Interview mit SUED von Hämatom

Ein Interview von des vom 25.01.2022 (19702 mal gelesen)
Die "Anti Alles"-Attitüde muss man mögen, aber musikalisch hat das neue Album vom HÄMATOM einige prächtige Ohrwürmer zu bieten. Schlagzeuger SUED nahm sich die Zeit, unsere Fragen zu beantworten, und reagiert auch auf die eine oder andere kritische Frage gnadenlos sympathisch mit Humor und Geduld. Außerdem: Vielleicht verkürzt euch das Interview die Wartezeit, bis es endlich wieder live losgeht!

Danke, dass ich die Gelegenheit bekomme, dir ein paar Fragen stellen zu können! Ihr seid eine super Liveband, und ich konnte euch schon ein paarmal sehen. Wann geht es endlich wieder los? imgleft

SUED: Danke für das Kompliment! Tja, wenn wir in unsere Glaskugel schauen, dann geht es am 15.04.2022 wieder los. Unser inzwischen fast kultiges, eigenes Festival namens DAS LAUTE ABENDMAHL wird dann hoffentlich wieder stattfinden dürfen und den Karfreitag gemeinsam mit befreundeten Bands zu einem sehr lauten Ereignis werden lassen, wie es seinesgleichen sucht!

Ein neues Album - neue Masken? Man kennt eure Gesichter ja fast nicht, wer ist der hässlichste?

SUED: ICH! Wenn ich was anderes sage, werde ich das restliche Jahr gemobbt, und das halte ich nicht aus; dann lieber das kleinere Übel und hier eine kleine Falschaussage treffen :-) Geile Frage übrigens!!!

Mit den Masken könnte man ja prima einen unbemerkten Besetzungswechsel durchführen - gab es das schon mal?

SUED: Das stimmt, aber tatsächlich gab es nach über 15 Jahren keinen Besetzungswechsel. Zugegebenermaßen wurde ich schon mal live ersetzt, da ich aus irgendwelchen Gründen nicht spielen konnte, aber das war temporär und hatte nichts mit Besetzungswechsel zu tun. Der Vorteil liegt aber auf der Hand: Unter die Masken könnten schon auch unbemerkt andere schlüpfen, und während wir auf einer einsamen Insel unseren Vorruhestand genießen, lassen wir andere trommeln, bassen und Gitarre spielen, während wir die Kohle einsacken :-) Dafür ist aber live spielen zu geil, so dass wir uns das nicht nehmen lassen!

Auf dem neuen Album sind wieder ein paar prächtige Hymnen drauf; wer hat von euch das Händchen für diese Stimmungsnummern?

SUED: Danke, danke, danke! Unser OST ist da schon der Visionär und Wegbereiter, wenngleich dann doch immer wieder jeder Song anders entsteht und sich anders entwickelt. Mal dauert es länger, mal nicht so lang. Mal sagt der Produzent was Schlaues zum Demo, mal kommt Input von ganz woanders her. Alles immer eine große, lange Reise, bis man endlich vor dem fertigen Silberling steht. Selten planbar beziehungsweise vorhersehbar, wie alles kommen wird.

Ihr müsst alle schon etwa Mitte 40 sein, seid erfolgreich. Wie glaubwürdig ist es da, gegen alles zu sein? imgright

SUED: NORD, SUED, WEST und OST sind Figuren ohne Alter. Wir dürfen alles! Aber auch jeder andere darf "fast" alles. Wenn man langweilig und gleichgültig wird, ja, bequem und unkritisch, sich selbst aufgibt, beziehungsweise nicht mehr daran glaubt, was ändern zu können, dann wird's still. Das sind wir nicht; das können wir auch nicht. Das sollte auch kein Künstler sein, sonst wird die Kunst schlecht. Zurück zu deiner Frage: Gereift sind wir schon, aber in unserem Herzen schlägt immer noch ein Rebell; jemand, der anecken darf, will und muss. Klar braucht der Unterbau Substanz, aber ein Blick in die Zeitung gibt sie uns, und es ist wie schon immer wichtig, als Künstler der Gesellschaft einen Spiegel vorzuhalten und Missstände zu thematisieren. Egal, wie alt man ist. Es wär' eher erschreckend, wenn man mit zunehmendem Alter abstumpft und Hoffnung und Träume verliert. Weil ... dann ist man eigentlich tot im Kopf.

