Während schon die ersten Planungen für die Ausgabe 2003 angefangen haben, nehmen sich die Herren WOA-Veranstalter Zeit, dem riesigen Interesse der internationalen Presse zu begegnen.
"Holger beantwortet viel so 'ne Fragen auch auf der Website, ich bin mehr so für's Labern zuständig", bemerkt Thomas sehr treffend. Perfekte Arbeitsteilung also im zentralen Dreigestirn der legendären Veranstaltung im hohen Norden, zu dem neben Holger und Thomas auch noch dessen "Alte" gehört.
Oft ("Jedesmal...") erzählt hat er, wie es eigentlich zum Wacken Open Air kam: Aus purem Mangel an Szene und Veranstaltungen in Norddeutschland "haben wir dann angefangen, selber zu organisieren, und da ich in Wacken geboren wurde - und das ursprüngliche Festivalgelände ist so eine Kuhle, wo auch manchmal Reitturniere und Bikertreffen und sowas stattgefunden haben - haben wir gesagt, vielleicht macht das ja Sinn, mal ein Open Air zu machen. Wir haben dann im ersten Jahr schon den Schwerpunkt auf Hard und Heavy gelegt, weil es natürlich die Musik war, auf die wir Bock hatten. Das war noch mehr so eine Fun-Sache, wie viele eben anfangen. Über viele tausende von Fehlern und Blut, Schweiß und Tränen [lacht] lernst du dann eben so ein paar Sachen dazu und die Fans erzählen einem, was sie wollen, und so ist das Ganze dann immer Jahr um Jahr gewachsen."
Warum gerade dieses WOA so erfolgreich ist, weiß Thomas allerdings auch nicht mit Sicherheit. "Ich denke zum einen, weil wir das zu einer Zeit gemacht haben, als das keiner gemacht hat. Und gerade '93/'94 als wir persönlich sehr viel Geld verloren haben, haben aber einige Leute angerufen und gesagt 'Ihr müßt aber unbedingt weitermachen! Die Atmosphäre ist gut und für unsere Musik gibts sonst nichts, macht bloß weiter', teilweise von den Bands, teilweise eben auch viel von Besuchern. Dadurch kommt ja auch so etwas das Familiäre; es sind viele dabei, die wirklich jedes Jahr da waren. Von daher nehmen uns die Leute das ab; es ist nicht wie bei den 'ganz großen' Konzertagenturen, wo es heißt 'Jetzt ist gerade mal Nu Metal angesagt' und dann wird mal eben schnell ein Nu Metal Festival aus dem Ärmel konzipiert und wenn es dann nicht mehr so angepfiffen ist oder nicht genügend Acts vorhanden sind, dann macht man eben was anderes. So, denke ich, wissen eben viele von den Fans, wir sind ja im Prinzip auch immer noch Metal Fans. Das sieht immer auf den Plakaten so plakativ aus "Von Fans - Für Fans", aber es ist ja nach wie vor so. Ich glaube unterm Strich merkt auch die Masse der Leute das.
Und natürlich haben wir in den 13 Jahren auch eine Menge Fehler gemacht, Sachen gemacht, wo die Leute dann gesagt haben 'das war Scheiße', aber sie haben immer das Gefühl gehabt, dass wir versucht haben, darauf zu reagieren, dass wir versucht haben, Sachen besser zu machen, und ich denke ich Wacken hat sich nie einer so richtig abgezockt gefühlt."
Außerdem zeigt man immer wieder Mut für Außergewöhnliches oder besondere Zusatz-Veranstaltungen, wie zum Beispiel den Metal Train, den es in diesem Jahr zum ersten mal geben wird. "Wenn irgendeiner mit so einer Idee kommt, dann springen wir auch drauf an. Es ist ja nicht so, dass wir drei hier sitzen und das Rad neu erfinden, ich sage nicht, dass wir nur die Tollen und Innovativen sind, aber wir lassen auch vielen Leuten vor allem im technischen Bereich, z.B. Licht, Freiräume, und wenn du Leuten Freiräume gibst, dann können die auch gut sein, dann können die sich auch entfalten. Auch bei den Bands machen wir keine Vorgaben und mittlerweile hat sich da auch eine gute Eigendynamik entwickelt, auch bei den Fans, dass irgendeiner kommt und sagt 'Metal-Karaoke!' - da wäre ich persönlich nie drauf gekommen, weil ich nie so ein Karaoke-Freak war. Wenn das aber von den Leuten selber kommt und die da Spaß dran haben und was draus machen - die, die keinen Bock drauf haben, sollen Bier trinken gehen oder irgendwas anderes machen. Das ist auch so die Idee; wir wollen den Leuten nichts aufzwingen, denn wenn ich persönlich irgendwo hinkomme und mir sagt einer ich muss das und das tun, dann habe ich da schon keinen Bock drauf."
