nie auf Gefahr, wirklich in den Folk Metal-Sektor abzurutschen. Wie kam es zu der Idee, das Instrument in den Sound mit aufzunehmen?
Melior Pars: Der Terminus "Melodic Black Metal" war eigentlich nie angedacht, wir wollten damit lediglich ausdrücken, dass wir für Black Metal-Verhältnisse eher melodiös klingen, um nicht mit den einschlägigen skandinavischen Bands der ersten und zweiten Welle verwechselt zu werden. Dennoch passt er ganz gut für das, was wir mit der Musik darbieten wollen. Und ein weiteres Lead-Instrument dabeizuhaben führt bei uns fast zwangsweise dazu, dass Melodien polyphon komponiert werden. Folkige Einschläge, auch mit Leier-Spielerin, hatten wir durchaus in der Vergangenheit bearbeitet im besagten Vorgänger-Projekt, wollten uns aber bewusst davon emanzipieren. Die Drehleier nimmt bei APOSTASIE eher den Platz einer weiteren E-Gitarre ein oder akzentuiert bestimmte Parts, daher hat sich daraus ein für uns spannendes Wechselspiel entwickelt.
Hrabanus: Was Melior Pars bezüglich der Drehleier verschweigt - das gehört natürlich zum Imagemarketing [lacht] - ist, dass persönliche Konstellationen, ohne darauf jetzt genauer einzugehen, bei Bandzusammensetzungen eine entscheidende Rolle spielen. Betonen würde ich vor allem, dass wir es uns nun über mehrere Jahre erarbeitet haben, das vielfältige und besondere Klangspektrum der Drehleier und deren okkulte Mentalität in einen entsprechenden Rahmen zu spannen. Klar tendieren viele Beobachter dazu, uns beim Anblick der Drehleier in eine "Folk"-Schublade zu packen und abzuhaken. Dabei deckt der mittlerweile zum reinen Genreterminus verkommene "Folk"-Begriff weder historisch noch musikalisch ab, was man von diesem vielfältigen und dynamischen Instrument bekommen kann. Aber ganz ehrlich ... ich liebe diesen Überraschungseffekt, der sich auch im Feedback unseres Livepublikums äußert, wenn die Leute ELUVEITIE erwarten und uns bekommen.
Kritik am christlichen Glauben und an der lateinisch-römischen Kirche gibt es im Black Metal zu Genüge, dennoch schafft ihr es für mich, positiv aus der Masse herauszustechen, die Themen werden durch die Musik sehr authentisch transportiert. Wie kamt ihr darauf, gerade den Zeitraum von der Geburt Christi bis zur Reformation durch Martin Luther zu behandeln?
Hrabanus: Ich habe ja vorhin bereits erwähnt, dass ich Black Metal vor einigen Jahren als Ausdrucksform für meine Faszination an historischen Themen entdeckt habe. Dementsprechend entsprang auch der thematische Rahmen für APOSTASIE meiner Auseinandersetzung mit der intellektuellen Kultur der lateinisch-christlichen Kultur. Um noch etwas auszuholen ... mein akademischer Lehrer war wesentlich geprägt von der "Annales Schule" und deren "Longue dureé"-Perspektive auf historische Prozesse und Entwicklungen. Kurz gesagt betrachtet man historische Ereignisse, ja Momente, Anschauungen, Werke und auch religiöse Kulturen im Rahmen langer und sich langsam vollziehender Entwicklungen. Diese Perspektive hat mich veranlasst, die Geschichte der lateinisch-christlichen Kirche, die "Historia ecclesiastica perversa", in einem entsprechenden Rahmen zu verarbeiten, der am "Urknall" der christlichen Religion, der Empfängnis und der Kreuzigung Christi, beginnt und mit ihrer mutmaßlich radikalen Reformation ab 1521 einen scheinbaren Wendepunkt erreicht, der uns bis heute prägt. Gleichzeitig liebe ich es, mit dem Spannungsfeld zu arbeiten, das entsteht, wenn man innerhalb eines solchen "Longue dureé"-Rahmens einzelne historische Ereignisse und Momente unters Brennglas legt und dort verortet.
Wie lange habt ihr an dem Album gearbeitet und wie verlief das Songwriting?
