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Take off: 27.08.2005 - Review (11776 mal gelesen)

Als Club-Location ist das JUZ Andernach nun schon mehrere Jahre in metallischen Gefilden bekannt, konnte es doch so manche illustre Tour dort beherbergen. Zum ersten Mal haben wir uns dieses Jahr aber mal das SUMMER'S END OPEN AIR dort angeguckt um zu vergleichen, wie das JUZ mit einer größeren Veranstaltung Punkte machen kann.

Bei tollem Wetter enterten wir das Gelände und bestaunten zuerst einmal die geniale Konstruktion des JUZ-Liveclubs: die Bühne der Halle, die nach Außen durch ein großes Rolltor abgetrennt wird, wird einfach durch das offene Tor gewendet, die Halle zum Backstage-Bereich umfunktioniert, und draußen bietet ein Skater-Platz und diverse Wiesen nebst Grillhütte ein tolles Ambiente für ein Open Air für die Größenordnung bis ca. 1200 Besucher. Genial!

Die Besucher ließen allerdings erst einmal auf sich warten. Fast eine Stunde nach dem Einlass tummelten sich ein paar Kiddies auf dem Platz, und wir fragten uns schon, ob die Werbung für dieses Event wirklich ausreichend war. Die Veranstalter blieben allerdings angesichts schon 500 verkaufter Karten und der Erfahrung der letzten Jahre locker, und sie sollten für Abends auch Recht behalten.

Einen üblen Start hatte natürlich der Opener, der sich nicht nur mit zu lichtem Publikum quälen musste, sondern leider auch gar nicht angekündigt war. Die FOURTY FOUR FREAKS sprangen kurzfristig für die geplanten CHIEF ROCKAZ ein und versuchten, das wenige Publikum von den Bierständen weg und vor die Bühne zu ziehen. Den Allgäuern kann man auch handwerklich keinen Vorwurf machen, denn man merkt ihnen an, wie wohl sie sich auf der Bühne fühlen. Mit einem für Opener einwandfreiem Sound pumpten sie die ersten Hardrock- und Metal-Takte in das noch müde sonnende Publikum und Frontröhre Axel packte die Gelegenheit so gut wie es ging am Schopf, ohne in seinen Ansagen genervt ob dieser Situation zu sein, oder ins Lächerliche abzudriften. Groovige Songs mit ordentlichen Stromgitarren, die an diesem Tag eigentlich eine bessere Lineup-Position verdient hätten.

Zu BRAND NEW DEMON trudelte so langsam Publikum ein. Ihr Motto "Melodie und Brett - Herzschmerz auf's Maul" traf für unsere Belange eigentlich nur zu 50% zu. Während ihr Studiomaterial mit klasse Alternativrock-Anleihen gut nach vorn drückt und die melancholischen Songs in fett bratende Akkorde hüllt, wirkten BRAND NEW DEMON im grellen Sonnenlicht trotz allem Nebeleinsatzes etwas deplaziert. Die wichtigen mehrstimmigen Vocals offenbarten in der Livedarbietung die eine oder andere größere Schwäche und die Band lief einfach nicht zur richtigen Form auf. Es blieb daher ein Übermaß an Melancholie und ein Defizit an Power. So ließ sich dann das Publikum auch nicht durch Daniels Versuche, das abgespulte Programm durch lockere Sprüche aufzupeppen, zu mehr Reaktionen verleiten. Schade - zur falschen Zeit am falschen Ort. Enttäuschten Besuchern sei dennoch das sehr ordentliche Studiomaterial zu empfehlen, welches die Dämonen von einer richtig guten Seite zeigt.

Wenn man aus Andernach kommt, ein Großteil des Publikums seine Shirts trägt, und man einen fantastischen Frontmann vorweisen kann: wie kann ein Heimspiel besser ausfallen? BLIND stürmten selbstbewusst die Bühne und verpackten ihre Melodien im Gegensatz zum Vorgänger live in messerscharfe Riffs und kraftvolles Drumming. Frontmann Steve hüpfte, sprang und lief über die Bühne, kaschierte seine fehlende Größe mit Balance auf den Monitoren. Zur klasse Show kam einwandfreier und kräftiger Gesang, und mit seinen Ansagen dirigierten BLIND zum ersten Mal des Tages größere Mengen an Zuschauern, was die Stimmung natürlich grandios anhob. Nur eine Frage der Zeit, bis sich BLIND einen überregionalen Namen erspielen werden.

Mit [LAW] hatte ich so meine Probleme. Die zwischen sperrig und einlullend pendelnden Songs versuchten innovativ zu klingen, aber die Bühnenpräsenz des Quartetts war tendenziell gegen Null. Musik, Optik und fehlende Zielgruppe brachten in der Kombination ein gewisses Unbehagen hervor und wollten keine Harmonie ergeben. Eine recht unbequeme Band, die ich selbst mit Mühe in keine Schublade stecken kann. Was ja grundsätzlich kein Nachteil sein soll, aber wenn ich die Leidenschaft in der Musik vermisse, dann hege ich meine Zweifel, ob sie wirklich von Herzen kommt. Dies dachten sich wohl auch viele der Besucher und nutzten die Zeit für das Anstehen am Grill und Bierstand.