Die Freiheit in solchen Entscheidungen, was gemacht wird und was nicht, bewahrt man sich, indem es weder im Laufe des Wachstums noch jetzt, wo es um Beträge in Millionenhöhe geht, die umgesetzt werden, große Sponsoren ans Bein bindet, die dann mitreden und entscheiden wollen. "Wir entscheiden so die Hauptsachen alles im Dreierverbund." Und trotz der geölten Maschinerie rundherum, die sich um die Promotion etc. kümmert "macht das Kreuz, ob ja oder nein, doch immer einer von uns dreien. Sei es jetzt bei Band-Booking oder was auch immer."
Millionäre sind sie nicht, aber nach den letzten beiden gelungenen Jahren "war auch mal ein Urlaub drin", wie der gut aufgelegte Thomas zu berichten weiß, der sich auch nicht durch widerspenstige Feuerzeuge, Telefon- und Handy-Anrufe oder sonstirgendetwas aus der Ruhe bringen läßt. "Also wir können inzwischen davon leben, was wir uns nie zu träumen gewagt hätten. Millionäre sind in dem Bereich ganz wenige geworden, und ich glaube, wenn das dann die Motivation ist, dann geht das Ganze auch nach hinten los. Ich freue mich, wenn ich morgens frühstücken kann, ich freue mich, wenn ich eine Schachtel Zigaretten habe - während dem Festival brauche ich dann schonmal drei am Tag, das muss dann halt irgendwo über bleiben - dann sind wir zufrieden. Und es ist ja auch nicht so, dass alles aus Wacken kommt." Denn mit Metaltix betreibt man bundesweiten Kartenverkauf und auch sonst werden viele Konzerte, Touren u.ä. organisiert und geleitet. "Aber an Wacken hat immer unser Herz gehangen und das werden wir auch hoffentlich immer weitermachen können."
Der Austragungsort für das Festival hat sich nur durch die Herkunft der Veranstalter aufgedrängt, denn "aus veranstaltungstechnischer Sicht ist Wacken sicherlich der denkbar ungünstigste Ort, wo du sowas machen kannst. [lacht] Viele sagen ja 'ihr habt so ein Glück mit dem Gelände' - das Gelände haben wir uns selbst mehr oder weniger in Zusammenarbeit mit der Gemeinde, den Bauern und dem Ordnungsamt erschaffen, im Prinzip ist das ja Nichts, einfach Nichts. [lacht] Das ganze Jahr grasen da irgendwelche Kühe und es ist Nichts." Und tatsächlich sind die Äcker schon kurze Zeit nach der verheerenden Verwüstung durch tausende Metaller wieder als Weideland nutzbar. "Das wird auch von vielen unterschätzt. Letztens hat mir jemand erzählt, der nach dem Wacken immer noch eine Woche nach Hüsum in Urlaub fährt, dass er auf dem Rückweg nochmal am Festival-Gelände vorbeikommt und man dann schon fast nichts mehr sieht. Es ist irre, wenn du nur einen Regenguss hast, wie sich die Grasnabe dann schon erholt. Was weiß ich, Wunder der Natur! [lacht]"
Die freundliche Duldung durch die Einwohner, die mit ca. 1600 Menschen der Schwemme von langhaarigem Gesocks um ein Vielfaches unterlegen sind, kommt nicht von ungefähr. "Immer durch Gespräche und dadurch, dass das Festival relativ langsam gewachsen ist und die Wackener so diese Entwicklung mit uns durchgemacht haben. Wenn irgendwas Scheiße war, wenn die Vorgärten auseinandergenommen wurden - was eigentlich nie extrem war - dann wurde drüber gesprochen, dann haben wir überlegt, was können wir machen, ohne dass es zu sehr in die Kosten haut? Gut, dann haben wir ein paar Dixies im Dorf aufgestellt, haben Mülltüten aufgehängt, dann fährt nachts ein Müll-Sammel-Team durchs Dorf und räumt auf. Das sind so Sachen, die mußt du machen. Wenn du da sagst, is' mir scheißegal, ich hab doch 'ne Genehmigung, und im Grunde genommen auch deren Bedürfnisse mit Füßen trittst - genau wie die der Fans - dann kommt das als Boomerang zurück, dann hat da keiner Bock drauf." Ebenso vernünftig wurde die Regelung zu Lautstärke und Beschallungszeit gefunden, indem man den Bürgern anhand von verständlichen Beispielen aufzeigte, dass es einfach nicht leiser und kürzer geht: "Wenn ihr zu einer Hochzeit geht, dann habt ihr auch keinen Bock, dass da um elf Uhr Feierabend ist, das muss ja mindestens bis drei gehen..."
