Interview mit Matze (Gesang), Ramin (Gitarre), Chris (Bass) und Yuri (Drums) von Engst

Ein Interview von Stormrider vom 19.11.2024 (12960 mal gelesen)
Vor dem Konzert im Aschaffenburger Colos-Saal (zum Livebericht geht's hier) trafen wir ENGST zu einem ausführlichen Interview. Die ganze Band hat es sich im Backstagebereich gemütlich gemacht. Da das aktuelle Album "Irgendwas Ist Immer" schon vor einer ganzen Weile veröffentlicht wurde, haben wir uns über die laufende Tour, Zivilcourage, Politik und Musik, Castingshows und so dies und das unterhalten.

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Ich verfolge euch nun schon eine ganze Weile und habe euch schon damals in Frankfurt im "Elfer" gesehen. Dann ging es über das "Kesselhaus" in Wiesbaden in "Das Bett" in Frankfurt und nun seid ihr im "Colos-Saal" hier in Aschaffenburg. Die Venues wurden immer ein klein wenig größer. Wie läuft denn die Tour aktuell? Es ist ja schon die zweite Rundreise zu "Irgendwas Ist Immer".

Matze: Oh ja, damals im Elfer, das war krass. Der Club ist ja auf dieser Partymeile in Frankfurt, und an dem Tag hat Frankfurt gegen Bayern München gespielt und die haben irgendwie 5:1 gewonnen. Da war ja kompletter Ausnahmezustand an dem Abend. Zur aktuellen Tour kann man sagen, dass wir letztes Jahr eher die Kernstädte gespielt haben, wie Hamburg, Düsseldorf oder auch Frankfurt. Die Shows waren extrem gut besucht. Jetzt sind wir mehr in ein paar Städte gegangen, wo wir vorher noch nicht so stark aktiv waren. Und wir sind sehr, sehr positiv überrascht. Bis jetzt sind wieder alle Shows sehr gut besucht. Auch heute Abend sind hier wieder rund 500 Leute. Ich glaube, da ist der Saal knackig gefüllt. Wir merken halt einfach, dass es gut nach oben geht, gesund wächst und mehr wird und nicht stagniert. Das ist ja immer so ein Kriterium, was ja wichtig ist, wenn du weiterkommen willst.

Ja, heute Abend wird es heiß hier drinnen werden, davon kannst du ausgehen. Aber es ist gut zu hören, dass es für euch beständig nach oben geht. Lasst uns aber mal ein wenig auf eure Anfänge schauen. Wie war denn euer allererstes Konzert, was ihr gespielt habt? Erzählt mal so ein bisschen, ich schätze es waren noch keine 500 Leute da.

Ramin: Da gab es uns doch erst drei Monate, oder?

Yuri: Ich glaube das muss Januar 2016 gewesen sein. Irgendwo in Süchteln? Und da haben wir sogar noch geprobt!! [Allgemeines Gelächter]

Matze: Stimmt, da haben wir noch geprobt. Aber wie heißt es: "Ohne Proben ganz nach oben!" Der Abend war witzig, es dürfte die einzige Show gewesen sein, bei der wir einen Keyboarder, einen zweiten Gitarristen und anderen Bassisten dabeihatten. Du weißt ja, wie das immer ist bei einer Bandgründung. Am Anfang sind natürlich alle ganz hyped und so nach dem Motto: "Ja na klar, wir ziehen richtig durch und hast du noch nicht gesehen". Und wenn es dann größer wird und wächst und die Shows mehr werden und natürlich auch der ganze Stress größer wird, dann sondert sich das relativ schnell raus, wer wirklich diesen Weg mitgeht. Und die Band jetzt, das ist so der harte Kern, der sich dann rauskristallisiert hat und der einfach auch bis zum Ende bleiben wird. Das war im Vergleich zu heute aber noch relativ softe Musik. Wir haben aber ein paar Songs, die wir beim ersten Gig gespielt haben und die auch heute immer noch da sind. Vielleich in ein bisschen anderer Form. Ich glaube 'Auf Die Freundschaft' haben wir da schon gespielt und 'Alle Tragen Schwarz' und auch 'Raumschiff'. Aber ja, wenn man jetzt so zurückguckt, ist jetzt noch mal eine ganz andere Hausnummer.

Ramin: Aber der Gig war echt gut! Da gibt's doch auch noch irgendwo einen Mitschnitt.

Chris: Hast du damals noch diesen Lederhut getragen?

Matze: Ja, würde ich aber immer noch gerne tragen.

Chris: Red lieber nicht drüber! [Wieder allgemeines Lachen!]

Matze: Stimmt, da warst du doch noch gar nicht in der Band! Da war noch unser erster Bassist dabei. Das lief aus Marketinggesichtspunkten sowieso eher suboptimal damals. Wir haben nämlich die Bilder für das erste Album, "Flächenbrand", gemacht, und einen Tag bevor das Album rausgekommen ist, hat er bei mir geklingelt und gesagt: "Du Matze, ich glaube, ich will aussteigen, ich schaff das nicht mehr." Super! Das war für Chris natürlich ein bisschen scheiße, denn auf der Tour musste er dann immer bei seinem Foto signieren.

Chris: Das war für mich ganz witzig. Ich bin dann direkt reingekommen in die Band und man meinte so: "Okay, du hast einen Monat Zeit, wir gehen jetzt auf Tour." War sportlich!

Ramin: Und so langsam kann er die Songs sogar spielen. [Gelächter]

Na dafür bist du nach den fünf Jahren ja nun integriert. Ihr habt erwähnt, dass ihr damals schon Sachen gespielt habt, die auch heute noch gespielt werden. Ihr habt jetzt für den zweiten Teil der Tour auf der Setlist doch relativ viel umgestellt im Vergleich zur ersten Rundreise. Wie entscheidet ihr denn, was fliegt raus, was kommt rein und wie ist denn da so der Prozess? Ist das mehr so eine Basisdemokratie oder gibt es harte No-gos und Vetos?

