Livebericht Memoriam (mit Obscure Infinity und Angelcrypt) |
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Ein Livebericht von Krümel aus Andernach (Juz-Liveclub) - 10.03.2018 (35860 mal gelesen) |
Schon im Vorfeld fragten sich viele Leute, wie wohl MEMORIAM bei ihrem ersten Besuch im Andernacher JUZ-Liveclub aufgenommen werden würden. Karls Vorgängerband, BOLT THROWER, machte ja schon diverse Male Station in Andernach, wobei das letzte Konzert in rekordverdächtigen wenigen Tagen ausverkauft war. Nicht schlecht staunen wir, dass wenige Minuten nach Einlass der Platz vor dem Club beinahe leergefegt aussieht. Auch drin tummeln sich erst wenige dutzend Menschen, was angesichts des heutigen Line-ups schon ein wenig merkwürdig anmutet. Dass sich dies noch ändern würde, das erfahrt ihr aber noch später in diesem Bericht. DISCREATION haben die undankbare Aufgabe, das lose versprengte Publikum, welches sich vor allem hinten am Merch und in Eingangsnähe tummelt, auf Drehzahlen zu bringen. Aufgeben ist keine Alternative, sagen sich die Hessen, und legen nach dem Intro mit der Blutmühle los. 'The Blood Mill' vom aktuellen Album blastet dann auch wild los und ist in seiner Eingängigkeit ideal, dem Publikum schon mal bisschen den Nacken anzuwärmen. Mit dem darauffolgenden 'Breeding Terror' greift die Band dann alsbald tief in die Bandhistorie. Vocalist Marco - mittlerweile um seine Haare beraubt - ist kein Mann der großen Worte, aber er versucht immer wieder, das Publikum zum Näherkommen zu motivieren. Das klappt nur teilweise, was der Spiellaune der Band aber keinen Abbruch tut. Besonders die Drums tun sich hier gut hervor, denn die Blasts sitzen recht gut und die Band hat auch das Glück, als Opener einen recht ordentlichen Hallensound zu fahren. Lediglich von den Gitarren hätte ich mir etwas mehr Präzision gewünscht, denn gerade leicht chaotische Songs wie der aktuelle Titelsong 'End Of Days' verzeihen schon kleine Unsauberkeiten nur schwer. Die zweite Hälfte des Gigs gehört dann beinahe ausschließlich auch dem aktuellen Album und beinhaltet 'Let's Watch The World Burn', 'The Pentagram' und auch 'El Magico'. Währenddessen erinnert mich Fronter Marco das eine oder andere Mal an Phil Anselmo. Seine wilden Gesten, das Brustklopfen und sein grimmiger Blick passen zusammen mit der haarlosen Optik schon ziemlich gut auf das Südstaaten-Urgestein, auch wenn stilistisch natürlich keine Parallelen bestehen (und Phil dem Publikum auch gern mal die Taschen volllabert, wohingegen DISCREATION eher wortkarg agieren). Mit 'To Cosmic Shores' vom Vorgängeralbum endet der Gig mit einer breiten Midtempo-Walze und stimmt in seiner Brachialität schon mal ein bisschen auf den Headliner ein. Ein insgesamt guter Gig mit bösartigem Death Metal, der ein hohes Energielevel aufgeboten hat und den Opener-Slot auf hohem Niveau erfüllte. Etwas mehr Reaktionen vom Publikum hätte ich mir aber schon erwünscht. Bevor die zweite Band des Abends loslegt, muss natürlich noch umgebaut werden. Die Arbeiten gehen jedoch relativ zügig vonstatten. Auch im Innenraum vollzieht sich ein Wechsel, nämlich der des Publikums. Während die einen frische Luft schnappen gehen, wollen sich die anderen einen guten Platz sichern. Dies ist normalerweise von jeder Stelle des JUZ aus möglich. Zu diesem Zeitpunkt hält sich die Besucherzahl zwar in ordentlichen, aber dennoch überschaubaren, Grenzen. Somit hat jeder genügend Sicht auf die Bühne, auch von weiter hinten. Als die Lichter ausgehen, setzt das Intro ein und ANGELCRYPT entert die Bühne. Sänger Joe Grech, den Gitarristen Shawn Mizzi und Peter Grech, dem Basser Jean Cutajar und Drummer Robert Friggieri stammen aus Malta und hat sich schon seit vielen Jahren dem melodischen Death Metal verschrieben. Als sie mit dem Opener 'Shellshock' (welcher auf dem 2016er Langeisen "We Are The Dead" zu finden ist) das Set