Der Spass ist rosarot. Nein, ich meine nicht JBO. Die All-Girl-Group AK4711 präsentierte sich in einem Look, der irgendwo zwischen Lesben-WG und Berliner New Wave Ära zu suchen ist. Der Stil, den sie selbst als "Trümmerpop" bezeichnen, trifft den Nagel voll auf den Kopf. AK4711 waren so etwas wie der Paradiesvogel auf diesem Open Air, und das eher rock/metallisch angehauchte Publikum war anfangs doch arg verdutzt, als diese Band schon beim Soundcheck für kuriose Stimmung sorgte und das Publikum direkt einbezog. Wer blieb, blieb vor allem aus Neugierde. Und das hat sich gelohnt. Getreu dem Motto "Wir können nix - macht nix" und selbstbewusst bis in die Haarspitzen schepperte das sympathische Quartett einen Gassenhauer nach dem nächsten in die Leute. Verspieler waren Kult, der grellbeißende Chorgesang Understatement, und mit jedem Takt schoben die breit grinsenden Mädels das Gute-Laune-Meter einen Eichstrich nach oben. Auch wenn niemand so richtig abging, schafften sie es immerhin doch, Langhaarige und CRADLE-Shirt-Träger zum gemütlichen Mitschunkeln zu animieren. Wer als Metaller die gute Laune nicht verlernt hat, genoss seine Lektion in alternativem Musikprogramm.

Bei den H-BLOCKX wurde es erstmalig so richtig voll auf dem Platz. Der Crossover-Stil der Jungs aus Münster lässt sich heute wie damals nicht so richtig einordnen. Den H-BLOCKX-Stil gibt es meines Erachtens auch gar nicht, da sie dermaßen in verschiedenen Richtungen wildern, dass sie durchaus mal auch nicht wiedererkannt werden können. Vor allem die jüngere Generation fühlt sich von den Meistern des Musikspagats angesprochen, obwohl die Band nun doch schon seit über einer Dekade aktiv ist. Vielleicht liegt es an den heute immer noch modernen HipHop-Elementen, die ja auch irgendwo durch den letzten Trend namens NuMetal wuseln, dass sich die Band so lange oben halten konnte. Auf dem Andernacher Summer's End präsentierte sich das Quartett durchaus rockiger und streckenweise recht heavy, was die Fans mit etlichen Crowdsurfern dankbar aufnahmen. Mit dem 80er-Coverhit 'Celebrate Youth' wurde tief in die Klamottenkiste der älteren Generation gegriffen, und die Zugaben-Coverversion 'Ring Of Fire' dürfte im Original diesem Publikum wohl nur in ganz wenigen Fällen bekannt sein.

DIE HAPPY haben es irgendwie geschafft, dass man sie in allen Genren ernst nimmt. Marta und ihre Bande entschuldigten sich schon vor Jahren auf dem Summermania-Festival dafür, dass sie ja eigentlich gar keinen Metal spielen. Hat aber niemanden interessiert, denn auf dem letztjährigen Summerbreeze (wie viele "Summer..."-Festivals gibt's eigentlich schon??) räumten sie auch gnadenlos vor paartausend Metallern ab. Die Zauberformel heißt: Sympathie. DIE HAPPY unterlegen ihren Alternativ-Metal mit ausreichend Stromgitarren und Schmackes, so dass niemand fürchten muss, auf einem kommerziellen Pop-Event zu landen. Auch wenn hier ebenfalls eine sehr junge Fan-Basis vorhanden ist haben die Titel dennoch sehr viel Reife und die Musik durchaus ihren Anspruch. Nicht zuletzt Oberflummi Marta, die grundsätzlich ihr Bestes gibt und das Publikum durch eine energiereiche Show anheizt. Nicht einmal der Trottel mit den "Ausziehen!"-Rufen konnte sie aus dem Konzept bringen. Sie empfahl ihm, kurz in einem dunklen Eckchen selbst Hand anzulegen, damit er etwas ruhiger werden würde, und damit war das Thema gegessen. Leider wurde die Show von einem dicken Balladenblock unnötig gebremst, aber nachdem dieser vorbei war und Martas Stimme zur Höchstform auflief, konnte man mit DIE HAPPY Song für Song abschädeln und die prima Hartwurst-Ohrwürmer genießen. Während des Gigs wurde natürlich das damals frisch erscheinende neue Album promotet, dessen Material den bisherigen Stil der Band weiter perfektioniert. Immer einen Besuch wert, und eine tolle Headliner-Wahl für ein Open Air in lauer Sommernacht.

Das Summer's End Festival war klein, aber fein. Man erlebt auf den großen Events leider viel zu selten diese Lässigkeit ohne viel Stress und Regelung. Dementsprechend entspannt war die Atmosphäre, und das fantastische Wetter tat sein Übriges. Als Vertreter der Metal-Front hätte ich mir zwar im Lineup deutlichere Angebote (z.B. wie 2004 mit SAXON als Headliner) diesbezüglich gewünscht, aber auch in den präsentierten Randgebieten von Hardrock und Alternative ließ es sich gut abfeiern und bot somit die Chance, den JUZ-Liveclub auch eventuell neuen Besuchern vorzustellen. Lobenswert war auch die moderate Preispolitik von Eintritt bis zur Verpflegung, die den Charakter eines Jugendhauses unterstreicht. Die anwesende jüngere Generation dankte dies sicherlich, denn dank dem JUZ-Open Air bot sich ohne horrenden Anfahrts- und Kostenaufwand für diese Fans in der sträflich vernachlässigten Koblenzer Region mal wieder ein tolles Event quasi vor der Haustür. Da sich auch Gelände und PA (klasse Sound!) nicht verstecken müssen, freut sich jeder auf baldige Wiederkehr.

Offizielle Homepage: www.juz-andernach.de

An Bord des Summer's End Festivals waren für euch: Krümel & Opa Steve

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