Ich mag ja lieber eure humorvollen Texte wie 'Eva' oder 'Teufelsweib', bei Texten der Marke "es kotzt mich einfach alles an" denke ich immer, "dann nimm Dein Leben in die Hand und mach was". Wie steht ihr dazu?

SUED: HÄMATOM hat eine große textliche und musikalische Bandbreite, und das ist auch gut so und macht Spaß beim Songwriting. Wir dürfen alles. Weiter höre ich persönlich immer noch sehr gerne Songs von anderen Bands mit dem Inhalt ANTI ALLES. Musik ist mein Ventil, Musik ist Kunst. Es muss nicht immer alles "korrekt" sein und bei einem Thema alle Seiten beleuchten. Man darf auch als Künstler mal ausflippen, und die Zuhörer flippen mit aus. Es gibt immer Momente in meinem Leben, in denen ich genervt zum Beispiel im Auto sitze, Lautstärke der Soundanlage voll auf, und es läuft ultralaut Metal oder Punk. Ich schrei' dazu, und meine Ohren gehen kaputt. Nach ein paar Minuten geht's mir dann besser, und ich verlasse wieder ausgeglichen diesen Rückzugsort. Das ist meine Therapie, und dafür braucht es ja auch einen Soundtrack. Mit VINCENT WEISS wird mir das kaum gelingen. Genau dafür haben wir Songs wie 'Leck Mich' oder jetzt aktuell 'Ich Hasse Euch Alle' geschrieben.

Seid ihr Wortspielen wie "Liebe Auf Den Ersten Fick" nicht schon entwachsen?

SUED: Auch hier gilt: Wenn man es gut findet und sich selbst damit wohl fühlt, wird es gemacht! Die Antwort ist also NEIN.

Auch wenn ich mich gerade kritisch geäußert habe, 'Dagegen' und 'Ich Hasse Euch Alle', finde ich richtig klasse. Wie sind diese Songs entstanden? imgleft

SUED: Kritik ist immer gut und als Journalist wichtig. Fangen wir mit 'Ich Hasse Euch Alle' an. Sehr früh in unserer Karriere gab es einen Song namens 'Leck Mich', der schnell Kultstatus mit dem wohl trashigsten Video der Welt erhielt. Und so wurde er auch eine Live-Hymne, die auf keinem Konzert fehlen durfte und oft den Schlussgong der Show darstellte. Inspiriert von dieser Energie des Durchdrehens und der Power einer Haltung gegen alles, erwuchs die Idee von unserem Gitarristen OST zu 'Ich Hasse Euch Alle'. Und schnell wurde es textlich ein Selbstläufer, in dem man auch die Gelegenheit bekam, allen Rechtspopulisten nochmal auf den Kopf zu kacken. Also, hier stimmt einfach alles, und Musik und Text können nicht besser zusammenpassen. 'Dagegen': Bei diesem Track denke ich immer an die Bilder aus Belarus, wenn tausende Menschen auf die Straße gehen, weil sie mit ihrer Regierung nicht zufrieden sind und sich durch das brutale Vorgehen der Polizei davon nicht abhalten lassen. Es ist der Song zum Mutmachen, nicht alles hinzunehmen oder aus Bequemlichkeit sich nicht aufzulehnen. Alles ist immer in Bewegung und braucht Meinungen, um sich in die richtige Richtung weiterzuentwickeln. Im Rahmen der Veröffentlichung dieses Tracks habe ich Videos zusammengeschnitten aus Videobeiträgen über Rechtsradikalismus, Plastikflut, Armut in Deutschland oder Tierhaltung. Die Liste an Dingen, die wir hierzulande und weltweit verbessern müssen, ist unendlich lang, weswegen wir immer daran arbeiten müssen. 'Dagegen' ist für uns der Soundtrack für diese Arbeit.

Tesla oder Golf?

SUED: Tesla! Hab' zwar keinen, hätte aber gerne einen. :-)

Danke für Deine Zeit, die letzten Worte gehören dir:

SUED: Vielen Dank fürs Interesse an HÄMATOM. Musik sagt mehr als 1000 Worte. Wenn ihr also das Gelesene hier interessant fandet, dann hört mal in unsere neue Scheibe "Die Liebe Ist Tot", um euch ein Bild von der Band und den aktuellen Songs zu machen. Danke und Grüße, der SUED.

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