eröffnen, lassen sie an ihrer musikalischen Ausrichtung nicht zweifeln, vernimmt man doch kraftvolles, aber melodisches Riffing, Double-Bass-Gewitter und dunkle Growls. Bis dato kannte ich den Fünfer selbst nicht und frage mich, an wen mich der Sound wohl erinnert ... Für den ersten Song erntet man noch etwas zaghaften Applaus, das Publikum ist noch recht verhalten. Aber davon lässt sich die Band nicht abschrecken und macht direkt mit 'On Killing Fields' weiter. Als drittes Stück präsentiert man mit 'Iron Creed' einen ordentlichen Nackenmuskel-Trainer, so dass hier und da die Matten heftig mitschwingen. Mit der Zeit tauen die Zuschauer auf und gerade Fronter Joe versucht immer wieder die Stimmung anzuheizen. Als ANGELCRYPT die ersten Takte des folgenden Titels anspielen, fällt es mir endlich ein: die Musik ist von AMON AMARTH beeinflusst. Und so kommt das Cover 'Pursuit Of Vikings' natürlich passend. Spätestens ab diesem Zeitpunkt sind die Leute vor der Bühne vollends gut drauf und bangen zu 'Blasangriff' wieder willig mit. Bevor die Herren von der schönen Mittelmeerinsel mit 'The Black Hand' und 'Serpents Of The Somme' das Ende des Gigs einläuten, gibt es für das Andernacher Publikum aber noch eine Premiere auf die Ohren: 'Martyred Soul' wurde vorher nie live gespielt. Am Schluss ernten ANGELCRYPT mehr als nur Höflichkeitsapplaus - mit ihrer sympathischen, manchmal sogar etwas zurückhaltend wirkenden, Art hinterlassen sie nicht nur bei mir einen sehr positiven Eindruck. Das zeigt sich auch darin, dass die Band kurze Zeit später schon am Merchstand steht, um mit ihren Fans locker zu plaudern und natürlich Autogrammwünsche zu erfüllen. Nach den insgesamt nicht ganz so düster wirkenden Mannen aus Malta, steht als Nächstes der schwarzmetallisch angehauchte Oldschool Death Metal von OBSCURE INFINITY auf dem Programm. Die Truppe hat sowas wie ein Heimspiel, stammen Pascal, Stefan, Jules, Sascha und Manuel doch aus der näheren Region. Wobei Fronter Jules an diesem Tag aus Trier anreisen musste und erst kurz vor dem Auftritt eintrifft. Trotzdem kann die Show pünktlich beginnen und nach einem kurzen Intro brettern die Musiker gleich mit dem ersten Stück ordentlich los. OBSCURE INFINITY kommen gewohnt brachial und straight, in manchen Teilen fast räudig und auch ziemlich rasend daher. Allerdings spielt ihnen an diesem Abend die Technik nicht unbedingt in die Karten, denn leider ist der Sound mehr als suboptimal. Meistens klingt alles verwaschen. Davon lassen sich die Jungs aber nicht abschrecken und bieten in gewohnt dynamischer Live-Manier eine abwechslungsreiche Songauswahl aus ihrem gesamten Repertoire: z. B. 'Joyless Flesh' (von der 2013er Split-EP mit HUMILIATION), 'Sign Of Nightsky' (welches auf der 2011er Split "United In Death" mit PROFANAL veröffentlicht wurde), 'Sorcery Of The Black Souls (vom 2015er Album "Perpetual Descending Into Nothingness"), 'Transmitting Life To Darkness' und 'Sacrificial Ritual' (vom Debüt 2010 "Dawn Of Winter", das 2017 nochmal veröffentlicht wurde), 'Forlorn Wanderer' (vom 2015er Album "Perpetual Descending Into Nothingness") oder 'Maniac Destroyer' (vom 2008 Erstlings-Demo "Into The Depth Of Infinity"). Sowohl die durchdachten Kompositionen, deren Tempo zwischen treibenden, schnellen Teilen und langsameren, melodischen Parts wechselt, als auch Jules' intensive Performance tragen dazu bei, dass trotz des Matschsounds eine doomig-drückende und irgendwie faszinierende Atmosphäre entsteht. Und genau aus diesem Grund ernten OBSCURE INFINITY am Schluss des Gigs nicht nur verdientermaßen überaus großen Applaus, sondern es ertönen zum ersten (und wie sich nachher herausstellt) auch einzigen Mal an diesem Abend Zugabe-Rufe. Diese kann die Band zwar leider nicht erhören, aber es wird sie mit Sicherheit ziemlich freuen. Karl Willets hat um sich eine bunte Truppe versammelt. Am auffälligsten ist