Interview mit Keyboarder Oliver Wolfhart von WolveSpirit

Ein Interview von Stormrider vom 23.02.2022 (18695 mal gelesen)
Die Zeiten sind nicht einfach. Ich denke, dass man das nach zwei Jahren Pandemie niemandem mehr explizit erklären muss. Aber Musik ist ja oft eine sehr gute Hilfe, um über manchen nicht so starken Moment hinwegzukommen. Man kann mit ihr vielleicht sogar in gewisser Weise die Welt ändern!? Die Würzburger WOLVESPIRIT haben genau das zum Motto ihrer aktuellen Scheibe gemacht. Keyboarder Oliver Wolfhart stand uns zum neuen Album "Change The World" Rede und Antwort.

Hi Oliver! Vielen Dank, dass ihr euch die Zeit für Bleeding4Metal nehmt, und natürlich Glückwunsch zur Veröffentlichung von "Change The World"! Ich empfinde es als ein sehr gutes Album, bei dem ihr den Spagat zwischen Classic Rock, Psychedelic und Eingängigkeit gut hinbekommen habt. Lasst uns also ein wenig über das Album sprechen. Ihr lebt, laut Promotext, auf einem gemeinsamen Anwesen in Würzburg, um euch ganz der Kunst zu widmen. Durch das Zusammenleben dürftet ihr ja als ein Haushalt gelten. Inwieweit hat denn die Pandemie euren kreativen Prozess beeinflusst? War das eher hemmend oder durch die mehr zur Verfügung stehende Zeit ein positiver Effekt auf das Songwriting?

Oliver Wolfhart: Der Hauptteil der Band lebt im selben Ort über drei Häuser verteilt. Wir treffen uns jeden Tag und schreiben Songs oder machen, was sonst so ansteht. Ich denke, die Vorteile überwiegen bei weitem, wenn man als Künstler nah zusammenlebt. Vor allem in der Pandemie hat es sich gezeigt, dass man als Mensch schon den sozialen Kontakt braucht, um ein erfüllteres Leben zu führen. In den Zeiten des Social Distancing war es schön zu wissen, dass man sich auf seine Nächsten verlassen kann und sich gegenseitig Mut macht. Denn jeder hat mal einen schlechten Tag, und für uns Künstler war es ja wirklich schwierig, positiv zu bleiben.

Wie lange habt ihr denn dann insgesamt am Material von "Change The World" gefeilt?

Oliver Wolfhart: Was das Songwriting betrifft: Wir arbeiten fast jeden Tag an neuen Songs. Mittlerweile haben wir schon wieder über 30 neue Songs geschrieben, die darauf warten, veröffentlicht zu werden. Auch bei den Arbeiten an "Change The World" verhielt es sich ähnlich. Es gibt intensive Phasen, in denen man sehr kreativ und schöpferisch ist. Uns hilft es dabei dann, wenn wir uns Deadlines setzen, um etwas fertigzustellen. Wenn wir ein Album planen, nehmen wir uns meistens ein halbes Jahr Zeit und schreiben so um die 30 Songs. Davon schaffen es dann meist ein Dutzend auf das Album.

Aufgenommen habt ihr "Change The World" aber gar nicht in heimischen Gefilden, sondern in Nashville, Music City. Woher kam die Intention, sich auf den langen Weg nach Tennessee zu machen? Und welche Vibes konntet ihr dort aufsaugen, die sich am Ende auf "Change The World" wiederfinden? Also von den ganz offensichtlich hörbaren Einflüssen, wie zum Beispiel in 'Fallen', abgesehen?

Oliver Wolfhart: Nashville ist für uns ein Art Mekka der Musik und mittlerweile auch eine geistige Heimat für die Band geworden. Wir sind ja nun seit über zehn Jahren immer wieder in der Stadt zu Besuch gewesen und haben dort Freundschaften geknüpft. Ich habe sogar dort meine jetzige Freundin getroffen, mit welcher ich in Deutschland schon seit über fünf Jahren glücklich zusammen bin. Nashville und Teile von Tennessee haben eine tolle Ausstrahlung und Anziehungskraft für Musiker. Man spürt dort etwas Magisches, was man hierzulande vermisst. Musik und Unterhaltungskultur haben dort einen viel größeren Stellenwert, und Rockmusik wird sehr viel ernster genommen. Dazu trifft man dort auf andere Musiker, die ähnlich denken und ähnliche Ziele haben. Tennessee hat dieses Südstaaten-Flair und ist bekannt für seine "Southern Hospitality". Die Menschen sind sehr viel netter zu dir, und man hat das Gefühl, sie sehen das Leben unbeschwerter. All das inspiriert einen enorm und spornt an, selber Musik zu schreiben, die eine Aussage und eine emotionale Botschaft hat. Musik, die einen mitreißen kann und berührt. Themen, die sich auf dem Album wiederfinden, sind Liebe, Freiheit, Unbeschwertheit, Mut, Leichtigkeit, Verbundenheit, Stärke und Stehvermögen. Sicherlich sind diese Themen schon vorher bei uns präsent gewesen, aber Nashville hat dies nochmal deutlicher hervorgebracht.