Bands für das Open Air Festival werden nicht nur nach Kriterien wie Verkaufszahlen und Presse-Stimmen ausgewählt, aber natürlich sind gerade für die hohen Positionen im Billing solche Fakten auch wichtig. "Teilweise drücken uns die Plattenfirmen natürlich auch ihre Themen auf, teilweise sind wir auch mit den Leuten aus dem Business befreundet - das ist ja im Hardrock und Metal so, es ist alles noch im Gegensatz zu anderen Musikrichtungen relativ familiär, es sind immer noch die selben Leute, die kennen wir nun über Jahre. Wenn dann natürlich einer von denen kommt und sagt 'ich hab hier ein tolles neues Produkt', dann hörst du dir das natürlich auch an. Aber im Grunde ist es so, wenn uns eine Band gefällt, dann machen wir die auch. Aber es ist natürlich für die Bands dann auch immer schwer, durchzudringen. Wir haben auch dieses Jahr wieder - meiner Meinung nach, das ist auch so ein kleiner Kampf hier in der Company - zuwenig unsigned, unknown Bands, weil einfach der Druck von außen, vom Management, von den Agenturen, den Labels zu groß ist. Unsere Idee ist es aber schon, auch mal welche zu entdecken - Hammerfall war so ein Beispiel. Da hat Nuclear Blast so ein Vorab-Tape geschickt, da kannte die kein Schwein und da war Power Metal / True Metal eigentlich überhaupt nicht angesagt. Da haben wir gesagt, ganz gute Mucke, aber viel Geld könnt ihr nicht kriegen, aber laßt die mal spielen. Dann ist die Platte released worden und das Ding stieg unaufhörlich in den Verkaufscharts und dann wurde auch die Spielposition immer besser, so dass es dann zum Schluß darum ging, oh, die müssen als Co-Headliner spielen. Das passiert aber leider zu selten." Auf der anderen Seite ist es auch nicht die Idee von Wacken, Bands für Spielpositionen zahlen zu lassen: "Wir haben noch nie, nie für einen Auftritt Geld genommen! Was wir machen ist, dass wir Bands spielen lassen und vielleicht 500 Mark zahlen, und die dann ihre eigenen sonstigen Kosten selbst tragen. Das wird dann vom Label bezuschußt oder wie auch immer." In jedem Fall läuft man als Metaller nicht Gefahr, auf dem Wacken mit verpönter Kost wie Nu Metal und Hardcore in Kontakt zu kommen. "Nein, warum sollten wir das machen?" Ist die Gegenfrage zur gewagten These, ob solche Trends dafür sorgen könnten, dass auch Vertreter anderer als der echten Metal Genres auf das Billing gelangen.
