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Interview mit Alejandro von Mar De Grises

Ein Interview von Krümel vom 03.12.2008 (6553 mal gelesen)
Alejandro - seines Zeichens Drummer der chilenischen Doomster MAR DE GRISES gewährt uns Einblicke in die doch schwierige musikalische Metalwelt seines Landes und in die Arbeit der Band

  "Draining The Waterheart" ist ja jetzt schon einige Zeit auf dem Markt - wie waren die Reaktionen in den letzten Monaten?

Alejandro:   Recht gut. Um ehrlich zu sein, besser als ich erwartet hatte. "The Tatterdemalion" Album wurde sehr, sehr gut angenommen, daher dachte ich -abgesehen von der Musik an sich-, das neue Album würde es schwerer haben, die gleiche Akzeptanz zu erfahren. Man sagt ja, dass gerade das zweite Album, Buch, Gemälde oder der Film, etc. das Schwierigste in der Karriere eines Künstlers sei. Denn, wenn es genauso gut ist wie das erste, ist es ein Symptom dafür, dass deine erste Kreation nicht notwendigerweise ein Glückstreffer war...haha.

  Als Chilenen seid ihr ja quasi "Exoten" im Musikbiz. Wie kamt ihr selbst zur Musik? Und dann auch speziell zum Doom?

Alejandro:   Bedenkt man die Tatsache, dass wir recht weit weg von dort sind, wo sich der "Kern der Musik" befindet, sind wir wirklich exotisch. Bezüglich der Musik, die wir machen, haben viele Leute üblicherweise die ignorante Vorstellung, unser Land sei ein tropisches Land; manchmal wünschte ich mir, es wäre so, aber es ist keines. Derzeit haben wir die wasserärmsten Einöden/Wüsten der nördlichen Erdkugel. Der Süden ist relativ regenreich, so feucht und grün wie etwa Nordeuropa, so dass die Einflüsse dieser Bedingungen, die Einflüsse, die man üblicherweise mit Doom Metal verbindet, hier sehr präsent sind. Aber wir haben sie nicht zwangsläufig.

  Was bedeutet "Doom" für euch? Ist es evtl. ein Ausdruck eurer Persönlichkeit oder einfach "nur" ein Genre wie jedes andere?

Alejandro:   Doom ist ein sehr spezielles, persönliches und beschauliches Genre; Musik zum Nachdenken; tiefe und besinnliche Musik. Es ist eine Art Musik, die man durchlebt. Und ich stimme nicht mit der allgemeinen Beschreibung des Doom Metals als traurigen oder depressiven Stil überein. Die Tatsache, dass Doom besinnlich ist, bewirkt, dass Du in Dich gehst. Und wenn Du dort bist, ist die Möglichkeit dort etwas zu finden, das Dir missfällt, sehr groß; deshalb behälst Du es in Dir, weit weg. Das ist vielleicht der Grund zu der allgemeinen Annahme bzgl. Traurigkeit oder Depressivität, aber ich denke es muss nicht unbedingt so sein.

  Ist die Metalszene in eurem Land sehr groß?

Alejandro:   Nicht wirklich, obwohl wir viele Bands haben und davon einige wirklich gute. Es gibt auch gute und schlechte Konzerte,etc. gibt. Wir haben eine Metal Szene, aber die entwickelt sich erst noch.

  Wie ist die Verbreitung der Metalmusik in Chile: eher per Mund zu Mund Propaganda, oder gibt es auch einige Metalsendungen im TV oder Radio, mit Hilfe derer sich die Leute über Neuigkeiten und Veröffentlichungen informieren können?

Alejandro:   Es gibt nicht wirklich viele Sendegebiete für Metal. Fast überhaupt keine. Es ist sehr unüblich Metalprogramme im Radio zu haben, im TV gibt es noch weniger. Die härtesten Sachen, die man im Radio hört, sind Dinge wie MEGADEATH etc. aber sonst nichts. Du siehst also, die einzige Zugangsmöglichkeit zum Metal ist die via Internet und die internationale Fachpresse. Mund zu Mund Propaganda sozusagen.

  Ist es möglich in eurem Heimatland mit Musik Geld zu verdienen? Zumal Doom Metal ja nicht gerade massentauglich ist.

Alejandro:   Ja es ist möglich, aber es ist extrem schwierig. Und wenn man Metal spielt, ist es bisher nahezu unmöglich. Es ist sehr schwer mit Musik soviel zu verdienen, um gerade nur die grundlegensten Rechnungen oder Kosten bezahlen zu können. Zu 90 Prozent braucht man einen anderen Job. Das Leben ist hier sehr hart, daher ist es schwierig einer Band im professionellen Stil genügend Zeit zu widmen. Im Vergleich zu Europa oder den USA entwickelt sich unsere Wirtschaft erst noch und sucht nach einer Identität.

  Sofern ihr nicht ausschließlich Musiker seid, was arbeitet ihr ansonsten für euren Lebensunterhalt? Und was tut ihr in der Freizeit?