Ich habe euch vor Jahren im Colos-Saal mit den BLUES PILLS gesehen. Das war ein sehr stimmiges Paket an dem Abend. Dort hatte ich euch allerdings sehr viel psychedelischer wahrgenommen, als es nun der Fall ist, wo ihr viel geradliniger nach vorne rockt. Aber auch Einflüsse aus dem rockigen Blues ('I Belong To You' mit seinem Solo) oder dem 90er Alternative ('Thunder And Lightning' erinnert mich zu Beginn durchaus an 'Weak' von SKUNK ANANSIE) haben meiner Meinung nach ihre Spuren hinterlassen. Inwieweit habt ihr euch in den letzten Jahren musikalisch entwickelt, und wo sehr ihr selbst die größten Unterschiede zu euren bisherigen Veröffentlichungen?

Oliver Wolfhart: Du hörst da schon richtig, dass wir mehr von psychedelischen Einflüssen weggekommen sind. Wir hatten unsere Phasen in der Bandgeschichte, aber gleichzeitig haben wir bewusst nie einem bestimmten Stil gefolgt. Wir ließen uns einfach von dem inspirieren, was wir gerne hörten und wie wir uns im Zeitgeist fühlten. Jetzt gerade für das nächste Album schreiben wir härtere Musik, weil die Zeiten auch härter sind und die Stimmung auf der Welt entsprechend so ist. Viele vergleichen uns immer wieder mit anderen Bands oder ziehen Referenzen zu bekannten Songs. Ich kann aber nur sagen, dass das gar nicht unsere Absicht war, andere zu imitieren. Bei uns entsteht Musik aus dem Flow heraus, Die größte Veränderung im Vergleich zum Vorgänger sehen wir im Titelsong 'Change The World'. Hier haben wir neue Dinge gewagt, andere Sounds ausprobiert. Eine Entwicklung, die beim nächsten Album noch stärker ausgeprägt sein wird.

Gibt es denn Songs auf dem Album, die für euch eine besondere oder herausgehobene Bedeutung haben, und wenn ja, warum gerade dieser Song/diese Songs?

Oliver Wolfhart: Jeder Song hat seine Geschichte, und ich kann nicht sagen, welcher besonders für mich ist. Denn für mich hat jeder Track seine persönliche Bedeutung. Songs sind wie eigene Kinder. Man liebt sie alle und kann nicht sagen, wer der Liebling ist. Müsste ich aber wählen, würde ich 'Thunder And Lighting' sagen. Jedes Mal, wenn ich ihn höre, macht der einfach gute Laune. Und gerade die brauchen wir doch alle derzeit ein bisschen mehr.

Auf der CD sind elf Tracks, in der Online-Bemusterung waren es deren 13. Wieso sind 'Broken Wings' und 'Blue Night' nicht auf der CD enthalten? Dazu war auf der Promoseite 'I Belong To You' nicht aufgeführt, sondern 'Blue Night'. Konntet ihr euch nicht so recht auf die Titel einigen?

Oliver Wolfhart: Die Idee, zwei Songs nicht mit aufs Album zu nehmen, rührt daher, dass sie auf dem Limited Edition Boxset für "Change The World" drauf sind, welches wir mit dem Album herausgebracht haben. Auf einer 7-Inch-Vinyl gibt es die zwei Songs als Bonustracks im Boxset.

"Change The World - We Are Heroes Of Life". Das ist die zentrale Aussage des Albums, zumindest habt ihr sie nochmal sehr präsent ins Booklet gedruckt. Was bedeutet euch diese Aussage, "Heroes Of Life"?

Oliver Wolfhart: "Heroes Of Life" bedeutet für mich der Glaube an Selbstbestimmung im Angesicht von Widrigkeiten. Ein Held ist man, wenn man den Sprung ins Ungewisse wagt, und das im Wissen, es gibt Gefahren, die einen verschlingen können. Für seine Ziele und Ideale zu kämpfen, ist das Beste, was wir mit unserem Leben anfangen können. Denn die Alternative wäre ein Leben in betäubender und bequemer Bedeutungslosigkeit. Niemand hat je gesagt, dass das Leben einfach wäre. Doch müssen wir weitermachen, Schwierigkeiten meistern und an den Erfolg glauben. Daraus erwächst eine tiefere Zufriedenheit, im Wissen um deine eigene Macht Dinge zu erschaffen. Wenn du das tust, bist du ein Hero of Life. Und wir können das alle. In jedem von uns schlummern ungeahnte Kräfte und Fähigkeiten, die nur darauf warten, von uns genutzt zu werden.