Natürlich kann ich nicht umhin die allgemein beliebte Dixi-Klo-Problematik anzusprechen. "Wir werden noch, noch, noch mehr auf Container gehen. Es ist gerade erst Meeting gewesen mit unserer Toiletten-Firma, die stellen die mehr in so Camps, richtig mit Sichtschutz drumherum und dann auch Personal. Man merkt es ganz einfach, wenn da Leute rumstehen, dann wird auch nicht so rumgesaut. Was ja zum Beispiel ganz oft ist; der erste der auf so ein Dixi geht, der klaut die Klorolle - kann man ja auch im Zelt gebrauchen und ist ja auch alles lustig, aber natürlich die anderen 200, die danach kommen, pöbeln natürlich rum, dass kein Papier da ist. Das versuchen wir in diesem Jahr weiter einzuschränken. Wir werden auf jeden Fall wieder Toiletten haben, wo ein kleiner Obulus entrichtet wird - auch auf Anregung der Fans gekommen. Aber es wird, sowohl für Männlein wie für Weiblein, auch Toiletten geben, die umsonst, aber auch mit Personal besetzt sind. Wir sind da also dran, aber 100%-ig wird es denke ich nie möglich sein, dafür ist es eben ein Outdoor-Festival."
Letztes Jahr gab es einigen Unmut, als mehrere Bands (u.a. Crematory) aufgrund von Bus-Pannen oder Staus ihre Auftrittstermine nicht einhalten konnten. "Das sind so Sachen, da hast du keinen Einfluss drauf. Ich bin jetzt vom Graspop mit Saxon nach Italien gefahren und dann war dieser glorreiche Gotthard-Tunnel dicht und an der Grenze meinten die Italiener, sie müßten mal eben den Bus durchsuchen - anderthalb Stunden lang - und wir müßten alles ausladen. Dagegen kannst du dich nicht schützen. Wir sind aber dran und haken jetzt schon bei allen Bands nach, dass die Flüge gebucht sind etc. Das ist übrigens auch eine Neuerung dieses Jahr - wie hoffen, dass das so funktioniert, wie wir es uns vorstellen; wir wollen das gesamte Informationssystem, zum einen bei uns intern und zum anderen auch mit den Fans verbessern. An den Duschcamps und im Einlaßbereich und überall sollen mehr Informationen aushängen, so dass eventuelle Running-Order-Verschiebungen dann doch so rechtzeitig bekannt sind, dass jeder seinen persönlichen 'Abfahrplan' noch umstellen kann. Es soll vielleicht auch so Terminals, so ein Intranet auf dem Gelände geben, wo wir dann solche Informationen aufspielen können. Ich bin da etwas vorsichtig, sowas anzukündigen, denn nachher kommen die Experten, die das ganz toll erzählt haben und dann 'ooohh, wir haben das richtige Kabel nicht mit... die Kiste läuft gar nicht, die Sonne steht zu hoch...', ne? Von der Idee her soll es sowas geben, erstmal in einer kleinen Version und wenn es in der Masse auf Konsens trifft, dann versuchen wir es auch auszubauen - das ist ja immer so unsere Strategie. Es gibt auch noch ein paar spezielle Sachen, Überraschungen, die noch so möglich wären, aber da kann ich natürlich jetzt noch nichts sagen."
Der Donnerstag mit der "Night To Remember" ist in diesem Jahr erstmals offizieller Festival-Tag - dem Ordnungsamt gegenüber. "Das ist ja auch immer ein Umfragepunkt; wollt ihr mehr, wollt ihr weniger, wollt ihr anders? Viele Festivals laufen ja Samstag, Sonntag - ist so aber nie verlangt worden. Die meisten sind bis Sonntag aber auch platt, wir auch! Der Donnerstag ist eigentlich ein schöner Warm-Up, auch für uns und die Technik, weil du gut siehst, wo funktioniert was noch nicht, und wenn am Freitag ab morgens um 10 die Masse der Bands kommt, dann muss die Maschine laufen."
Eigentlich kann es ja von Jahr zu Jahr nur besser werden, denn "wir machen ohne Ende Nachbereitungen und Treffen, das fängt an bei den Ämtern geht weiter mit der Technik und der Toilettenfirma und hört auf bei der Security. Wir werden ja nachher wieder in lebhaften Diskussionen mitbekommen, was schief gelaufen ist, was scheiße war und was wir hätten besser machen können. Es ist nicht so wie alle meinen, da kommt jetzt so eine tolle Routine rein, das kannst du vergessen. Es ist jedes Jahr was anderes."
Na, dann freuen wir uns doch mal auf die diesjährige Version des Wacken Open Air! Danke an Thomas und alle anderen, die dieses Festival für uns auf die Beine stellen. Viel Spaß! |