Interview mit Henning von Guano Apes

Ein Interview von Opa Steve vom 29.11.2022 (19546 mal gelesen)
Vor dem ausverkauften Konzert in der Kölner Live Music Hall hatten wir spontan die Gelegenheit wahrgenommen, uns mit Henning backstage auf einen kleinen Plausch über die Tour nach Corona zu treffen.

Hallo und herzlich willkommen in Köln, Henning! Schön, dass dieses Interview kurzfristig geklappt hat!

Henning: Vielen Dank, wir freuen uns!

Köln ist heute ausverkauft, so wie auch viele andere Gigs auf eurer Tour. Wie ist das für euch? Schließlich war es ja jetzt eine ganze Weile sehr wackelig, wie gut die Konzertwelt wieder nach Corona hochfährt.

Henning: Also ehrlicherweise sind wir völlig erschlagen! Uns freut es natürlich wahnsinnig - wir haben jetzt neun von elf Shows, die ausverkauft sind. Bei uns ist es mega, und ich fühle mich ein bisschen schlecht für alle Kollegen und Kolleginnen, die ihre Touren absagen mussten. Ich habe auch keine direkte Erklärung, warum das bei uns jetzt gut läuft. Die einzige wäre vielleicht die Logistik; dadurch, dass wir die Tour jetzt drei mal verschoben haben, waren wir recht früh am Planen dran (lacht), aber das werden die anderen auch haben. Vielleicht liegt es auch daran, dass die Leute mit uns ihre 90er wieder erleben möchten. Das sieht man auch an den vielen glücklichen Gesichtern, und das freut uns natürlich sehr.

Eure großen Zeiten begannen ja auch in den 90ern, als ihr den Skater-Song rausgebracht hattet ...

Henning: ... Ende der 90er, Anfang der 2000er, ja ...

Ihr seid ja aktuell, soweit ich weiß, nicht bei einem Label und habt ja schon länger kein Album mehr herausgebracht. Wollt ihr nochmal neue Songs machen? Oder vielleicht heute sogar mit einem neuen Song die Leute überraschen?

Henning: Also letzteres wird nicht passieren ... aber ersteres wollen wir auch nicht ausschließen. Es ist halt schon so, dass die Leute vor allem wegen der großen alten Songs kommen, aber wir haben natürlich auch einen breiten Mix in den Alben, die wir über die Jahre gemacht haben. Also wir haben auf jeden Fall schon Bock, aber wir sind nie die schnellste Band gewesen. Wir haben vier, fünf Alben gemacht in all der Zeit, und bei uns ist es oft so, dass der kreative Knoten platzen muss. Es würde uns nichts bringen, etwas Halbgares zu machen, und wir haben auch nicht die Not, ein Album machen zu müssen. Wir haben schon so das Ziel, das wir 2023 mal die Köpfe zusammenstecken wollen. Das macht ja auch Bock. So eine Tour tritt natürlich auch eine Menge los. Wir sind viel zusammen, probieren Sachen beim Soundcheck aus. Wir haben ja auch echt lange nicht mehr gespielt, bevor wir im Mai wieder angefangen haben. Ich war ja auch null vorbereitet und dachte, ich verbocke das. Doch dann kommt das Muskelgedächtnis, die Finger greifen automatisch die richtigen Sachen. Wir stolpern natürlich über die Stellen, wo wir dann alle raus sind, und dann gucken wir uns YouTube-Videos an von den alten Sachen, wie wir das damals gespielt haben (lacht).

Wie lange war die Tour jetzt im Voraus geplant?

Henning: Drei Jahre. Wir haben die Agentur gewechselt und sind zu FKP gegangen. Das war 2019. Und die haben gesagt, "Hey, wir würden gern mit euch eine Tour machen.". Sie glaubten daran, und es musste jetzt schon drei mal verschoben werden. Insofern ist die Planung wirklich uralt. Aber wir hatten ein wunderschönes Warm-up, weil wir auch eine wahnsinnig tolle Festivalsaison hatten. Wir haben auch da schon einen guten Zuspruch gehabt. Daher kamen wir mit einem tollen, warmen Gefühl in diese Tour rein.

Wie waren denn die Corona-Jahre für euch?

Henning: Wir waren gar nicht aktiv. Wir haben das letzte mal 2019 in Russland gespielt, dann gar nicht mehr, und das erste Mal wieder im Mai 2022.

Habt ihr abseits der Tourpläne auch einen Probe-Alltag?