wohl das BOLT THROWER-Gründungsmitglied Andrew Whale an den Drums hervorzuheben. Mit seiner Glatze und der nerdigen Brille geht Andrew mittlerweile als stiller Akademiker durch, im Gegensatz zur ehemaligen CEREBRAL FIX-Saitenfront Frank Healy und Scott Fairfax, welche hier die Grind/Metal-Schiene auch optisch vertreten. Mit dem Opener des Debütalbums, 'War Rages On' geht es dann auch dampfwalzenmäßig los. Karl Willets ist bester Laune, als er die Bühne betritt. Und mit "bester" meine ich auch "bester". Auch mit BOLT THROWER habe ich ihn noch nicht motivierter erlebt. Das mag natürlich auch daran liegen, dass er wie immer wirkt, als hätte er schon mal ordentlich ein paar Promille in der Birne verankert. Das mag täuschen, aber seine tapsigen Ansagen und spitzbübischen Grimassen gehen schon stark in die Richtung, dass der gute Mann einer netten Party nicht abgeneigt ist. Im Vorfeld des Gigs gab es natürlich sehr viele Spekulationen darüber, ob sich MEMORIAM treu bleiben würden und auf BOLT THROWER-Songs verzichten, oder ob sie den Fans auch das geben würden, was viele insgeheim erhoffen. Schließlich wurde länger vor dem Gig kurzfristig eine Facebook-Info geleakt, dass MEMORIAM möglicherweise ein Special BOLT THROWER-Set spielen würden. Dem ist aber heute Abend nicht so. MEMORIAM bleiben komplett MEMORIAM und lassen die Toten ruhen. Stattdessen nutzen sie die Chance, sich als frische Band dem Publikum zu präsentieren. Mit 'Drone Strike' und 'The Soulless Parasite' gibt es direkt zwei Demo-Songs zu hören, die erst auf dem aktuell erscheinenden Zweitling ("The Silent Vigil") als offizielle Songs erscheinen werden. Damit setzen MEMORIAM natürlich das Kriegsepos der Vorgängerband fort und treiben es in eine neue technologische Ära. Der Sound ist etwas weniger brachial als bei der Legende und hat ein paar harmonischere, aber auch grindige Elemente zu bieten. Ordentlich Druck macht das Quartett mit nur einer Gitarre auf jeden Fall. Bevor es zurück zum Debütalbum geht, richtet Karl eine etwas längere Ansage an das Publikum, verzettelt sich natürlich hier und da in seinem sympathischen Geplapper, so dass Andrew in einer längeren Denkpause einfach das Drumintro für den nächsten Titel startet. Karl unterbricht ihn sofort mit einem Oberlehrerblick und dem Ruf: "Stop! I'm talking!". Britischer Humor, die Band grinst sich einen, der Drummer schaut kurz verlegen und wartet, bis das Sprachrohr ausgeplappert hat. Die zweite Hälfte des Sets wird durch das anfangs schleppende 'Resistance' eingeleitet, welches vom Sound manchen BOLT THROWER-Werken erstaunlich nahe kommt. Allerdings lässt Karl nach diesem Titel die Katze aus dem Sack und erklärt, dass man sich am heutigen Abend ganz den MEMORIAM-Stücken widmen wird und man keine BOLT THROWER-Songs spielen wird. Und auch in diesem Block gibt es mutig eine Reihe ganz frischer Stücke, die es erst eine gute Woche nach dem Gig auf "The Silent Vigil" in die Läden schaffen. Darunter auch 'No Known Grave' und 'The New Dark Ages'. So werden die anwesenden Besucher auch ohne aufgewärmte Kultwerke Zeuge eines spannenden Abends, denn egal, ob man sich mit MEMORIAM schon vorher beschäftigt hat oder nicht: ein spürbarer Teil der Songs war für alle Anwesenden gleichermaßen frisch und spannend. Die Briten füttern auf diese Weise angenehm anders als die meisten Bands das Underground-Feeling und setzen damit eine liebgewonnene Tradition Karls ehemaliger Brötchengeber fort. Dafür spricht auch, dass MEMORIAM komplett ohne Tourmanagement unterwegs sind und sich um alles selbst kümmern. Die Band hat hervorragendes Startkapital und ausreichend Eigenständigkeit, ohne die Altfans zu verprellen. Mit mehr Material in der Hinterhand werden sie sicher in wenigen Jahren zu den beachtetsten Bands der Szene zählen. Achja, nicht zu vergessen: "Die Becher sind echt klasse!!!" - mit besten Grüßen an die Herrin *fg* |