Melior Pars: Einige Teile der Songs wurden bereits 2015 geschrieben. 'Pein, Pest' ist tatsächlich älter als die Corona-Pandemie und 'Blut Schreit Palästina', ein Song, in dem Kreuzzüge des 14. Jahrhunderts behandelt werden, entstand lang vor dem aktuellen Konflikt im nahen Osten. Meist bringen Sanior Pars oder ich einzelne musikalische Fragmente mit, Hrabanus einen Text, oder Batseba eine Melodie. Bei einem Song ließen wir uns von einer Renaissance-Melodie inspirieren. Um dieses Fragment herum wird dann gemeinsam ein Song ausgearbeitet, angepasst, wieder verworfen, geändert, bis ein Ergebnis dabei herauskommt, hinter dem wir stehen können. Das benötigt meist einige Iterationen des Experimentierens, bis sich eine Version verstetigt hat. Aber ich denke es garantiert, dass wir zu einem originellen Ergebnis kommen, da kein Song am Reißbrett mit vorgefertigter Struktur entsteht. Diese wird eher beim gemeinsamen Komponieren entwickelt.
Welchen Song würdet ihr als Hörprobe empfehlen, um sich ein Bild von euch machen zu können und warum genau diesen?
Melior Pars: Da werden wir uns bandintern nicht ganz einig, wir haben uns aber entschieden 'Theotókos', 'Pein, Pest' und 'Es Ist Kein Gott' als Lyric-Videos zu produzieren, die ich dir und der Leserschaft ans Herz legen möchte!
Von wem stammt das Artwork? Es ist angenehm schlicht, aber dennoch sehr detailliert, wenn man genauer hinsieht und passt gut zu eurer Musik.
Hrabanus: Konzept und Entwurf des Artworks stammen von mir. Für den Feinschliff haben wir uns Hilfe von einer Grafikdesignerin geholt. Natürlich war auch hier der Anspruch, die einzelnen in den Songs behandelten Themen mit authentischen Quellen aufzugreifen. Viele dieser Quellen stammen aus meiner Heimatstadt Worms, so auch die Ikone "Maria mit Kind", die im Dom St. Peter in Worms hängt. Andere Bilder entstammen meiner Faksimile-Sammlung historischer Bücher, in denen ich sehr viel gutes Material gefunden habe, durch das die Texte exzellent in Szene gesetzt werden konnten, wie ich finde.
Steht eine Tour zu eurem Debütalbum an oder sucht ihr noch nach weiteren möglichen Gigs?
Melior Pars: Einige Konzerte für 2025 sind bereits bestätigt, aktuell agieren wir da noch in Selbstverwaltung. Wir möchten aber perspektivisch mit einer Booking-Agentur zusammenarbeiten und würden sehr gern das Album im Rahmen einer kleinen Tour, in welcher Konstellation das dann auch sein möge, weiter vorstellen.
Mit welchen Bands würdet ihr im Laufe eurer Karriere richtig gerne die Bühne teilen, oder gar auf Tour gehen?
Melior Pars: HELRUNAR wäre ein bandweiter Konsens, da bin ich sicher. Bisher hat das mit dem Bühneteilen leider noch nie geklappt. Persönlich: wenn GAEREA mal mit dabei sind, kollabiere ich.
Ich gebe meinen Interviewgästen immer gerne die Chance, private Lieblingsbands oderKünstler, die mehr Gehör verdienen, zu nennen. Welche Musiker wären das bei euch?
Melior Pars: GAEREA auf jeden Fall, das ist für mich eine der spannendsten Black Metal-Bands der letzten Jahre. Aber verdienen würden es auf jeden Fall auch FOLLOW THE CAT, die 80ies Art Rock-Band meines Bandkollegen Seawolf von BLOOD FIRE DEATH. Genauso ASTRÅMERA, eine sehr progressive Metal-Band, bei der Man of Iron und unser vorheriger Keyboarder Stallion spielen oder auch besagte FALLEN TYRANT.
Hrabanus: Da wir gerade gestern [30.11.2024] mit ihnen gemeinsam gespielt haben, und ich sie wirklich gut fand, möchte ich SCHLVCHT diese Bühne hier geben. Ich hoffe wir werden nächstes Jahr ein Album von ihnen bekommen ... ein Video gibt es bereits. Außerdem finde ich wirklich, dass das anderen Projekt unseres Gitarristen Sanior Pars, FALLEN TYRANT deutlich mehr Aufmerksamkeit verdient. Das Songwriting, die Energie auf der Bühne, die Persönlichkeiten ... alles an FALLEN TYRANT ist bemerkenswert.
Vielen Dank für das Interview, die letzten Worte gehören damit euch!
Melior Pars: Let us stand now, unbowed and unfettered by arcane doctrines born of fearful minds in darkened times. Let us embrace the Luciferian impulse to eat of the Tree of Knowledge and dissipate our blissful and comforting delusions of old. Let us demand that individuals be judged for their concrete actions, not their fealty to arbitrary social norms and illusory categorizations. Let us reason our solutions with agnosticism in all things, holding fast only to that which is demonstrably true. Let us stand. - Lucien Graeves
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