Ramin: Wir diskutieren so ein wenig darüber, und dann gucken wir uns die Spotify-Sachen auch an, welche Songs am häufigsten gestreamt werden. Jetzt war zum Beispiel für uns eine Überraschung, dass vom zweiten Album 'Denkst Du Noch An Mich' ziemlich gut läuft. Das war uns nicht so bewusst. Dann haben wir den Track geprobt, geschaut, ob der uns beim Spielen Spaß macht und dann mit ins Set genommen.

Und wie schwer fällt es euch, sich von einem Song zu trennen, den man eigentlich lange gespielt hat?

Matze: Schwer! Sehr schwer!

Chris: Also nach drei Alben hat man einfach so ein Potpourri an Songs. Dass man immer mit einem weinenden Auge irgendwas streichen muss. Auch wenn es schwerfällt. Aber 'Optimisten' wird zum Beispiel nicht gestrichen. Aber klar, man will ja auch mal was Neues oder anderes spielen, nicht immer nur die gleichen Sachen.

Matze: Und es kommt ja auch immer ein wenig auf die Thematik an. Da schauen wir natürlich auch so ein bisschen drauf. Nicht nur welche Songs machen uns Spaß? Beispielsweise haben wir jetzt im Set auch 'Erwachsen Werden' drin. Der hat jetzt einfach einen Platz im Set gefunden, weil wir mittlerweile ja auch viele Familien im Publikum haben. Also tatsächlich Leute, die wirklich mit ihren Kids kommen. Teilweise wirklich Mutti, Papa und die siebenjährigen Mädels dann mit Mickey Mäusen auf. Das sind dann auch Songs, die für uns einfach eine Relevanz haben, einfach gespielt zu werden. Und die werden super angenommen. Und ich glaube, es ist eben auch für Fans wichtig, die oft kommen. Diese verrückten Leute, die wirklich bei jeder Show sind. Wir hatten jetzt vor zwei Tagen eine dabei, die hat ihr hundertstes Konzert bei uns mitgemacht. Fast ein Running Gag, dass sie mehr ENGST-Konzerte besuchen als ich. Also das ist wirklich irre. Und für die versuchen wir natürlich auch mal eine Abwechslung reinzubringen. Das macht uns auch Spaß und ist auch mal gut, so ein bisschen aus der Comfort Zone rauszukommen.

Yuri: Absolut. Aber wir spielen auch trotzdem noch alte Songs, wie die 'Hymne Der Verlierer'. Das war ja einer der allerersten Songs und auf der EP drauf. Und der ist immer noch gesetzt und immer noch aktuell. Von daher macht er immer noch Spaß.

Na dann haut mal raus. Jeder von euch vier nennt mal seinen Lieblingssong aus der aktuellen Setlist. Was macht euch derzeit am meisten Spaß auf der Bühne zu spielen?

Ramin: Bei mir ist es 'Alle Wollen Alles'.

Yuri: 'Keinen Meter'.

Chris: Ebenfalls 'Keinen Meter'.

Matze: Ich bin auch bei 'Alle Wollen Alles'. Der geht straight nach vorne. Ich war am Anfang überhaupt nicht überzeugt von dem Song und dann haben wir den live gespielt und dann war so: alles klar, der geht ab. Nach dem Track sind die Leute auch meistens echt kurz am Arsch.

Ich muss sagen, dass ich mit dem Track zunächst ein wenig gefremdelt habe, aufgrund der Intros. In der zweiten Hälfte hingegen ist er ein klassischer ENGST-Track. Und mittlerweile mag ich ihn echt gerne.

Matze: Das ging mir an Anfang auch so. Aber wir wollten bei der Nummer einfach mal ein bisschen was ausprobieren. Es ist für Bands aus dem deutschen Punkrock ja auch immer eine große Gefahr, dass du irgendwann anfängst dich selber zu covern. Dann bleibst du so in deinem Einheitsbrei drinnen. Trotzdem muss man natürlich immer auch ein wenig vorsichtig sein, sodass man nicht sagt: "Das war jetzt vielleicht ein bisschen zu weit weg von dem, was die Leute hören wollen." Aber dadurch, dass der Refrain die alten ENGST-Vibes aufgreift, funktioniert er und die Leute feiern es sehr.

Yuri: Ja, war schon ein kleines Experiment. Aber es ist geglückt.

Chris: Neues Studio, neuer Produzent und einfach mal geguckt wohin es geht und es hat funktioniert.

Ist das ist schon ein Ausblick, in welche Richtung es musikalisch zukünftig geht?

Matze: Wir werden nun natürlich keine Jazzplatte machen. Einfach weil wir es nicht können. [Allgemeines Lachen] Aber die große Stärke bei uns sind einfach wirklich diese eingängigen melodiebehafteten Refrains. Die werden definitiv bleiben. Da stehen wir ja alle drauf. Aber wir sind schon auch daran interessiert, immer so ein bisschen Dinge auszuprobieren und mal austesten, wie sich manches anfühlt.

Ist ja auch spannend und definitiv Punk, sich nicht in seinem eigenen Songkreis nur ewig immer wiederholen. Was habt ihr für Rituale, die ihr so vor dem Gig macht?

Yuri: Wir hören Technomusik. Also tatsächlich Technomusik. Kein Spaß!

Ramin: Wir müssen uns ein bisschen warm machen. Wir haben gelernt, dass wir uns ein bisschen hypen müssen vorher. Auf Tour ist fit bleiben schwierig, wach bleiben ist schwierig, gut schlafen ist schwierig. Daher auf jeden Fall eine halbe Stunde bevor es losgeht vorher mal ein bisschen laute Mucke anmachen. Bisschen anfangen zu tanzen, ein paar Liegestützen machen.

Chris: Wir geben uns vorher noch ein High Five, aber wir stehen jetzt nicht irgendwie im Kreis und brüllen uns alle irgendwie mit irgendwas an. High Five und ab auf die Bühne!

Matze: Ramin und ich schauen uns vorher noch kurz an und sagen: Heute wird es richtig scheiße! Denn dann werden es meistens richtig grandiose Shows!

Wie seid ihr denn zum gemeinsamen Musikmachen gekommen?

