Die ehemals als Doom-Band gegründete Formation aus Kalifornien mischt für ihren Zweitling diverse Elemente des Extreme Metal zu einem progressiven Potpourri.
Historischer Melodic Black Metal, der sich gekonnt mit der christlichen Heilsgeschichte auseinandersetzt und mit starkem Gesang und dem geschickten Einsatz der Drehleier besticht.
Ein Interview von Eddieson vom 02.06.2021 (27898 mal gelesen)
Face2face-Interviews in Coronazeiten laufen auch nicht so, wie man es sonst so kennt. Mit Negativtest und dem nötigen Abstand traf ich mich mit Stefan (voc) und Neu-Gitarrist Michelle und wir quatschten einfach etwas über Corona, Bands in Coronzeiten, Streaming-Konzerte und neue Songs.
Hi ihr beiden. Wie geht's euch?
Michelle: Danke, gut. Alles im grünen Bereich, würde ich sagen.
Stefan: Den Umständen entsprechend auf jeden Fall gut.
Wir stecken immer noch mitten in der Pandemie. Wie geht ihr mit der Situation um? Nicht nur aus Musiker-Sicht, sondern generell.
Stefan: Ja, nervt auf jeden Fall. Gerade privat haben wir völlig unterschiedliche Situationen, weil ich zum Beispiel Familie mit Kindern habe, was noch mal ein ganz großer Unterschied ist. Trotz alledem ist es auch irgendwie Jammern auf hohem Niveau. Meine Frau und ich haben feste Jobs, haben keine Geldprobleme und können weiterhin arbeiten gehen. Wir haben ein schönes Zuhause, wo wir uns alle wohlfühlen. Klar nervt die Pandemie und alles was dazu gehört, aber es könnte uns viel schlimmer erwischen, deshalb wollen wir nicht klagen und uns an den schönen Dingen erfreuen, die man trotzdem machen kann und genießen diese um so mehr.
Michelle: Bei mir läuft es ganz ähnlich. Während Stefan ab und zu was von zu Hause machen kann, ist das bei mir absolut nicht möglich, da ich ständig irgendwelche Prozesse begleiten muss. Da ist die Anwesenheit erforderlich. Meine Freundin ist zu Hause und auch wir verstehen uns blind und genießen die Zeit zusammen.
Michelle, du kommst aus Brasilien, das ja mit der Coronakrise noch mal seinen eigenen Weg geht. Hast du Kontakt zu Leuten dort und weißt, wie es ihnen geht?
Michelle: Meine ganze Familie lebt noch dort, ich bin also allein in Deutschland. Auch wenn ich hier nicht aufgewachsen bin, bin ich gut in die Gesellschaft integriert. Ich begleite die Situation dort halt von der Ferne aus. Ein paar Bekannte in Brasilien sind betroffen, andere wieder nicht und Todesfälle kann man leider auch dort nicht vermeiden. Ich versuche so nah, wie möglich zu sein.
Hast du eine Ahnung, wie zufrieden die Menschen mit der Regierung und deren "Corona-Politik" sind?
Michelle: Naja, es gibt natürlich viele Gerüchte und im Internet kannste natürlich auch viel lesen. Wir haben dort einen Konflikt von zwei Seiten, von rechts und von Links. Das hat da aber eine ganz andere Bedeutung, als es das hier hat. Brasilien war immer ein Land mit viel Korruption, beziehungsweise es hat sein Volk immer unfair behandelt. Brasilien ist aber trotzdem mein Brasilien und das bleibt auch so.
Stefan: Da kommt der Sunnyboy wieder in dir durch. Natürlich kennt man hier einige Corona-Schicksale, aber wenn Michelle was aus Brasilien erzählt, dann sind das dort ganz andere Dimensionen an Schicksalen. Das holt ein dann doch immer etwas runter.
Für mich ist es mittlerweile über ein komplettes Jahr ohne Konzerte. Und wenn wir schon beim Jammern auf hohem Niveau sind, dann ist diese konzertfreie Zeit echt hart. Wisst ihr noch, welches euer letztes besuchtes Konzert war?
Stefan: Krass, da muss ich erst mal überlegen. Ich glaube es waren die PEACOCKS in Essen. Doch, das müsste das letzte Konzert gewesen sein.
Ich müsste tatsächlich auch etwas länger Überlegen. Anfang März war ich noch auf einem Festival in Hamburg. Aber das letzte Einzelkonzert wüsste ich gerade auch nicht. Dafür gibt es ja gerade viele Streaming-Konzerte. Ihr habt ja selbst auch eins gespielt. Ist das was für euch? Guckt ihr euch die an?
Stefan: Nein, muss ich ganz ehrlich sagen. Eins selber machen war cool, hat großen Spaß gemacht. Ich muss aber sagen, dass Streaming-Konzerte mir nicht das gibt, warum ich auf Konzerte gehe. Ich bin leidenschaftlicher Konzertgänger, ich guck mir auch auf Youtube gerne Live-Shows an, aber ein echtes Streaming-Konzert habe ich noch nicht mitgemacht. Ist nicht mein Ding.
