Livebericht Devin Townsend |
---|
Ein Livebericht von Opa Steve aus Köln (Luxor) - 06.08.2014 (27571 mal gelesen) |
Ich hasse Konzerte in Innenstädten. Aber wenn DEVIN TOWNSEND mit einem kaum minder interessanten Support ein paar Abstecher in die Clubs macht, dann überwiegt unterm Strich doch der Mehrwert. Also schaukeln wir die Strecke bis nach Köln rein und ich folge meinem Gedächtnis in die Seitenstraßen, wo ich mich von früheren Konzerten im Luxor noch an ein paar abendliche Parkplatz-Geheimtipps erinnern konnte. Der erste Schock erfolgt sogleich: die Parkbewirtschaftung im ganzen Umkreis wurde von einst 19 Uhr auf 23 Uhr ausgedehnt. Und die Abendkosten von 12 Euro lassen einem die Kinnlade runterklappen. Liebe Kölner, für das Geld parke ich in Frankfurt als Tagespauschale - geht's noch? Ich ignoriere kurzerhand die Maßnahmen des Stadtkämmerers gegen die Niedrigzinsphase und kalkuliere, dass vermutlich selbst das Knöllchen billiger ist. Also drauf geschissen und auf zu wichtigeren Dingen. Das Luxor ist angenehm gefüllt. Es ist an diesem feuchtwarmen Abend nicht gerade luftig im Club, aber man steht auch nicht überall dichtgedrängt. Schätzungsweise 200-250 Freunde der gepflegten Musik haben sich versammelt, und auch schon für den Opener SHINING (Norwegen) kann sich schon vor Konzertbeginn ein gutes Drittel erwärmen, welches sich einen entspannten Platz vor der Bühne sichert, während wir noch fürs Bier anstehen. Dass die angezeigten Zeitpläne meistens nur eine sehr grobe Orientierung sind, zeigt sich auch heute, als schon nach dem Zapfen unserer Kölschs das Intro der Norweger losgeht. Wie für diese Clubs üblich ist die Lightshow natürlich für die Füße, und die Fünf tummeln sich im fahlen Pufflicht aus roter und blauer Funzelei. Dafür bringt der erste Song schon mal richtig Feuer in die Bude. Der kalte Drive von 'I Won't Forget' ist sofort mega mitreißend und die abgefahrene Mischung aus Experimenten, Punk-Attitüde und freejazzigen Ausflügen ergießt sich wie ein Wechselbad über die Menge. Vor allem, wenn Jorgen das Saxofon auspackt, wird es oft sehr bizarr - seinen Stil kannten ja schon Metaller von den letzten IHSAHN-Scheiben, wo er ebenfalls vertreten ist. Dabei steigert sich das Quintett langsam in seiner Verrücktheit. Vor 'Fisheye' erklärt Jorgen dem immer interessierteren Publikum die Herkunft der Band als Jazzcombo, aber die Liebe zum Metal führte dann zur eigenen Begriffsvariante "Blackjazz". Die Improvisationen nehmen ab da deutlich zu, schräge Saxofon-Intros werden hinzugefügt, und scheinbar wirre Strukturen werden wie minutenlange Loops in einer beeindruckenden Präzision dargeboten. Die zweite Hälfte des Gigs besteht dann aus einer überirdischen Version des KING CRIMSON-Songs '21 Century Schizoid Man'. Der Song wird mit Krach, vorgetäuschten Enden und einem aufgebauschten Finale aufgepeppt und im SHINING-Stil dargeboten. Jorgen nimmt die Podeste am Bühnenrand offensiv in Beschlag und zieht seine Show ab. Riesending, und mittlerweile steht auch der Großteil des Publikums vor der Bühne und sorgt für einen angemessenen Schlussapplaus. In der Umbaupause zu DEVIN TOWNSEND wird auf ein Laken im Bühnenhintergrund erst einmal kurzweilig in Trickfilmform ein kleiner Einblick in das Humorverständnis und das verrückte Hirn von Mr. Townsend himself geliefert. Hier und da gibt es was zu lachen, aber streckenweise ist es schon sehr schräg, wenn Devin im Zuspieler dann debiles Zeug singt oder vor sich hinbrabbelt. Aber so ist er nun mal: in allen Dingen unberechenbar, und er legt sich nie fest. Zum Intro wird die Bühne dann verdunkelt. Das große DEVIN TOWNSEND PROJECT-Logo dreht sich auf der Leinwand und die Band kommt nach und nach auf die Bühne, wobei der Chef naturgemäß den größten Applaus erntet. Vor der Bühne ist es mittlerweile kuschelig eng geworden und ich beneide die Leute mit kurzen Beinkleidern schon ein bisschen. Devin hängt sich direkt mit den ersten Griffen von 'Seventh Wave' in die erste Reihe rein und nimmt Tuchfühlung auf. Wie immer schaut er wieder in die Menge wie ein Märchenonkel, der von seinen eigenen Geschichten am meisten begeistert ist. DEVIN TOWNSEND sind zwar ein gutes Stückchen lauter als SHINING davor, aber dafür ist der Sound schon am Anfang recht ausgewogen. Gerade bei der akustischen Dichte der CDs sind Livekonzerte immer eine Herausforderung, was aber hier im Club auf der optisch nicht gerade vertrauenserweckenden Anlage gut gelungen ist. Die alten Songs dominieren den Start in das Set, welches Devin mit einer 6-saitigen Custom-Klampfe inkl. leuchtendem Ziltoid-Symbols auf dem Hals bestreitet. Das sperrige 'By Your Command' läutet danach auch direkt den Sprung in die Ziltoid-Ära ein, und Devin bringt direkt seine ersten geilen Sprüche, z. B. dass die Band vermutlich noch am Abend mal so nebenbei das nächste Ziltoid-Album fertigstellen würde. Apropos Devin-Ansagen: kleine Auswahl gefällig? Er war ganz begeistert von Köln, denn er sah ein Graffiti. Auf diesem stand: "FUCK". "And the message is ... ? 