Matze: Wir machen ja alle schon Musik, seit wir Jugendliche sind. Und das Lustige ist tatsächlich, dass wir uns ja alle schon lange bevor die Band ENGST gegründet wurde im Berliner Kosmos über den Weg gelaufen sind. Also ich habe mit Ramin und unserem Tonmann in einer - was war das? - in einer Metalband gespielt. Ramin hat Gitarre gespielt, unser Tonmann hat Drums gespielt und ich war damals noch Shouter, also richtig mit richtig brüllen und so. Und Yuri war auch in verschiedenen Metalcore-Bands. Und in der Region kannten wir uns eben alle. Von Chris war ich Fan. Chris war halt so der der Star in Berlin. Er war elf Jahre Sänger bei den 5BUGS. Das war die Skate Punk-Band, die jeder irgendwie gehört hat. Da bin ich tatsächlich dann auch ganz oft als Teenie auf Konzerten gewesen und war totaler Fanboy.

Ramin: Und jetzt spielt Chris bei uns Bass - Verlierer! [Gelächter]

Matze: Letztes Jahr haben die 5BUGS nach zehn Jahren noch mal einen Gig gespielt - und es war total geil. Es war so wie Klassentreffen, alle um die 40 rum. Nicht nur die Band, die Fans auch. Und alle haben irgendwie Rücken mittlerweile. War aber ein total geiles Konzert. Und das erste, was Chris sagt, als er von der Bühne kommt und mich ansieht ist: "Ich will nie wieder Sänger sein."

Chris: Das war der anstrengendste Job. Man hat einfach immer die Arschkarte.

Matze: Aber daher ist es halt total geil. Wir kommen alle aus dem gleichen Kosmos, sind uns vorher schon hundertmal über den Weg gelaufen und haben alle parallel den gleichen Werdegang gemacht.

Naja, so ganz den gleichen Werdegang habt ihr nicht. Denn zwei von euch [Matze und Yuri] haben ja damals an dieser Castingshow "Die Band" teilgenommen. Welchen Impact hat das denn heute noch? Also ist das heute noch ein Thema oder war einfach so: "Nee, danke?!"

Yuri: Also nur wenn wir in Interviews drauf angesprochen werden. [Grinst]

Matze: Man muss sagen, ich war jetzt letzte Woche beim SAMU HABER-Konzert in Berlin gewesen, weil wir einfach tatsächlich immer noch befreundet sind. Ich bin da mal hingegangen und hab mir sein Soloprojekt angeguckt. Da kommen dann noch vereinzelte Hausfrauen an, die sagen: "Och, du bist doch der tätowierte Popsänger", und so. Aber ansonsten ist das mittlerweile relativ wenig. Am Anfang, als wir ENGST gegründet haben, da gab es ein paar Interviewpartner, die haben schon relativ krass versucht uns so ein bisschen vorzuführen. So von wegen, das ist doch kein Punk! Du warst in einer Castingshow und blabla. Den Zahn konnten wir den Leuten immer relativ schnell ziehen. Wir sind da ja sowieso eher zufällig in dieser Sendung gelandet und ich war zu dem Zeitpunkt halt noch Sozialarbeiter, also Streetworker, hab auch nicht so viel Kohle verdient. Es war daher eine gute Chance auch ein wenig was zu verdienen. Wir haben da einfach drei Monate in einer Villa auf einem Berg abgehangen, wo es den ganzen Tag zu saufen gab, einen riesigen Pool, eine Sauna. Es war aber wirklich verrückt zu sehen, dass da Leute waren, die 2015 noch wirklich dran geglaubt haben, dass sie mit einer Castingshow der große Hit werden. Und qualitativ, muss man immer sagen, war die Sendung eine Vollkatastrophe. Musikalisch war das komplett Unsinn. Wir haben uns dabei einfach nur eine gute Zeit gemacht. Dass der Quatsch dann am Ende gewonnen worden ist, war ehrlich gesagt auch gar nicht so geil. Ich musste da halt ein Vertragsalbum machen. Das ist aber nie rausgekommen. Die Songs liegen bei der Sony, werden aber wahrscheinlich nie veröffentlicht werden.

Yuri: Wir haben ja vorher schon eine Band gehabt, und unsere ursprüngliche Intention war, dass wir da hingehen und quasi Werbung für unsere eigene Band machen. Das war der Plan. Dass der Typ den Bums gewinnt, hatte keiner auf dem Schirm.

Matze: Wir kamen nach drei Monaten zurück und die alte Band hatte sich aufgelöst. Wir haben dann gesagt: "Wir machen das jetzt noch einmal. Einmal richtig. Einmal richtig Vollgas!" Und dann war wirklich so Rumtelefoniererei. Yuri war klar, dass wir zusammen auf jeden Fall was machen. Und ich habe dann so ein bisschen gebrainstormt, wer würde noch mal in Frage kommen für so ein Projekt. Dabei war mir gar nicht so wichtig, wo der musikalische Background liegt, sondern ich wollte, dass Leute zusammenfinden, die auch wirklich Biss haben. Auch mit Ü30 nochmal. Die auch ganz genau wissen, was sie wollen und die nicht sagen: "Kann ich nicht touren, da hat meine Tante Gerda aus Wuppertal Geburtstag." Ja und da war Ramin zum Beispiel gleich gesetzt. Weil bei Ramin war mir immer klar, der kommt eher aus dem Metal-Bereich, aber der war halt schon immer so ein totaler Beißer. Gleiches gilt für Chris. Bei Chris wusste man auch, als der in die Band gekommen ist, wenn der sich dafür entscheidet, zieht er es durch. Und deswegen sind wir aber auch immer in dieser Viererkombination geblieben, haben uns keine zweite Gitarre geholt. Der Vibe ist so gut und wir sind so geschlossen. Da braucht es keinen mehr in diesem Kosmos.

Yuri: Das ist einfach hundertprozentiger Verlass, da kann kommen, was wolle.

Also das, was man so als die klassische Band aus den GUNS 'N ROSES-Videos kennt, wo sich Freunde im Arm liegen?

