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"Fachkräftemangel" ist ein Wort, was man seit Jahren in der deutschen Politik und Öffentlichkeit in den verschiedensten Blickwinkeln gerne einmal hört. Die sogenannten "Babyboomer" sind auch eine vielgescholtene Gruppe, denen in den letzten Jahren von jüngeren Generationen alles Übel der Jetzt-Zeit als Verantwortlichkeit an die Hacken geheftet wird. Wie auch immer man dazu jeweils stehen mag, an diesem bereits relativ lauen Abend eines Mai-Sonntags versammeln sich jedenfalls friedlich Unmengen aller Altersklassen vor und in der Dortmunder Westfalenhalle, um dem Auftakt der Deutschland-Tour einer Band deutlich im Rentenalter beizuwohnen. Hannovers Finest, Deutschlands größter harter Export neben RAMMSTEIN, niemand Geringerer als die legendären SCORPIONS geben sich hier nämlich heute die Ehre.

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Die SCORPIONS... waren das nicht die, die schon vor mehr als 10 Jahren eigentlich in Rock-Rente gehen wollten? Ja, genau die - und seitdem gab es nach dem geplanten Abschiedsalbum bekanntlich neben Kompilationen auch durchaus zwei starke neue Alben und eben zum neuesten Werk "Rock Believer" steht die Band um Klaus Meine und Rudolf Schenker heute nach dem schon lange erfolgten Rücktritt vom Rücktritt hier später auf der Bühne.
Corona und seine Unwägbarkeiten haben die Tour nochmals ein Jahr rausgeschoben, aber offenbar hat das dem Verkauf jedenfalls nicht geschadet oder sogar gut getan, denn die Bude ist wie gesagt heute voll.

Ein erster sehr positiver Eindruck ergibt sich gleich nach dem Betreten der Halle am Merchstand, denn im Gegensatz zu vielen Kollegen haben die Herren offenbar ihre eigene Preisbremse gezündet. Preise zwischen 30 und 35 Euro für die Shirts sind in der heutigen inflationsgeplagten Zeit echt im Rahmen und so scheint der Zuspruch auch gut zu sein. In der Halle selbst haben mittlerweile die netten Damen von THUNDERMOTHER ihr Set als Supportact auf der Tour eröffnet. Die Schwedinnen um Filippa Nässil haben mit Linnéa Vikström seit diesem Jahr eine neue Sängerin am Start, aber insgesamt wirkt das schon ordentlich eingespielt, was die Band heute präsentiert. Der weibliche Hard Rock hat ordentlich Saft und unterhält durch das ganze Set, verbunden mit einem gekonnten Posing aller auf der Bühne, durch die Bank gut. Songs wie 'Loud And Free', 'Try With Love', 'Dog From Hell' oder 'Hellevator' machen in einem Set mit leichtem Fokus auf das aktuelle Album "Black & Gold" durchaus Freude und so gibt es mehr als nur einen Höflichkeitsapplaus.

Doch machen wir uns nichts vor, die meisten Leute sind heute eben dann wegen der Band hier, die seit ihren Ursprüngen 1965 (so ist es stolz auf Bechern und Shirts am Merchstand teils zu lesen) nunmehr seit fast 60 Jahren die Welt rockt und dabei in ihrer Langlebigkeit fast in die Regionen der ROLLING STONES spielt. Ziemlich pünktlich um 21 Uhr herum kommt ein Vorhang vor die Bühne, der, als er fällt, einen zweiten Vorhang enthüllt mit der Frage "Are You Ready To Rock?". Als der fällt, dürfte ziemlich klar sein, ja, das Publikum ist heute mehr als nur bereit dazu.

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Und bereits der Opener 'Gas In The Tank' vom aktuellen Werk samt passenden Animationen auf der durchaus beeindruckenden Bühne zeigt, dass die Herren auf der Bühne noch mehr als nur ein bisschen Sprit im Tank haben, denn die Band rockt vom ersten Song an gewaltig. Weiß Gott, die Setlist ist natürlich ein Ritt durch eben fast 60 Jahre Bandgeschichte, bei der die wesentlichen großen Klassiker alle ebenso ihre Zeit bekommen wie eben auch ein paar neue Songs. Es ist für viele Bands in diesem Stadium ihrer Karriere ja bereits nicht mehr üblich, überhaupt mit neuen Songs oder gar Alben um die Ecke zu kommen, aber die SCORPIONS präsentieren ihr neues Material mit Stolz.