'Fuck'"? Und er forderte einen spontanen Jubel für Köln und seine beeindruckenden Graffiti-Künste. Und man solle sich bloß das Leben im Tourbus nicht zu romantisch vorstellen. Schließlich lebe man im Duft der Eiern von 17 Kerlen. Aber versöhnlich meint er später im Gig: "We love you! Why? Because it's nice to love you. We've got the best job in the world, and this is just possible because of you." - so schlimm scheint es im Tourbus dann doch nicht zu sein. Aber zurück zum Gig. Jeder Akkord wird - wenn er nicht gerade am Singen ist - mit seiner typischen Mimik unterstützt, während die Begleitband zuverlässig und konzentriert ihren Job macht. Devin springt auf die Podeste, versucht Dinge an der Decke mit der Hand zu erreichen, und einmal verlässt er auch mit seinem Sidekick spielend die Bühne und die beiden drehen mitten im Song eine Runde mitten durch das Publikum, welches anschließend natürlich durch das große Hallo komplett neu sortiert ist. 'Planet Of The Apes' läutet dann die Neuzeit ein und Devin steigt auf seine 7-String Flying V um. Der Sound wird dadurch nochmal ein gutes Stück fetter und der Song kracht brachial in die gedrängte Menge. Kurioserweise sorgen die folgenden "Anneke"-Songs (leider mal wieder ohne die begnadete Gastsängerin) im Publikum bei manchen Leuten für heftige Headbanger-Ausbrüche, was mich angesichts der doch eher fetten Pop-Rock-Nummern etwas verwundert. Aber es wird wieder einmal klar, welche kongeniale Melange Devin damals in der Zusammenarbeit mit Anneke auf die Beine gestellt hat und die Titel gehen direkt in die Blutbahn. Im Takt winkende Arme erfüllen den gesamten Club, so dass man kaum noch einen Blick auf die Bühne erhaschen kann, aber die kollektive Fröhlichkeit ist eine optimale Grundlage, auf der das DEVIN TOWNSEND PROJECT die Songs aufsetzt. Natürlich wird viel vom komplexen Sound durch zusätzliche Einspieler hinzugefügt, aber dennoch wirkt der Gig durch das lebendige Spiel der Band sehr natürlich und der Playback-Bonus fällt nur auf, wenn man sich besonders darauf konzentriert. Lediglich beim vergleichsweise harten 'Juular' scheint irgendetwas nicht zu stimmen. Irgendwelche Harmonien klingen immer wieder unsauber und durch die etwas holprige Doublebass büßt dieser Thrash-Swing-Titel leider etwas viel seiner Stimmung ein. Ansonsten ist aber alles top und vor allem der Funke der guten Stimmung fliegt längst zwischen dem Frontmann und dem gesamten Publikum hin und her. Ein DEVIN TOWNSEND-Konzert ist nie einfach nur ein Konzert, sondern ein Happening, wo erlaubt ist, was gefällt. Da darf z. B. auch mal ein Mädel von der ersten Reihe auf die Bühne und mit einer seiner selbstgebastelten Ziltoid-Masken auf dem Kopf rumtanzen, bevor Devin selbst damit rumkaspert und einen Song mit diesem obskuren Mützenschmuck bestreitet. Nach dem episch lauten (ha, flaches Wortspiel) 'Grace' gibt es dann noch die übliche Scherzerei, dass sich die Band so lange in den Bühnenhintergrund verdrückt, bis die Zugaberufe die gewünschte Lautstärke erreichen und sich der Meister huldvoll wieder seinen Jüngern zuwendet. Mit dem Spruch "I smell cologne ... har har har" setzt er noch einen Niveau-Kontrapunkt zur musikalischen Leistung, und dann gibt es zu 'Bad Devil' nochmal einen richtig durchgeknallten Abschluss, bei dem der gesamte Club wie von der Tarantel gestochen durch die Gegend hüpft und den Refrain mitbrüllt. Der letzte Akkord hallt noch in den Ohren, Devin schlägt geduldig in den ersten Reihen die Hände ab, und dann zieht es uns mit einem fetten Grinsen im Gesicht wieder in die nieselige Kölner Nacht. Und zurück am Auto stelle ich fest, dass das Spiel nicht an die Bank ging, sondern ich mit einem Freispiel aus der Parken-Nummer rauskam. So sieht ein perfekter Abend aus. |