Matze: Wenn die Frage kommt, sind wir Freunde, dann sage ich mal so, also das kann man so nicht sagen. Wenn ich zum Beispiel in Berlin in eine Kneipe gehen will, dann rufe ich die Jungs jetzt nicht an. Es ist aber einfach dem geschuldet, dass wir natürlich alle einen anderen Lebenskosmos haben. Wir haben Leute mit Kindern, Ramin arbeitet extrem viel. Das Ding ist aber, wir teilen halt noch mal was ganz anderes. Diese Band steht ganz oben in unserem Lebenskosmos. Da müssen natürlich auch unsere Frauen und Partner und alle um uns herum, die müssen ja alle da auch mitziehen. Ich glaube, das ist noch mal was viel Tiefergehendes als eine Freundschaft. Wir teilen wirklich unseren Traum, unsere Leidenschaft. Wir haben alle zusammen alles auf eine Karte gesetzt und ziehen das durch. Und wir lieben das auch, zusammen auf Tour zu sein. Ist dann aber auch schön, wenn wir uns mal nicht sehen. Also das braucht man auch, das Detoxen.

Lasst uns mal ein wenig über eure Lyrics sprechen. Ihr macht viele sozialkritische Texte, ihr macht politische Texte wie zum Beispiele 'Alle Tragen Schwarz', 'Blut Auf Dem Asphalt', 'Hymne Der Verlierer', 'Herr Meier Von Der AfD'. Wo kommen da eure Inspirationen her?

Chris: Grundsätzlich kommen die Texte alle von Matze. Die Musik machen wir alle zusammen, aber das ist halt Matzes Background. Er ist in Hellersdorf-Marzahn groß geworden, hat sag ich mal so gesehen die Scheiße gefressen, hat mit den Leuten immer noch zu tun und schreibt da autobiografisch.

Matze: Ja, ich bin im Osten von Berlin aufgewachsen. Das war zu der Zeit noch eine braune Hochburg. Zu der Zeit als ich noch Teenie war, da war das Gang und Gäbe, dass du da halt nach Hause gejagt worden bist, wenn man wie ich lange Dreads hatte. Da gab es wirklich noch die Glatzen mit den Bomberjacken und Baseballschlägern, die da rumgelaufen sind. Es gab mehr als einen Übergriff wo man von Neonazis verdroschen worden ist. Hab da viel "Wir legen dich um"-Sprüche und so eine Scheiße miterlebt. Später habe ich dann meine Ausbildung in der Psychiatrie gemacht und dort gearbeitet. Da hast du natürlich auch mal eine ganz andere Komponente übers Leben gelernt. Ich war in meinem Leben schon immer in sozialen Bereichen unterwegs und bin auch immer dort wohnen geblieben. Letztens war ich mit Sebastian, dem Sänger von MADSEN, bei einem WEIMAR-Konzert. Es gab ja einen großen Beef mit dieser Band, weil die ja so einen Nazi-Background haben. Und dann haben wir halt den Dialog gesucht und sind dann einfach in Berlin zu einem Konzert gefahren. Wir waren vor dem Konzert da, haben uns mit der Band unterhalten, weil die Band die ganze Zeit im Vorfeld rumgejammert hat, "Ja, wir sind ja nicht mehr rechts und Pipapo und trallala." Dann haben wir gesagt, okay, alle sagen immer, man soll den Leuten auch eine Möglichkeit geben, rauszurutschen aus dem rechten Spektrum. War am Ende totaler Quatsch, also die Band ist sowas von dermaßen hart rechts, das ist totaler Bullshit, was die da erzählen. Und Sebastian ist dann nach Hause gefahren und ich bin dageblieben und hab mich auf dem Konzert zwischen locker 700 oder 800 krassen Neonazis wiedergefunden. Aber ich gehe da gerne rein und ich rede auch gerne mit den Leuten. Und das ist auch immer das, was wir den Menschen bei unseren Konzerten sagen. Wir sind jetzt nicht die klassische Band, die durchgestrichenes Hakenkreuz auf die Bühne hängt. Aber da würde ich ziemlich krass mein Hand für ins Feuer legen, wer wirklich intensiv ENGST hört, der kann mit diesem ganzen Nazipiss nichts anfangen. Aber wir wollen den Leuten eigentlich eher so ein bisschen ans Herz legen, dass sie miteinander reden, also dass man auch anderen Leuten zuhören muss. Mir geht die AfD auch tierisch auf den Sack. Aber sich jetzt nur hinzustellen, "Fuck die AfD", das wird jetzt keinen AfD-Wähler wirklich beeindrucken. Das wird nichts verändern. Wir versuchen immer so ein bisschen eine Dialogband zu sein, bis zu gewissen Punkten zumindest. Klar, irgendwann ist es natürlich auch mal gut. Und ich glaube, das ist ein wenig auch die Kernkompetenz unserer Songs, dass wir immer sehr autobiografisch in unseren Texten sind, aber auch nicht unbedingt immer den erhobenen Zeigefinger hochhalten wollen.

Chris: Matze ist natürlich auch weiterhin im sozialen Spektrum tätig, führt einen Jugendclub und hat halt auch mit Kids zu tun, wo es jetzt gerade um Depressionen geht und nicht nur immer Nazis oder rechts oder links, sondern auch um Leute mit psychischen Problemen. Und von daher kommen auch solche Texte wie 'Alle Tragen Schwarz' oder 'Blut Auf Dem Asphalt'. Wenn man abends nach Hause geht und hat in den Nachrichten gehört ein Mann wurde angezündet oder sowas. Ja, man ist da, man hat es gesehen.

Findet ihr, dass Musiker grundsätzlich politische Aussagen treffen sollten? Oder sagt ihr: Wir machen das für uns, aber ich kann auch gut mit einem RONNIE JAMES DIO leben, der hauptsächlich über Regenbogen und Einhörner singt.

Ramin: Also wir haben gerade gestern im Bus mit SCHIMMERLING sehr lange über METALLICA gequatscht und irgendwie sind wir auch dahin gekommen. Es ging dann um Hetfield, der angeblich so ein Waffennarr ist und seine eigene Ranch hat, wo er Leute einlädt und die können da irgendwie rumballern. Da dachte ich mir zum Beispiel auch, die müssen sich von mir aus jetzt nicht politisch äußern. Also ich bin grundsätzlich schon dafür, dass sich Bands politisch äußern und positionieren, aber bei manchen muss es einfach nicht sein.