Henning: Wir proben eher für die Touren. Wir sind auch ein bisschen über die Republik verteilt und kommen eher punktuell zusammen. Wir haben ein paar Sachen versucht, was bei uns gut funktioniert, und bei uns bringt es am ehesten was, wenn wir für einen begrenzten Zeitraum zusammentreffen. Egal, ob es Songwriting ist, Produktion oder auch das Proben. Es ist halt logistisch schwierig zu sagen "Jeden Dienstag Abend proben wir hier". Dafür spielen wir die Sachen ja auch schon seit 25 Jahren. Das ist halt in Fleisch und Blut. Da haben wir uns auf die Tour vorbereitet und auch geguckt, was wir um die Must-Have-Songs stricken und haben noch ein paar Sachen ausgegraben, die wir schon lange nicht mehr gespielt haben.

Wie ist denn der Touralltag für euch? Die letzte große Tour ist ja eine Weile her, aber auf dieser Tour habt ihr ja immer einzelne Gigs.

Henning: Also wir machen ein bisschen diese "Senioren-Tour" gerade (lacht). Wir haben uns dazu entschlossen, nur die Wochenenden zu machen, und vielleicht kommt das dem Publikum auch entgegen. Wir haben letztens noch mit Besuchern diskutiert, und die waren total froh. Da war Freitag, Wochenende, sie konnten die Kinder unterbringen ... unter der Woche ist es immer schwierig. Und vielleicht trägt das auch zum Erfolg der Tour ein bisschen bei. Daher sind wir jetzt meistens Freitag/Samstag auf Achse, oder auch mal Donnerstag/Freitag. Und das ist schön! Das ist nochmal ein anderes Touren, als wir es in den vergangenen Jahrzehnten gemacht haben. Wo man früher drei Wochen als Tross unterwegs war, kommen nun immer neue Sachen hinzu. Wir können zum Beispiel die Merch-Kollektion fast jede Woche verändern, weil wir eben sehen, was gekauft wird und was nicht. Dann können wir auch mal neue Sachen anbieten ... das hast du auf einer Tour sonst eher selten. Sonst musste man was nachdrucken und irgendwo hinschicken. Das sind so Effekte, die wir da rausziehen.

Man wird halt bequem im Alter. Wir gehen auf Festivals ja auch mittlerweile ins Hotel ...

Henning: (lacht) ... jaaaaaaa, wir sind immer noch die alten Rock-Säue. Aber man muss halt auch in diesen Zeiten gucken, was geht. Die Agentur hat uns auch da beraten - es ist schwer, am Anfang der Woche die Clubs auch voll zu kriegen. Dann haben wir lieber eine ausverkaufte Tour, und es passt für Band und Publikum.

Super! Gab es bisher denn schon ein Highlight auf dieser Tour? Also bevor Köln das jetzt gleich toppt?

Henning: Ähm ... (überlegt lange) ... das ist immer schwer zu sagen. Die Sachen sind ja nicht besser oder schlechter, sie sind einfach nur anders. Innerhalb von Deutschland gibt es gar nicht so große Unterschiede. Aber im Ausland wie Portugal oder Russland, da merkt man schon die anderen Mentalitäten. Auch hier in Deutschland ist aber das Publikum auch schon komplett durchgedreht, was uns sehr freut. Von daher mag ich da gar keine Shows besonders rausheben. Wir freuen uns auf jeden Fall morgen auf Amsterdam, weil da sehr viele europäische Fans hinkommen. Ähnlich wird es in Budapest sein, wo viele osteuropäische Fans hinkommen, und das ist immer ein schönes Klassentreffen. Da kommen aus Frankreich Leute, aus England Leute, und wir haben auch viele Fans, die mitreisen auf viele Konzerte. Das ist natürlich ein Riesenlob, was wir sehr zu schätzen wissen.

Habt ihr jetzt auf der Tour mit irgendwelchen Corona-Regeln Beschränkungen erlebt? Das ist ja auch von Land zu Land unterschiedlich.

Henning: Bisher in der Tat nicht. Ich glaube, da haben wir auch eine gute Zeit erwischt und haben auch gottseidank keinerlei Ausfälle gehabt. Weder auf unserer Seite, noch irgendein Superspreader-Event. Ich klopf auf Holz, ich glaube, wir sind wirklich etwas glückspilzmäßig in eine gute Zeit gefallen. Ich hoffe auch für alle Kollegen und Kolleginnen, die jetzt ihre Touren nachholen, dass es ihnen ähnlich ergehen wird.

Bisschen zittert man wahrscheinlich schon vorher.

Henning: Natürlich! Ich zittere jede Woche! Wenn Dienstag der Anruf käme, dass die Hälfte der Crew krank ist, das würde uns schon gewaltig zurückwerfen. Aber bisher ist es wirklich gut gelaufen. Wir haben jetzt Bergfest, und ich klopf auf Holz, dass das jetzt gut weitergeht.

Super! Wir freuen uns auf jeden Fall auf einen schönen Abend. Vielen Dank für deine Zeit!

Henning: Gerne!

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