Alejandro:   Studieren, Jobs... z.B. sind Rodrigo M. (Gitarre) und Juan (Vocals, Keys & Synth) Berufsmusiker. Rodrigo M. arbeitet manchmal als Lehrer und Juan als Musikproduzent und besitzt ein eigenes Studio. Unsere Freizeit widmen wir auch aus den vorhin genannten Gründen der Band und der Musik. Wir haben auch alle unsere Sideprojects. Ich spiele in einer Death Metal Band, die TARGET heißt; Sergio (Gitarre) und Rodrigo G. (Bass) gehören noch einer anderen Doom Metal Band (MOURNERS LAMENT)an; Juan hat sein Soloprojekt AD NOCTVM, etc... Alle genannten Projekte sind auf Myspace vertreten - so check them out!

  Erhaltet ihr von Euren Familien gute Unterstützung (nicht finanziell gemeint)? Wie gefällt ihnen die Musik von MAR DE GRISES?

Alejandro:   Eine sonderbare Frage. In meinem Fall akzeptieren sie einfach meine Musik und meine Art zu leben. Sie sind nicht gerade Fans von MAR DE GRISES, trotzdem verstehen sie es. Bei den anderen ist es soviel ich weiß mehr oder weniger genauso.

  Wie sehen die Zukunftspläne der Band aus? Sind bereits neue Songs in Arbeit oder nehmt ihr sogar schon ein neues Album auf?

Alejandro:   Vor kurzem haben wir mit der Arbeit an neuem Material begonnen. Wir möchten eine EP aufnehmen, die hoffentlich im April 2009 veröffentlicht wird. Ein neues Album wird, so hoffe ich, im Frühjahr 2010 erscheinen.

  Wer ist für die Kompositionen bzw. die Texte bei euch verantwortlich? Seid ihr Einzelgänger oder Teamplayer beim Songwriting?

Alejandro:   Die Hauptstrukturen der Musik stammen von Rodrigo M. und Juan. Sie arbeiten für sich selbst und nachdem sie etwas mehr oder weniger fertig haben, führen sie es uns vor und wir beginnen es einzustudieren, den vorhandenen Strukturen unsere eigenen Arrangements hinzuzufügen, ihnen eine persönliche Note zu verleihen. Wir spielen sie immer und immer wieder, um diesen Touch von selbst entstehen zu lassen. Die Lyrics werden von Juan und mir geschrieben.

  Wie entstehen die Lyrics? Was inspiriert euch dazu?

Alejandro:   Meine Texte sind einfach eine Umsetzung dessen, was ich fühle. Ich habe kein bestimmtes Thema, das mich inspiriert oder worüber ich schreiben möchte. Oder vielleicht doch, aber ich weiß nicht genau, was es ist. Ich versuche mich einfach von meinen Gefühle leiten zu lassen, in dem Moment, in dem ich schreibe. Zumindest sind es Dinge, die ich fühle und möchte, auch wenn ich sie am Ende vielleicht doch nicht tue. So können im Grunde genommen meine Texte von jeder Inspiration, welche durch irgendeinen einzigen Aspekt oder Faktor, der mich in meinem täglichen Leben umgibt, und meiner Erfahrung erzeugt wird, entstehen. Inspiration kann durch die bizarrsten Situationen, Menschen, Visionen oder Emotionen entstehen; daher möchte ich nicht rationell entscheiden, woher ich sie bekomme und was ich darüber schreibe.

  Manche Songtexte sind ja z.B. in Spanisch, manche in englischer Sprache. Ist das bewusst gewählt oder ergibt sich das aus der Situation heraus?

Alejandro:   Manchmal denken wir, eine Idee/ein Gefühl, welche(s) wir in einigen Texten ausdrücken möchten, passt im Spanischen besser; und manchmal eben im Englischen. Oder manchmal fehlt uns bzw. wissen wir einfach nicht das richtige englische Wort, um das rüberzubringen, was wir fühlen. Die Sprache ist lediglich der Kanal und wir wählen sie einfach so aus, wie ich es erklärt habe.

  Wie setzt ihr die Musik auf der Bühne um? Doom ist ja nicht gerade prädestiniert für Stageacting. Gibt es eine entsprechende Deko?

Alejandro:   Das ist wahr. Manchmal ist es schwer, eine perfekt passende Atmosphäre für Doom zu schaffen. Es ist großartig vor vielen Leuten zu spielen, aber manchmal ist besser ein kleineres Publikum zu haben, um es auf einem persönlicheren Level zu erreichen. Wir versuchen wirklich eine Verbindung zu schaffen, um diese Musik, die wir machen, auch zu übermitteln. Ja und manchmal unterstützen wir die Liveshow mit visuellen Projektionen, die abhängig vom Fluss der einzelnen Songs gezeigt werden. Richtig eingesetzt, kann sowas eine großartige Ergänzung zur Musik sein.

  Möchtet ihr abschließend noch etwas sagen - ein paar Worte an eure Fans hierzulande oder sonstiges, das ihr auf dem Herzen habt?

Alejandro:   Ja. Auch wenn wir erst einige wenige Male in Deutschland waren, war es immer sehr cool. Wir waren noch nie in den großen Städten Deutschlands. Ich hoffe, dass wir bei der nächsten Tour auch dorthin kommen werden. Wir danken Euch für die Unterstützung und sehen Euch bald. Viele Grüße vom Ende der Welt.

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