Matze: Ja, ich sehe es ein bisschen anders. Ich bin schon der Meinung, jetzt auf den Kosmos Deutschland bezogen, sind die Zeiten einfach so, dass jeder Künstler echt die Verantwortung hat, sich schon zu positionieren.

Ramin: Ja, aber im Beispiel von METALLICA meinte ich das ja so, dass es zu erwarten wäre, dass jetzt Hetfield halt rauskommt und sagt, er findet halt vielleicht Trump ganz geil. Du redest jetzt vom Positionieren, alle gegen rechts positionieren und so. Ich rede vom Positionieren, egal wo jemand steht. Und dann brauch ich von gewissen Bands einfach nichts hören. Ich würde METALLICA immer noch hören, aber wenn Bands so eine Reichweite haben, muss man sich nicht unbedingt so aussprechen.

Matze: TAYLOR SWIFT hats gemacht und ich fands geil. Ist halt wirklich ein schwieriges Thema, Es ist halt immer eine Gratwanderung. Jetzt auch in unserer Szene hat man schon bei einigen Bands manchmal so ein bisschen das Gefühl, das geht mir persönlich jedenfalls so, das ist auch ein ganz gutes Marketing-Tool. Es werden diese woken linken Themen aufgegriffen und da dreht sich dann halt um nichts anderes mehr. Da wird der komplette linke Katalog runtergearbeitet. Da denke ich relativ schnell, das finde ich jetzt irgendwie ein bisschen zu platt. Es gibt aber eben auch Bands, ob man die jetzt mag oder nicht, nimm zum Beispiel ZSK, die halt einfach schon super lange mit "Keinem Bock auf Nazis" am Start sind, also die schon immer an vorderster Front dabei waren und so weiter. Und dann halt eben die DONOTS, auch MADSEN. das sind so Bands, wo ich sage, das ist authentisch. Die sind immer wieder aktiv, auch bei Veranstaltungen. Die haben sich schon immer positioniert und auch wirklich was gemacht. Aber es gibt halt eben auch andere Bands, finde ich, wo es dann wirklich so ein bisschen einfach gestrickt ist. Also wie gesagt, auf dem Konzert irgendwie "Nazis raus" zu brüllen, ist mir zu einfach in meiner Welt. Und da sollte man dann vielleicht manchmal auch mal einfach die Fresse halten. Mich nervt es tatsächlich auch, dass zum Beispiel deutsche Mainstream-Künstler, also eben so ein SKI AGGU, eine SHIRIN DAVID und so weiter, also Künstler, die viele junge Leute erreichen, und junge Leute sind ja momentan das absolute Kernziel-Publikum der AfD, weil die AfD ja extrem stark auf Social Media ist und junge Leute abgreift. Und bei solchen Leuten, da fehlt es mir einfach. Die leben in ihren Musikvideos ein bisschen dieses bunte, weltoffene Weltbild und so weiter. Die haben eine unfassbare Reichweite und die machen es einfach nicht. Und das ist einfach ganz, ganz oft, weil einfach deren Managements dahintersteht und sagt: "Ey, wer das macht, dem muss klar sein, die AfD ist im Mainstream angekommen, dann bricht euch auf jeden Fall auch eine Hörerschaft weg." Und das Ding ist, die Plattenindustrie spielt da leider auch teilweise ein ziemlich beschissenes Spiel mit.

Chris: Also ich wollte sagen, grundsätzlich ist keine Band unpolitisch. Du kannst keine unpolitische Musik machen. Sobald du in der Öffentlichkeit bist, musst du dich positionieren. Das ist meine Meinung. Also du kannst jetzt nicht sagen, ich mache jetzt gar nichts und singe über Einhörner und Regenbogen. Geht schon, aber ich meine, für mich persönlich, das ist ja meine Meinung, gibt es keine Unpositionierung. Politik ist ja nicht nur links und rechts. Ich denke, das ist einfach auch mal okay, wenn man sagt: "Liebe jeden und seid immer nett." Das ist auf eine Art auch eine politische Aussage und bei manchen Parteien trifft es zu, bei manchen wiederum nicht. Aber es ist eine Grundlebenseinstellung. Wirklich kein einfaches Thema offensichtlich. Mach mal die nächste Frage. [Allgemeines lachen!]

In dem Zusammenhang ist immer die Frage nach Zivilcourage spannend. Denn das kommt ja in den Texten dann auch ganz oft vor, die Forderung nach Zivilcourage. Was bedeutet das denn in dem Zusammenhang jetzt für dich? Wenn du die Texte schreibst, Nimm 'Schöne Neue Welt' als Beispiel, da ist ja eine harte Message drin oder auch 'Alle Tragen Schwarz'. Jeder weiß es und jeder schaut weg. Es wäre eigentlich nötig, dass was getan wird. Wie sollte man die Zivilcourage deiner Meinung nach besser leben?