Da bin ich ganz bei dir. Hab mal eins für Reviewzwecke gesehen, hat mir aber nichts gegeben. Ich kann Bands verstehen, dass sie das machen, um im Gespräch zu bleiben oder so die finanzielle Lage etwas abzufangen, aber als Musikkonsument gibt mir das nichts.
Stefan: Für manche ist das aber wohl was. Bei uns in der Band ist keiner ein "digitaler Mensch". Wir sind alle Menschen, die den persönlichen Kontakt mögen, die alles, was zu einem Konzert dazugehört, brauchen, sei es Treffen von Leuten, die Atmosphäre, der Spaß, und so weiter. Das alles gehört einfach dazu. Ich mache aber sowieso selten was vor irgendwelchen Bildschirmen. Ich würde auch keine digitale Stadtführung oder sowas mitmachen.
Dann erzählt doch mal von eurem Streaming-Konzert, das ihr gespielt habt. Wie kam es dazu?
Stefan: Das war eine sehr spontane Geschichte. Das war ja in der Zeit, als mehr Kontakte erlaubt waren und man sich mit mehreren Leuten treffen durfte. Wir hatten für das Wochenende eigentlich einen Videodreh geplant. Für einen Song, den wir re-releasen möchten, wollen wir ein Video machen, und das war eigentlich für das Datum angepeilt. An einem Dienstag rief mich dann unser Schlagzeuger an, dass Radio Bob angefragt hat, ob wir nicht ein Streaming-Konzert spielen wollen. Wir hatten ungefähr eine Woche um uns vorzubereiten. Alle hatten Bock drauf, also musste es unheimlich schnell gehen. Es war auch kein Livestream-Konzert, sondern wir mussten das aufnehmen, und denen den Stuff zwei Tage später schicken. Dann mussten wir jemanden finden, der uns filmt und das in der kurzen Zeit schneidet. Nebenbei mussten wir den Proberaum etwas umgestalten, weil wir so schnell keine Location gefunden haben. Ich habe selten so viel telefoniert, wie in der Zeit. Wir hatten vorher Monate nicht geprobt und uns auch nicht gesehen, weil es ja das Kontaktverbot gab. Das Ende vom Lied war, dass wir dann aufgeschlagen sind und zwei von uns das immer noch nicht verstanden haben und dachten, dass sie hier zum Videodreh kommen. [lacht] Es hat dann aber richtig Bock gemacht. Es war Mitte August, im Proberaum 40 Grad, aber es war absolut genial. Wir sind auch mit dem Ergebnis echt zufrieden. Unser Schlagzeuger hat dazu noch einen super Sound rausgeholt. Aber wie gesagt, selbst machen ja, andere angucken, leider nein.
Was ist das für ein Gefühl? Du stehst da vor der Kamera, musst ein Live-Feeling übermitteln, hast aber kein Publikum dafür.
Stefan: Ja, es gibt auch mehr als eine Ansage, wo ich das sage, dass uns das Publikum sehr fehlt und wir eine Band sind, die unheimlich gerne live spielt. Es ist echt nicht das Gleiche. Wir waren aber trotzdem dankbar, überhaupt wieder was machen zu können, wieder etwas Leben in die Band zu kriegen. Wenn du eine Band hast, dann gibt es immer was zu tun. Dann kam Corona, alles liegt auf Eis und mit dem Streaming-Konzert hat man dann plötzlich wieder was zu tun und das war halt cool. Das ist ja da Schöne an dem Hobby, was wir da haben. Die Musik bleibt so. Corona ist unfassbar nervig aber der Kern, das Musikmachen, das bleibt so. Wenn wir damit jemand erreichen, ist schön, man muss ja auch sagen, dass es nicht viele waren, die diesen Stream gesehen haben. Wir haben es dann auf Youtube hochgeladen, aber es geht auch nicht um Klicks, sondern um den Spaß und wenn es 2-3 anderen Leuten gefallen hat, dann ist das cool. Wir haben nicht nur keine Konzerte, sondern sind ja auch in den Proben stark eingeschränkt. Jede Probe hat ja das Potenzial ein Fest zu werden, es macht Bock, hat ein geiles Gefühl. Das ist unheimlich schön und vielleicht konnten wir das während des Streams etwas vermitteln.
Kommen wir ein bisschen zu der Band. Michelle, du bist neu in der Band. Wie kam es dazu?
Michelle: Das is eine ganz interssante Geschichte in dieses HORSEMAN-Boot einzusteigen. HORSEMAN gehört zu meinem Leben, seit ich in Deutschland bin. Markus, ein Kumpel von uns, hat auch eine Band. 2008 kam ich in Deutschland an und war dann irgendwann auf einem Konzert von Markus' Band. HORSEMAN haben an dem Abend auch gespielt und irgendwann an dem Abend haben wir alle zusammen gefeiert. Das war der Zeitpunkt, wo mein "deutsches Leben" anfing. Da waren Markus, HORSEMAN, ich und die Kälte. [lacht] Und so war es irgendwie klar, dass ich nach 10 Jahren Freundschaft in die Band einsteige.
