Enchantya - On Light And Wrath | |
---|---|
Review von Zephir vom 15.06.2019 (7007 mal gelesen) | |
Wer glaubt, dass Gothic Metal nur vier Akkorde braucht und dabei die ewig gestrige Schöne-und-das-Biest-Schiene fährt, der kennt ENCHANTYA aus Portugal noch nicht. Die Formation um Frontlady Rute Fevereiro, die als stimmgewaltige Diva auch ordentlich growlen kann (und damit die Schöne und das Biest in Personalunion vokal vertont), spielt Progressive Gothic Metal - und diese Bezeichnung verspricht nicht zu viel. Nach dem Debüt "Dark Rising" (2012) versammelte Fevereiro ein komplett neues Line-up, mit dem sie das kürzlich releaste Zweitwerk "On Light And Wrath" anging: Bruno Santos und Fernando Campos an der Gitarre, Fernando Barroso am Bass, Bruno Guilherme hinter den Drums und Pedro Antunes am für die Sparte so wichtigen Keyboard und Klavier. Außerdem zu hören auf dem neuen Album: der Violinist Gonçalo Fernandes, daneben Corvus, der Frontmann der (portugiesischen) Atmospheric Doom/Death Metal-Band DESIRE, sowie ein professioneller Chor. Das knapp fünfzigminütige Album liefert sinfonisch-opernhaftes Pathos gepaart mit dämonischem Drohgegroll, wüster Raserei, Maschinengewehrfeuer-Salven und dabei immer wieder experimenteller Melodie- und Harmonieführung, bei der einem schwindelig wird. Schon mit dem Intro 'Turn Of The Wheel' kommt man nicht zum Durchatmen: Das soundtrackähnliche Instrumental baut eine filmreife Spannung auf, die sich alsdann mit Donnerriffs, heulenden Gitarren und Blastbeat in 'Last Moon Of March' entlädt. Im gleichen Stil geht es straight forward: 'The Beginning' etwas grooviger und mit orientalischen Skalen, ab und zu kommen Erinnerungen an NIGHTWISHs 'Devil And The Deep Dark Ocean' (vom Album "Oceanborn", 1998) auf. Die leicht giftige Böse-Fee-Erzählerinnen-Stimme wie zu Beginn von 'Poet's Tears' scheint mir eine lang vergessene Tugend; die teilweise verschwurbelt-progressiven Melodien und die zwischenzeitlich eingestreuten blackmetallischen Harmonieabstürze in die Verminderten scheinen mir in dem alten, schweren Gothic-Metal-Bilderrahmen ungewöhnlich, aber genial. 'Near Life Experience' mischt Extreme Metal mit Cembalo, Orgel und einer progressiv-unvorhersehbaren, rhapsodischen Songstruktur. Luft holen lässt sich erst bei der VANGELIS-mäßigen Soundtrack-Einlage 'Alma'. Und Luft holen ist auch nötig, denn in 'Downfall To Power' marschieren die Krieger eines Fantasy-Königreiches auf, die kurze Zeit später in druckvollen Galopp verfallen. Lässt sich hier aus all der Brachialgewalt noch eine Portion Märchen heraushören, geht es mit 'Hide Me' in höchstem Maße hysterisch, albtraumhaft zur Sache. Wie besessen kreist dieser Song zielpunktlos um die eigenen Emotionen Furcht, Zorn und Verzweiflung und findet keinen Ausweg aus dem angstberauschten Hexeninferno. Höchste Zeit für eine Ballade, die uns mit 'Deception (Since You Lied)' beschert wird. Streicher, Klavier, sanfte Stimme - dann höchst romantischer Einfall der Gitarren. Die harmonischen Schräglagen und un-nachsingbaren Stimmführungen können ENCHANTYA sich aber auch hier nicht verkneifen; der Song ist daher weit entfernt davon, einfach die 08/15-Ausgleichsballade zu sein. Zu sehr entspannen soll man mit "On Light And Wrath" auch nicht, so die beiden letzten Titel 'Once Upon A Lie' und 'From The Ashes' den Hörer mit ungeheurer Wucht, mit Tempo, gekonntem Pathos und Leidenschaft niederrennen. Fazit: Vom in der Gothic-Metal-Szene gern genutzten Namenssuffix -ya sollte man nicht auf Simplizität schließen. ENCHANTYA sind lückenlos progressive und bemerkenswert exzentrische Vertreter eines Genres, das sich, so beweist "On Light And Wrath", noch immer weiterentwickelt. Zum Reinhören gibt es ein psychedelisches Video zum Titel 'The Beginning' auf dem Youtube-Kanal des Labels Inverse Records: Gesamtwertung: 8.0 Punkte | |
Trackliste | Album-Info |
01. Turn Of The Wheel 02. Last Moon Of March 03. The Beginning 04. Poet's Tears 05. Near Life Experience 06. Alma 07. Downfall To Power 08. Hide Me 09. Deception (Since You Lied) 10. Once Upon A Lie 11. From The Ashes | Band Website: Medium: CD Spieldauer: 49:24 Minuten VÖ: 24.05.2019 |
Alle Artikel