Matze: Ich glaube, jeder hat die Möglichkeit, auf ganz, ganz vielen Ebenen diese Welt ein Stück besser zu machen. Und wir machen auch immer eine Ansage auf den Shows, dass wir sagen: "Ey Leute, wenn ihr nach Hause geht und ihr habt irgendwie Leute um euch rum, das können die Eltern sein, Geschwister sein, Freunde sein, nicht immer nur SMS und WhatsApp schicken." Wir legen den Leuten halt schon ans Herz und sagen: ruft einfach mal durch, fragt auch einfach mal die Leute um euch rum, wie es denen geht und so weiter. Auch einfach im Alltag, den wir alle haben. Wir leben alle sehr, sehr privilegiert hier in diesem Land und das vergessen wir immer ganz, ganz schnell. Nimm die Corona-Zeit, muss man einfach sagen. Natürlich hat uns das als Künstler hart gefickt, aber im Endeffekt, wir leben in einem Land, wo es eine Krankenversicherung gibt, wo du nicht verhungerst, du hast hier ein Dach über dem Kopf und so weiter. Dass es Ungerechtigkeit gibt - keine Frage, aber wir sind immer sehr, sehr schnell dabei, irgendwie über alles zu meckern und denken gar nicht drüber nach, dass es Menschen gibt, den es wirklich beschissen geht. Menschen, die irgendwie wirklich ganz unten angekommen sind und das vielleicht sogar noch unverschuldet und so weiter. Und es sind meistens die Kleinigkeiten. Im politischen Rahmen ist es eben auf die Straße gehen, irgendwie bei Demonstrationen einfach seine Fresse hinzuhalten, um einfach zu zeigen, es sind mehr Leute, es sind immer noch Leute da. Das sind auch Signale. Sich eben einfach zu engagieren. Wir machen bei uns im Jugendzentrum auch immer regelmäßig kleine Konzerte mit diesem Background, wo wir die Leute einladen, mit ihnen reden oder Ende des Jahres spielen wir immer Konzerte, sammeln dann Kohle für ein Kinderhospiz und so weiter. Und ich glaube, jeder kann so in seinem Lebenskosmos kleine Dinge tun, die die Welt besser machen. Wenn ganz viele Leute ganz viele kleine Dinge tun, dann ist es schon was Cooles. Also keiner erwartet jetzt, dass sich jetzt irgendwie 600 Fans von uns morgen auf die Straße kleben, wäre jetzt auch irgendwie viel zu viel. Aber ich glaube, wenn man manchmal so ein bisschen den Arsch hoch bekommt, dann ist das schon viel. So wie es in 'Schöne Neue Welt' auch besungen ist, also den Arsch hoch oder hast du einfach keinen Bock drauf gerade? Und ich glaube, jeder kann sich so ein bisschen hier und da an die eigene Nase fassen und ein wenig mehr machen. Also auch uns eingenommen.

Chris: Ich denke, der Schlüssel ist, den Leuten ein Bewusstsein dafür zu geben oder zu sagen so "Hey, guck mal, meld dich doch mal bei dem." Du hast jetzt seit einem halben Jahr nichts mehr von ihm gehört, denkst wahrscheinlich alles klar, wenn er sich nicht meldet, geht es ihm gut. Die Gesellschaft heutzutage ist sowieso eher so, dass jeder im eigenen Kosmos guckt, dass es ihm gut geht. Aber ich denke, dass es einfach auch eine gewisse Awareness geben muss, dass man sagt, ey, weißt du was, Familie, deine Freunde, das ist das Wichtigste, das ist das Einzige, was du hast, wenn es mal hart auf hart kommt. Und da ein Bewusstsein für zu entwickeln und zu sagen, so melde dich mal persönlich.

Matze: Es sind viele kleine Sachen. Bei uns gibt es ein paar junge Leute, die haben sich über eine Facebook-Gruppe gefunden, die gehen regelmäßig einfach bei uns Müll sammeln. Die sind einmal im Monat da am Start und dann gehen dann komplett überall in den Kindergärten vorbei, sammeln den Müll zusammen, weil sie sagen, "Ey, kannst du auch ein Bierchen bei trinken." Aber sie wollen halt irgendwie was Gutes machen, was Sinnvolles machen. Mega. Sowas reicht doch oft schon.

Noch mal ein bisschen in Richtung Musik. "Irgendwas Ist Immer" ist schon eine ganze Weile draußen. Jetzt spielt ihr schon den zweiten Tourzyklus dazu. Wie geht es denn weiter? Wann gibt es denn neues Material außerhalb von einzelnen Songs auf YouTube?

Chris: Also wir werden auf jeden Fall demnächst noch mal was raushauen, aber ich weiß gar nicht, was jetzt so spruchreif ist. Eigentlich ist noch nichts spruchreif. Aber es wird was geben.

Matze: Also gerade, wenn man uns lange verfolgt hat, weiß man ja, dass wir eigentlich immer was machen. Wir lassen ja nie lange große Pausen, weil wir ja auch selber so viel Output immer haben. Wir haben selbst zwischen den Alben noch unsere EP rausgebracht und eine Standalone-Single und so weiter, weil es uns selber immer unter den Fingernägeln brennt, wir immer Bock haben. Also wir werden jetzt hier keine Dreijahrespause machen, bis die nächste Platte kommt.

Chris: Ja, zumal ja auch jetzt für nächstes Jahr bestätigt wurde, dass wir den HÄMATOM-Support spielen. Von daher werden wir den Rückenwind entsprechend mitnehmen und was hinterherhauen. Man darf auch nicht vergessen, nächstes Jahr werden wir zehn Jahre alt. Da müssen wir uns auch noch was Schickes ausdenken. Also keine Sorge, es wird auf jeden Fall Nachschub geliefert!

Die Fans werde sich bestimmt jetzt schon drauf freuen. Apropos Fans! Habt ihr ein besonderes Erlebnis mit Fans, das euch ganz speziell in Erinnerung geblieben ist?

Yuri: Ohhhh!!!!

Matze: Naja, also läuft hier irgendeine Aufnahme. [Allgemeines Gelächter]

Ramin: Du hast bei unseren Gigs eigentlich immer so ein Erlebnis. Denn dass die Fans immer so eine geile Show für uns mitorganisieren, das ist jeden Abend ein Erlebnis. Diese ganzen Specials, die passieren, die kommen ja eigentlich von denen. Wenn die Luftballons fliegen und sowas. Die Show das ist eigentlich immer das geile Erlebnis mit den Fans.

Chris: Ja, also unsere Moshpit-Crew, so der harte Kern, was die immer bei den Konzerten veranstalten, finden wir eigentlich immer toll. Es ist immer irgendwie eine Überraschung. Okay, jetzt auf der Tour weiß ich, was mich erwartet, aber bei den ersten Shows war das so: "Okay, jetzt fliegen hier 150 Ballons durch die Gegend, riesige Bälle, jetzt sind Knicklichter an, dann kommen auf einmal Seifenblasen."

