Tokyo Motor Fist - Lions | |
---|---|
Review von Blaze Breeg vom 13.08.2020 (12062 mal gelesen) | |
TOKYO MOTOR FIST - das ist mal eine Kampfansage. Oder handelt es sich doch eher um eine humorige Nebelkerze? Nun, zünftigen Thrash Metal, der die Kauleiste im Visier hat, gibt es hier nicht. Ganz im Gegenteil: Das US-amerikanische Quartett, bestehend aus Sänger Ted Poley (DANGER DANGER), Gitarrist Steve Brown (TRIXTER), Basser Greg Smith (TED NUGENT, RAINBOW, ALICE COOPER) und Drummer Chuck Burgi (ebenfalls RAINBOW, BLUE ÖYSTER CULT, JOE LYNN TURNER), bietet auf seinem zweiten Longplayer "Lions" eine Hochglanzmischung aus melodischem Hardrock, AOR und Sleaze. Es handelt sich für mich hierbei um eine typische Sommerplatte, die den Hörer nicht herausfordert, sondern ihn in erster Linie prima unterhält. Daran gibt es selbstverständlich überhaupt nichts auszusetzen, Musik darf auch einfach "nur" Spaß machen. Bereits nach den ersten Sekunden des Openers 'Youngblood' fühlt man sich in die bunten 80er zurückversetzt. Das liegt zum einen an Ted Poleys Stimme, die mich enorm an den JOURNEY-Barden Steve Perry erinnert, der in seiner Karriere zahllose Schlüpferstürmer der AOR-Giganten intoniert hat. Zum anderen versprüht die Nummer feinste Sunset Strip-Vibes: Man wähnt sich in der protzigen Glanzzeit des Haarspray-Metal, als Truppen wie DOKKEN, POISON oder MÖTLEY CRÜE mit MTV-tauglichen Melodien für Millionen selbige in Dollars scheffelten. Nach diesem massenkompatiblen Hookmonster greifen auch BON JOVI nachdrücklich ins glitzernde Spielgeschehen ein, da das muntere 'Monster In Me' auch als Bonussong auf deren 88er-Kracher "New Jersey" eine ordentliche Figur gemacht hätte. Die beiden folgenden Tracks eignen sich ebenfalls für ausgelassene Cabriotouren an der kalifornischen Westküste, bei denen die Mucke vor allem gut reinlaufen muss. TOKYO MOTOR FIST verlangen dem Rezensenten danach, ausgerechnet im Titelsong, alles ab: 'Lions' bietet neben Keyboards, Geigen und eher mauen Synthies einen Chorus, der mich fatal an eine schwülstige ZDF-Weihnachtsshow "für die ganze Familie" erinnert. Schauderhaft! Diesen Zuckerschock würden auch die Kollegen Cornholio und Mr. Metalsson nicht verkraften - und die beiden sind nachweislich hart im Nehmen. Für mich ist das echt zu viel, zumal der erbarmungslose Spuk auch noch fast sieben (!!!) Minuten dauert. Ihr ahnt es: Für mich in der Zukunft ein sicherer Skip-Kandidat. Erfreulicherweise startet die folgende Nummer 'Decadence On 10th Street' gleich mit angenehm verzerrten Gitarren, die mich aus dem Lebkuchen- und Disney-Universum reißen. Keine Frage: So gefallen mir die vier erfahrenen Recken ziemlich gut. Ein Problem bleibt jedoch: TOKYO MOTOR FIST schütteln in 48 Minuten reihenweise Hooks aus den Ärmeln, die einem merkwürdig bekannt vorkommen. Man fühlt sich prompt zu Hause, nur: der Wiedererkennungswert ist leider gering - und ohne Ted Poleys Perry-Gedächtnis-Vocals wäre "Lions" bisweilen eine recht durchschnittliche Angelegenheit. Die Soli, die technisch exzellent gespielt sind, hauen mich ebenfalls nicht vom Barhocker, da sie insgesamt betrachtet einfach zu austauschbar sind. Hervorheben möchte ich allerdings noch zwei Tracks: Das angenehm rockende 'Sedona' sorgt für Abwechslung, weil wie aus dem Nichts Bläser zum Einsatz kommen - das Saxophon-Solo fand ich beim Erstlausch offen gestanden recht nervig, aber inzwischen stört es mich nicht mehr. Bei dem Track möchte man - mal wieder - dekadent durch L.A. cruisen, auf dicke Hose machen und im Anschluss die hübschesten Mädels oder Jungs (wie man es halt mag) vom Strip abgreifen, um anschließend bei ein paar Cocktails im Pool abzuhängen. Eine Besonderheit an "Lions" ist der Umstand, dass TOKYO MOTOR FIST die besten Kompositionen am Anfang und am Ende platziert haben: Der Rausschmeißer 'Winner Takes All' bietet nicht nur einen exzellenten Refrain, sondern obendrein den meiner Ansicht nach perfekten Härtegrad für diese Art von Musik. Nach den letzten Klängen habe ich das Zuckerwatteinferno an Position fünf schon fast wieder vergessen ... Kurzum: Wer noch einen eingängigen, nicht zu seichten, aber partytauglichen Sommersoundtrack mit positiven Vibes sucht, ist bei TOKYO MOTOR FIST genau richtig. Die vier Herren aus den USA streben offenkundig keinen Innovationspreis an, allerdings ist in diesem Melodic-Genre wohl auch schon lange alles gesagt. Trotzdem erfreulich, dass weiterhin solche Platten erscheinen, die - über weite Strecken - die Sonne auch in einem mehr als bizarren Jahr angenehm scheinen lassen. Gesamtwertung: 7.0 Punkte | |
Trackliste | Album-Info |
01. Youngblood 02. Monster In Me 03. Around Midnight 04. Mean It 05. Lions 06. Decadence On 10th Street 07. Dream Your Heart Out 08. Blow Your Mind 09. Sedona 10. Look Into Me 11. Winner Takes All | Band Website: www.facebook.com/TMFband/ Medium: CD Spieldauer: 47:59 Minuten VÖ: 10.07.2020 |
Alle Artikel