Ein Interview von Eddieson vom 17.11.2020 (29640 mal gelesen)
SODOM melden sich dieses Jahr mit einer neuen Platte zurück. "Genesis XIX" klingt nicht nur extrem hart und facettenreich, sondern auch einen Ticken Richtung Old School. Tom erzählt uns ein wenig mehr zum neuen Album.
Hallo in den Ruhrpott! Tom, wie geht's im SODOM-Headquarter?
Tom: Alles bestens. Wir werden natürlich zurzeit etwas ausgebremst, aber es wird trotzdem nicht langweilig. Wir arbeiten zurzeit schon wieder an neuen Songs.
Am 27.11. erscheint euer neues Album "Genesis XIX", welches in der neuen Bandbesetzung eingespielt wurde. Erzähl doch mal kurz, wie die aktuelle Bandbesetzung zustande gekommen ist.
Tom: Bis auf den Drummer ist die Besetzung ja schon seit 2017 aktiv. Nach Husky's Ausstieg waren wir natürlich auf der Suche nach einen neuen Trommler. Toni kannten wir ja schon länger, er hat ja auch vor ein paar Jahren bei Frank Blackfires Soloalbum gespielt und außerdem ist er auch bei SABIENDAS tätig. Ich hatte ihn dann kontaktet und er hat sofort zugesagt, zumal er SODOM-Fan ist und auch die Gelegenheit nutzen will, auch mal international bekannt zu werden. Wir sind total begeistert von ihm und für mich gehört er zu den besten Drummern Deutschlands oder sogar noch darüber hinaus.
Das Buch Genesis, Kapitel 19 beschreibt in der Bibel das Gericht über Sodom und die Rettung Lots. Wie und wieso habt ihr euch für diesen Albumtitel entschieden?
Tom: Ich fand den Titel sehr passend zum neuen Album. In den Bibeltexten werden diese sündhaften Städte durch Gottes Zorn in Form vom Feuer und Schwefel vernichtet. Aber wenn man sich damit mal historisch beschäftigt erkennt man, dass es wohl doch ein Meteoriteneinschlag war. Aber diese biblischen Themen haben mich schon immer sehr begeistert, obwohl ich mich ja eigentlich als "ungläubig" bezeichnen würde. Aber man erfährt sehr viel über das Leben der Menschen in dieser Zeit und es wirft auch genug Material ab, um daraus Songtexte zu kreieren. Auch das fantastische Artwork von Joe Petagno passt hervorragend zum Konzept dieser Titel.
Aufgenommen wurde das Album im Woodhouse Studio. Wie lief die Aufnahmesession unter Coronabedingungen?
Tom: Naja, wir mussten die Abstandsregeln einhalten, wie jeder andere auch. Siggi hat da sehr drauf geachtet. Ansonsten war es echt mal wieder eine Erfahrung, in einem professionellen Tonstudio zu arbeiten, das war wie 'ne Zeitreise. In der Zeit, wo fast jede Band ihren Kram zuhause auf dem PC/MAC reinhämmert, mal was ganz Besonderes.
Wenn man etwas Positives an dieser Pandemie sehen will, dann dass Musiker nun viel Zeit zum Songschreiben haben. Nutzt ihr diese Zeit? Habt ihr vielleicht mehr Songs geschrieben als sonst oder spielt euch diese Zeit sonstwie in die Karten?
Tom: Durch die Coronakrise und die daraus resultierenden Absagen aller Shows haben wir die Zeit natürlich genutzt, um die neuen Songs zu schreiben. Das war aber wirklich das einzig Positive daran. Wir würden gerne mal wieder auf der Bühne stehen, aber wir haben ja bekanntermaßen Berufsverbot und keiner weiß, wie lange das noch anhalten wird.
Textlich wird auch auf dem neuen Album kaum ein Blatt vor den Mund genommen. Wie wichtig sind Texte 2020 noch? Und dienen bei SODOM die Texte in erster Linie, um den eigenen Frust abzubauen oder dienen sie dazu, den ignoranten Menschen da draußen die traurige Wahrheit ins Gesicht zu brüllen oder zum Nachdenken zu bringen?
Tom: Die sind und waren uns immer extrem wichtig. Ich selbst bin ja politisch nicht aktiv, aber Sänger in so einer Band zu sein gibt mir die Möglichkeit, es auf der Bühne herauszuschreien. Metal muss wieder die Wahrheit sagen und die Meinungsfreiheit muss wieder in den Vordergrund rücken. Ich habe manchmal das Gefühl, dass die gesamte Metalszene verweichlicht ist. Man passt sich an, man will nicht auffallen. Aber genau das ist kein Metal mehr. Metal muss Farbe bekennen, Metal muss wieder böse werden ... das alles trifft es aber nicht mehr. Aber wir versuchen diese Attitüden und den Zeitgeist der glorreichen 80er wieder aufleben zu lassen ...