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Das größte Kompliment, was man insofern machen kann, ist meines Erachtens das, dass sich eben all diese neuen Titel problemlos neben den Klassikern und großen Hits in eine homogene Setlist einfügen und keinen Stimmungsabfall verursachen. Klar, das Album ist auch stark, aber eine Selbstverständlichkeit ist das live jedenfalls nicht. Jenseits einer tollen Setlist und beeindruckenden Bühne, wie machen sie sich denn nun mit fast Mitte Siebzig so auf der Bühne, die großen alten Herren des deutschen Hard Rocks? Definitiv nicht wie Rentner, sondern wie hochsouveräne Musiker, die vor allem einen Heidenspaß daran haben, auch nach fast 60 Jahren (ich kann nicht müde werden, das zu betonen) immer noch gewaltig abgefeiert zu werden.

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Rudolf Schenker hat die großen Posen immer noch drauf (heute mit Cowboy-Hut) und ist beachtlich agil, Matthias Jabs ist eine gewohnt sichere Bank und ja, Paweł Mąciwoda am Bass macht das auch schon satte 20 Jahre, und das gewohnt gut. Mikkey Dee am Schlagzeug verleiht den SCORPIONS seit seinem Einstieg vor auch schon immerhin sieben Jahren die gewohnte Power, die ihn spätestens bei MOTÖRHEAD schon zu einer eigenen Legende gemacht hat. Klaus Meine mag sich vielleicht ein bisschen umsichtiger und bedachter bewegen als früher, hat aber natürlich die Rolle als Frontman immer noch voll drauf. Vor allen muss man beeindruckt feststellen, dass der Mann, der umgedrehte Mützen zu einem echten Markenzeichen machte (und diese heute mehrfach wechselt), stimmlich auch mit 74 noch verdammt gut dabei ist. Die Verschnaufpause, die man ihm alle paar Songs mal gönnt, hat der Mann sich redlich verdient, denn das ist immer noch ganz großes Kino am Mikrofon.

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Die Töne sitzen, da flattert bestenfalls das Hemd und insgesamt präsentiert sich die Band heute wieder einmal gewohnt sympathisch und bodenständig. In der zweiten Hälfte des Sets wird natürlich auch 'Wind Of Change' ausgepackt, erwartungsgemäß in der von Klaus umgetexteten Version für die Ukraine. Das mag man sehen, wie man will, und ich muss ehrlich sagen, dass ich jenseits aller politischen Fragen allein wegen der Erinnerung, die ich selbst mit der Originalversion verbinde, definitiv diese bevorzuge. Allerdings hat Klaus den Über-Hit nunmal geschrieben und darf ihn deswegen halt auch in den Strophen so singen, wie es ihm aktuell besser gefällt. Dem Publikum tut es jedenfalls keinen Abbruch und der Song wird lauthals mitgesungen. Als letzten Song vor dem Ende des regulären Sets gibt es mit 'Big City Nights' einen weiteren Hochkaräter, der natürlich ebenso total abgefeiert wird... aber an sich gibt es heute Abend eben nur Hochkaräter zu hören.
Die Zugabe ist mit zwei weiteren Über-Songs in Gestalt von 'Still Loving You' und dem unvermeidlichen, aber auch komplett unverwüstlichen 'Rock You Like A Hurricane' ebenfalls bestens besetzt. Abgesehen von der grandiosen Stimmung sehr sympathisch und rein gar nicht zeitgeistig: zum Ende der Zugaben packt Klaus sich eine SCORPIONS-Deutschlandfahne um die Schultern mit der Botschaft, wie sehr man die Fans live vermisst habe. Und dass er damit minutenlang noch umherläuft und sich kräftig bedankt, ist so angenehm unprätentiös wie ungewohnt in der heutigen Zeit, dass es eben zeigt, dass Hannover vielleicht doch ein Pflaster ist, was auch Weltstars vollkommen erden kann. So endet nach gut 105 Minuten ein fantastisches Konzert einer Band, die wirklich noch nicht reif für den Ruhestand ist.

Ja, wenn die SCORPIONS jetzt gingen, wäre das definitiv eine Manifestation des Fachkräftemangels im Rockbereich, denn das machen und können so nunmal nicht viele. Dass sich Boomer und Youngster im bunt gemischten Publikum heute jedenfalls bestens verstehen, ist auch ein Zeichen, was diese Altvorderen auch im Jahre 2023 noch bewegen können. Ein großer, mehr als nur überzeugender Auftritt, der hoffen lässt, dass die SCORPIONS ähnlich den ROLLING STONES einfach auf die Rente pfeifen und so lange auf der Bühne stehen, wie sie offenbar noch so viel Spaß wie heute haben.

Setlist SCORPIONS

01. Gas In The Tank
02. Make It Real
03. The Zoo
04. Coast To Coast
05. Seventh Sun
06. Peacemaker
07. Bad Boys Running Wild
08. Delicate Dance
09. Send Me An Angel
10. Wind Of Change (Ukraine version)
11. Tease Me Please Me
12. Rock Believer
13. New Vision (Drum Solo)
14. Blackout
15. Big City Nights
Encore:
16. Still Loving You
17. Rock You Like A Hurricane
Location Details
Westfalenhalle in Dortmund (Deutschland)

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