Wenn ihr in diesem Zuge die Welt mit einer einzigen, sehr starken Aktion wirklich verändern könntet, welche Aktion würdet ihr hierfür wählen, um der Welt für die Zukunft ein neues Gesicht zu geben oder sie zumindest zum Besseren zu verändern?

Oliver Wolfhart: Wenn es möglich wäre, auf einen Schlag der Menschheit klarzumachen, welche Auswirkung die Ausrichtung ihrer Wahrnehmung hätte, wäre sehr viel getan. Lass mich das erklären. Was wir brauchen, ist ein Paradigmenwechsel. Denn unsere Gedanken, und wie wir die Welt sehen, haben eine große Macht. Würden wir alles aus einem positiven Blickwinkel sehen - voller Dankbarkeit, Wertschätzung und Achtung vor dem Leben - würden sich viele Probleme auf der Welt über Nacht auflösen. Ändere dein Denken, und du änderst die Welt.

Hoffen wir, dass wir diese Denkweise schnell auf der Welt verbreiten, denn wie du schon zu Beginn gesagt hast, brauchen wir Menschen soziale Kontakte. Diese gab es vor Corona ja auch immer auf Konzerten, die für kleine Bands eine wichtige, wenn nicht die wichtigste Einnahmequelle geworden sind. Ich gehe davon aus, dass man derzeit mit den Einnahmen einer Band ohne Livegigs kaum vernünftig über die Runden kommt, wenn man nicht nebenbei noch Day Jobs nachgeht. Inwieweit habt ihr schon Pläne für die Post-Pandemie-Zeit geschmiedet?

Oliver Wolfhart: Aktuell arbeiten wir schon am nächsten Album, das wir dieses Jahr wieder in Nashville produzieren werden. Wir hatten ja wirklich viel Zeit für Songwriting in den letzten zwei Jahren gehabt (schmunzelt Oliver). Sobald aber wieder bessere Aussichten für Live Gigs bestehen, werden wir natürlich auf Tour gehen. Es soll ja angeblich nicht mehr lange dauern, bis wir aus der Pandemie kommen.

Du sprichst es ja schon an, dass die Welt so ihre Probleme hat. Was kannst du uns denn über das optische, gefühlt stark an Mad Max angelehnte Konzept erzählen, dass ihr auf "Change The World" aufgegriffen habt? Wie kamt ihr hierzu? Man kann das ja wahlweise futuristisch oder retro finden oder auch als ein Endzeitszenario deuten, welches sich ja gerade zu Beginn der Pandemie in den Köpfen manifestiert hat.

Oliver Wolfhart: Nun der Haupteinfluss kam tatsächlich von dem 2015er "Mad Max"-Film. Zum einen liebe ich die post-apokalyptische Ästhetik und bin auch ein bekennender Fan vom Videospiel "Fallout" sowie der Serie "The Walking Dead". Zum anderen finde ich, passt das auch gut zur Stimmung in der Pandemie. Irgendwie ist alles kaputt, aber man hält doch noch fest an den Überresten der alten Welt. Sozusagen ist das eine Retro-Zukunft. Für das Video kamen wir schnell in Kontakt mit diversen LARP-Gruppen ("Live Action Role Play" - Anm. des Redakteurs), die sich auf die Apokalypse eingeschossen haben. Wir trafen auf Cult Of Chrome, eine LARP-Gruppe aus Deutschland. Mit ihrer Unterstützung konnten wir das Video zu 'Change The World' umsetzen, dessen Produktion ein riesiger Spaß war.

So langsam kommen wir zum Ende des kleinen Interviews. Stell dir vor, wir schaffen es trotz aller Anstrengung doch nicht, die Welt zu verändern, und alles endet mit einem großen Knall. Was wäre der letzte Song, den du hören möchtest? Und wieso gerade dieser?

Oliver Wolfhart: Ich denke, 'Over The Rainbow' von "Change The World" wäre doch passend. Denn geht alles zu Ende, kann man ja auf ein Leben nach dem Tod hoffen. Wer weiß, vielleicht gibt es ja im Jenseits Bedarf für Rockbands.

Ich danke dir für die Zeit fürs Interview. Wie es bei uns gute Tradition ist, gehören die letzten Worte des Interviews dir. Noch etwas, was du unseren Lesern mit auf den Weg geben möchtest?

Oliver Wolfhart: Besonders jetzt sollten wir gute Laune haben und die Hoffnung nicht aufgeben. Es wird alles besser werden. Hört euch gute Musik an, wie zum Beispiel WOLVESPIRIT. Darum machen wir eigentlich Musik: um mit Leuten zusammen so richtig abzurocken. Bleibt locker und optimistisch und geniesst das Leben!

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