Wenn ich das richtig im Kopf habe, kam von euch der letzte Song mit einem deutschen Text irgendwann in den Neunzigern. Warum jetzt? Außerdem klingt 'Nicht Mehr Mein Land' wie ein Abrechnung mit Deutschland. Was wollt ihr uns mit diesem Song mitteilen?
Tom: Da war doch noch 'Knarrenheinz'?!?!?
Jau! Stimmt, den habe ich vergessen.
Tom: Ursprünglich war auf den Song ein englischer Text geplant. Aber warum nicht mal wieder was "Deutsches"? Viele Dinge lassen sich für mich als Deutscher in meiner Muttersprache besser ausdrücken. Ich habe halt den Eindruck, dass viele Sachen in Deutschland (aber auch weltweit) aus dem Ruder laufen und nach und nach außer Kontrolle geraten. Ich hatte meine unbeschwerte Kindheit in den 60er und 70er Jahren, meine Jugend in den 80ern. Und allen Unkenrufen und Weltverbesserern zum Trotz; da war wirklich alles besser. Wir leben zurzeit in einer beschissenen Welt voller Ängste und Unsicherheit. Ich denke aber eher an die nächsten Generationen, die unsere Fehlpolitik ausbaden und bezahlen müssen. Zu allem Elend dann noch die Coronakrise. Sie lässt das Eis der Ignoranz schmelzen und eröffnet den Blick auf einen riesigen Haufen Scheiße voller sozialer Ungerechtigkeiten und Missstände.
In meinen Ohren, und das sagt ihr ja auch selbst, ist "Genesis XIX" eines der härtesten, gleichzeitig aber auch eines der vielseitigsten Alben in der Diskografie. Habt ihr es darauf angelegt ein extrem hartes Album zu schreiben oder war es doch eher ein natürlicher Prozess?
Tom: Wir denken nicht darüber nach, was und wie wir es machen. Grundsätzlich gilt: Je härter und vielfältiger, umso besser. Die Songs kommen von ganz alleine. Das alles entsteht aus einer Jamsession heraus, da gibt es keine Vorplanung. Niemand sagt uns, was wir zu machen haben, wir wollen nur, dass die Songs unseren Fans gefallen, und nur deshalb machen wir die Musik.
Das Coverartwork zur neuen Platte ist mal wieder großartig geworden. Welchen Bezug hat das Cover zu den Songs/Texten?
Tom: Ich habe ja vorher mit Joe über den Plattentitel gesprochen. Er wollte dann natürlich die bereits fertigen Texte und Songs dazu haben. Danach hat er eine Bleistiftzeichnung angefertigt und ich habe grünes Licht gegeben. Danach geht's los und er fängt an scharf zu schießen. Aber wir sind total begeistert vom Artwork und natürlich auch stolz, dass er für uns gearbeitete hat, das ist fast wie ein Ritterschlag.
Macht ihr euch jetzt schon Gedanken darüber, welche der neuen Songs es wohl in die Live-Setlist schaffen?
Tom: Ja klar. Grundsätzlich wollen wir die Setlist eh etwas facettenreicher gestalten. Es sollen auch mal Titel rein, die wir noch nie live gespielt haben und auch mal Songs aus Anfang der 80er Jahre. Welche neuen Songs es dann in die Setlist schaffen, hängt natürlich immer von den Spielzeiten ab, da müssen wir immer vor Ort genau abwägen, wie das gestaltet wird.
In der Besetzung mit Bernemann und Makka waren ausgiebige Touren und Sommerfestivals nicht immer möglich, wegen Beruf und Familie. Wie sieht es jetzt bei SODOM aus? Werden wieder ausgiebige Touren gefahren und wird im Sommer von Festival zu Festival gesprungen (sofern Corona das irgendwann mal wieder zulässt)?
Tom: Ich hoffe es. Hauptsache es geht bald wieder los und unser Berufsverbot wird aufgehoben. Aber Konzerte im Autokino oder Eventkirchen kann ich mir nicht vorstellen ...
"Decision Day" ist damals auf Platz 7 der deutschen Charts eingestiegen. Sind Chartplatzierungen euch überhaupt wichtig und repräsentativ und seht ihr eine Chance für "Genesis XIX" auf einen noch höheren Chartplatz?
Tom: Mir persönlich ist das überhaupt nicht wichtig. Mich interessiert, wie die Scheibe bei den Fans ankommt, schließlich machen wir die Musik für unsere Anhängerschaft. Reviews aus Magazinen oder Chartplazierungen nehme ich zur Kenntnis, aber es ändert nichts an meiner Einstellung zur Sache. Wenn sich ein Album gut verkauft, umso besser. Das gibt uns natürlich die Chance, bei einem Label dann weiterhin veröffentlichen zu können ... ist ja auch nicht ganz unwichtig.
Tom, damit sind wir auch schon am Ende des Interviews. Ich danke für die Zeit, wünsche für das neue Album viel Erfolg und überlasse dir die letzten Worte.
Tom: Ich danke euch für eure Unterstützung und hoffe, dass wir uns bald wiedersehen. Bis dahin alles Gute und bleibt gesund und munter.