Yuri: Also mich kickt immer noch, wenn am beim letzten Song die Fahnen hochgehen. Man weiß es zwar, aber das ist einfach so cool. Man fühlt sich wie in einem Stadion. Mir bleibt dann immer die Spucke weg.

Matze: Es gibt immer viele Momente mit Fans, die einen berühren. In Münster war jetzt eine Situation, da war meine Frau am Merchandise und da ist ein Typ mit seiner Frau zu meiner Frau gegangen und hat gesagt: "Du drück mal deinen Mann ganz lieb. Vor zwei Jahren ging es mir so schlecht, dass ich hier mit Suizidgedanken am Start war. Sag Matze mal danke dafür, weil mir die Musik den Arsch gerettet hat!" Und er hatte total Tränen in den Augen. Und das hat meine Frau mir dann am nächsten Morgen erzählt und da war dann so: "Ui!", also das geht dann schon nicht so an einem vorbei. Das haben wir schon ein paar Mal gehabt. Da stehen ja teilweise wirklich Zwei-Meter-Kawenzmänner vor dir, die dann anfangen zu weinen, und das geht nicht so spurlos an dir vorbei. Man merkt dann doch schon, dass man da bei den Leuten irgendwas auslöst, was in mir eben auch was auslöst.

Ramin: Gestern hatte ich nach dem Gig noch ein schönes Erlebnis. Ich stand ja ziemlich lange vorne am Merch, und dann war da so eine Gruppe von etwas älteren Herrschaften. Es war ein Kerl und drei Frauen und beim Tschüss-Sagen hat er so angehalten und gesagt: "Ich habe vor achtunddreißig Jahren das erste Mal METALLICA live gesehen. Aber ihr wart heute mindestens genauso geil." Vor achtunddreißig Jahren bin ich geboren. Fand ich krass, weil das ist halt schon, ich würde mich niemals in dieser Band in die Liga von METALLICA verfrachten. Jetzt nicht vom Bekanntheitsgrad, sondern auch von der Innovation der Musik her. Denn die haben halt eine ganze Musikrichtung begründet, und wir machen hier so ein bisschen Pop Punk. Wenn dann sowas von so einem jemand etwas älteren kommt, dann denke ich mir so, das ist ein krasses Kompliment.

Und was berührt euch neben der Musik, oder anders gefragt, welche Hobbys habt ihr sonst noch?

Yuri: Fotografieren und Inlineskaten.

Matze: Ich drehe Videos für andere Bands. Das ist aber vom Nebenjob eigentlich so zum mega Hobby geworden. Ich liebe das. Also wenn ich noch mehr Zeit hätte, wäre es mein Traum mal einen Kurzfilm zu drehen. Horror-Genre oder so, da fahre ich voll drauf ab.

Ramin: Arbeiten!

Matze: Du lebst dein Hobby ja wirklich aus. [Gelächter]

Chris: Ich hab Musik. Neben der Musik mache ich Musik.

Musik ist ja auch das coolste aller Hobbys. Was ist euch denn wichtiger, wenn ihr Songs schreibt, eher die Lyrics oder die Musik?

Ramin: Also mir persönlich ist Text ehrlich gesagt relativ egal. Auch wenn ich selber Musik höre, achte ich null auf die Texte. Gar nicht. Für mich sind Melodien alles. Aber das ist nur ganz subjektiv so. Ich könnte selber nie einen Text schreiben.

Chris: Ja, aber du hörst auch fast nur englische Musik, oder? Ich finde, bei deutscher Musik ist es essenziell, dass der Text eine Aussage hat. Wir Leben im Land der Poeten und Dichter. Wir brauchen einen vernünftigen Text.

Ramin: Uns ist in den Reviews zu unserem letzten Album irgendwann aufgefallen, dass keiner Bezug auf die Komposition nimmt. Also ja meistens sowas wie: Geiler Refrain, geht ins Ohr. Aber niemand hat zu den Kompositionen auch nur ein Wort verloren, es geht nur um die Texte. Da habe ich gedacht, ja gut, da können wir irgendeine Scheiße zusammenschreiben, komponieren. Hauptsache der Text ist halt irgendwie gut.

Chris: Nee, grundsätzlich ist uns natürlich die Musik extrem wichtig. Denn wir schreiben natürlich auch nur die Musik, die uns gefällt. Wir sind alle Musiker und können alle Songs schreiben. Natürlich ist die Musik meistens auch immer der erste Baustein eines neuen Tracks. Aber grundsätzlich steht und fällt der Song mit den Lyrics. Wenn der Text kacke ist, dann kannst du den Song in die Tonne treten. Dann kannst du den besten Instrumental-Song schreiben, den du willst. Du musst musikalisch die Energie transportieren, den der Text irgendwie rüberbringen will.

Und was wollt ihr mit guter Musik und guten Texten, also mit ENGST, noch erreichen?

Yuri: Ich würde mir ein Nummer-Eins-Album wünschen. Ich komme aus einer Zeit, wo die Charts noch einen großen Stellenwert hatten. Und das ist nur nostalgisch betrachtet, aber das fände ich ganz schön.

Matze: Also für mich wäre es einfach, das zu packen, dass wir einfach nur die Musik machen können. Es geht mir gar nicht darum, jetzt irgendwie reich zu werden oder so ein Quatsch, aber einfach mein normales Leben zu leben und uns nur darauf konzentrieren zu können. Eine Tour zu fahren, ohne dass man nach Hause kommt und denkt: Um Gottes Willen, ich bin um 50 Jahre gealtert und muss jetzt gleich wieder auf Arbeit. Also wir sind natürlich auch einfach keine zwanzig mehr. Und das ist schon für uns so der Traum zu sagen, dass wir einfach nur noch das machen können, um diese Qualität der Musik auch einfach zu erhalten. Auch die Live-Shows so zu erhalten und man sich einfach nur noch darauf konzentriert und eben dann auch dadurch gesehen Zeit hat für ein Privatleben, weil das ist teilweise wirklich ein hartes Brot, wenn man neben der Band noch vierzig Stunden arbeiten geht.

Ramin: Ja, wenn wir nur Musik machen könnten, würden wir vielleicht schon ein wenig weiter sein.

Chris: Also die Arbeit, die hindert uns eigentlich mit der Band komplett zu florieren. Aber es zeigt, wie krass wir beißen! ]Alle reißen die Arme hoch und schreien laut JAAAAAA!!!]

Dann drücken wir mal die Daumen, dass ihr dieses Ziel bald erreicht. Zum Abschluss hab ich noch ein paar Quickies. Haut einfach raus, was euch einfällt. Welches Album hast du dir zuletzt als physischen Tonträger gekauft?

Matze: ALEX MOFA GANGs neues Album "Euphorie Am Abgrund".

Chris: Was ist ein physischer Tonträger? [Allgemeines Gelächter] Ich glaube, das muss zwanzig Jahre her sein. Also seit MP3s draußen sind, habe ich mir nichts mehr gekauft. Wie lange ist das her?

Ramin: Vor zwanzig Jahren habe ich erst angefangen Alben zu kaufen. Das Erste, was mir jetzt einfällt, ist von einem meiner Alltime-Lieblings-Metal-Band SYMPHONY X, das vorletzte Album. Das letzte habe ich schon nicht mehr gekauft.

Yuri: "Fortress" von PROTEST THE HERO. Die habe ich mir sogar im Media Markt bestellen lassen damals.

Chris: Jetzt weiß ich es wieder! Ich habe auf einem Konzert ein Album gekauft, weil mir die Band so gut gefallen hat. Deswegen wollte ich die supporten. Aber ich habe es halt nie eingelegt und es liegt immer noch im Schrank. Das muss 2016 gewesen sein bei ANIMALS AS LEADERS und deren Support INTERVALS haben mich damals so begeistert, dass ich deren Album vor Ort mitgenommen habe.

Okay, machen wir es ein bisschen einfacher. Was war das beste Album, dass du in den letzten zwölf Monaten gehört hast?

Ramin: Glaube für mich ist es LORNA SHAW. Das ist eine Death Metal-Band.

Chris: "The Crucible Of Life" von THE HOME TEAM.

Matze: Die Neuauflage von "Pocket Rock" von den DONOTS. Die haben jetzt nach zwanzig Jahren die Platte noch mal neu gemacht und das war damals meine Jugendzeit.

Wir werden immer einfacher. Was ist denn euer aktueller Lieblingssong?

Matze: 'Atlantic City' von BRUCE SPRINGSTEEN.

Chris: Ich glaube ich habe fünfzig Lieblingssongs. Es kommt immer auf die Stimmung an und auf die Lebenslage. Aber den, den ich mir immer anhören kann, ist der Song von EVERYTHING EVERYTHING. Ich weiß noch nicht mal den Namen. Siehst du, krasser Lieblingssong. Ah jetzt! Er heißt 'Cold Reactor'.

Yuri: 'Falschrum' von TELE, falls vielleicht TELE jemand kennt.

Ziehen wir das Level noch mal ein wenig an. Wenn du aussuchen könntest, was der letzte Song ist, den du jemals hörst. Welcher sollte das sein? Weil, in der Regel weiß man das ja nun nicht, dass es der letzte ist.

Chris: 'Bohemian Rhapsody'.

Ramin: Die Main-Theme von JURASSIC PARC.

Yuri: 'Careless Whisper' von GEORGE MICHAEL. [Gelächter]

Matze: 'She Drives Me Crazy' von den FINE YOUNG CANNIBALS.

Erklär doch mal in einem Satz einem Alien, warum er ENGST hören sollte. Deswegen lohnt es sich, auf die Erde zu kommen, und bitte höre ENGST.

Chris: Wow!???

Matze: Weil du nicht nur Musik bekommst, sondern wenn du ein Konzert von uns besucht hast, wirst du sehr, sehr viele neue Freunde haben.

Chris: Ich würde sagen, guck dir fünfzig andere Bands an außer uns. [Gelächter]

Yuri: Ich glaube Karussell der Emotionen. Du wirst alle menschlichen Emotionen bei unserem Konzert erleben und bekommst das Potpourri der Gefühle.

Matze: Du kriegst auch einfach alle Musikrichtungen. Geh ich mal zu Punk? Oder Metal? Oder Pop? Ich weiß nicht. Ach, geh zu ENGST!

Kommen wir doch wieder zu was Irdischerem. Zusammenstellung der Wunschband. Jeder von euch schickt seinen Lieblingsmusiker an seinem Instrument in eine Band. Los geht's!

Yuri: Dann bin ich Lars Ulrich! Neee! [Lacht]

Matze: Ach, eine Sache mit wenig Talent und viel Überzeugung durchziehen, oder wie? [Allgemeines Gelächter]

Ramin: Victor Smolski.

Matze: Tom Petty.

Chris: Lemmy.

Yuri: Im Ernst, dann nehme ich Joey Jordison.

Wenn ihr mit einem beliebigen Künstler zusammenarbeiten könntet, egal ob er noch lebt oder nicht, mit wem würdest du gerne mal arbeiten?

Matze: Und noch mal Tom Petty!

Yuri: Mozart, mit dem würde ich gerne chillen.

Chris: Oh ja, Mozart. Doch, das war ein Ferkel. Mit dem würde ich gerne mal abhängen.

Ramin: Ich würde eher so mit Hans Zimmer gerne mal quatschen.

Chris: Ehrlich? Ich eher lieber John Williams. Ja, ich bin bei Mozart und John Williams.

Gibt es denn ein Zitat, was euch so durch eure Leben begleitet? Und wo ihr sagt, das hängt immer so überm Bett?

Ramin: Also bei mir hing früher über dem Bett immer: Hast du heute schon Gitarre geübt? [Gelächter]

Chris: Ich glaube, mich begleitet immer: behandle die Menschen so, wie du selber behandelt werden willst.

Matze: Am Ende wird alles gut.

Das ist doch ein schönes Schlusswort! Am Ende wird immer alles gut. Wir sind damit auch schon beim Ende unseres kleinen Interviews. Viel Spaß beim Gig nachher und danke für die Zeit, die ihr euch für das Bleeding4Metal genommen habt!

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