Wie kam es zu dem Line-Up-Wechsel?
Stefan: Malte, unser Gründungsmitglied, hat die Band verlassen. Dies hätte für die Band ein wirklich harter Schlag werden können. Der Hintergrund ist eigentlich ganz simpel. Malte hat sich ein Haus gekauft, einen alten Kotten, und den macht er sich jetzt selbst wieder fertig. Da steckt er halt ganz viel Arbeit und Kopf rein. Zweitens fehlte ihm etwas die Energie, die man in eine Band stecken muss, und wer HORSEMAN kennt, weiß, dass es immer wieder kleine aber nervige Schwierigkeiten gegeben hat, die nichts mit der Musik oder dem Zwischenmenschlichen zu hatten. Es hatte viel mit Proberäumen, Vertragsgeschichten, Kohle, und so weiter zu tun. Das nervt halt und Malte hatte da irgendwann nicht mehr die Kraft für. Er ist der absolute Freigeist. Wir haben ganz lange als Freunde und Team versucht, das zu entlasten, aber irgendwann ging es halt nicht mehr. Dann kam wieder ein Proberaumwechsel, eins führte zum anderen, Malte verlies die Band und Michelle rückte nach. Für Malte ist das völlig in Ordnung. Wenn wir mal irgendwann wieder Shows spielen, wollen wir einen schönen Liveübergang haben, mit beiden zusammen auf der Bühne.
Das Positive an der Corona-Zeit ist ja, dass die Bands ausreichend Zeit haben um neue Songs zu schreiben. Wie siehts da bei euch aus?
Michelle: Wir haben halt auch die Möglichkeit, über viele Programme was zu machen und durchlaufen da einen Digitalisierungsprozess. Doch am Ende treffen wir uns in einem Raum und können die Sachen dort zu Ende bringen. Damals, als das Leben noch normal war, waren wir keine Fans vom digitalen Leben, wie eben ja schon gesagt, aber jetzt lernen wir etwas Neues kennen und freuen uns darüber.
Stefan: Es ist halt auch die lange Zeit. Erst haben wir abgewartet, doch die Zeit wurde immer länger und irgendwann haben wir gedacht, dass wir was machen müssen, sonst geht die Band kaputt. Dafür ist uns das allen zu wichtig, also fangen wir damit an. Facebook-Videos, schreiben Songs, vereinbaren Interviews und so weiter Das, was drumherum nicht unbedingt Bock macht, rückt jezt etwas in den Vordergrund.
Michelle: Ich bin ja grad erst in die Band eingestiegen und voll motiviert.
Du hast also wieder etwas Feuer in die Band gebracht?
Stefan: Ja, absolut. Wir haben zusammengesessen und darüber gesprochen. Aber alle hatten Bock drauf. Wir haben so einen Glauben an die Band. Jeder seinen eigenen. Michelle, der jetzt ganz neu ist, Kohler und ich, die durchgehend mit HORSEMAN unterwegs sind, unser Bassist Jojo, der unterhalb von Stuttgart wohnt und schon immer digital mit dabei war und Siggi war ja vier Jahre raus und ist dann zurükgekommen. Jedem ist es wichtig und hat eine gewisse Prorität. So habe ich halt auch Lust ungeliebte Dinge zu machen, auf dass es dann irgendwann wieder weiter geht.
Klar, letztendlich bleibt einem ja auch erstmal nichts anderes übrig. Und es ist ja auch nicht verkehrt, mal neue Sachen wie ein "digitales Leben" zu lernen. Es muss sich ja nicht komplett etablieren.
Stefan: Wann immer es geht treffen wir uns auch im Proberaum, auch einzeln oder lassen uns vorher testen, so dass wir uns da Coronakonform treffen können. das ist super wichtig. Wir wollen nicht alles digital erledigen. Man muss auch mal was im Proberaum hören um ein Gefühl dafür zu bekommen.
Es gibt also neue Songs?
Stefan: Die gibt es und einen können wir dir nachher gerne noch zu hören geben. Dadurch dass Michelle jetzt in der Band ist und schreibt und Kohler Songs schreibt und man glaubt er schreibt sie mit ganz viel Hass auf Gitarristen, weil die so schwer sind. [lacht] Die Songs sind super facettenreich. Klar, meine Schwiegermutter würde es immer noch als Krach bezeichnen, aber es gibt so eine HORSEMAN-Komfortzone. Es gibt viele Bands, die total geil darin sind ihre Schiene zu fahren, kriegen es auch hin, dass es interessant bleibt, aber machen immer dasselbe. Ich glaube, dass trifft auf HORSEMAN nicht zu, wenn man sich unsere drei Alben mal anhört. Es ist immer HORSEMAN, aber es kommt mal hier und da was dazu und das ist bei der neuen Platte auch so. Die neuen Songs klingen weniger brachial oder wuchtig aber dafür mit einer fiesen Note, zumindest bei dem, was Michelle schreibt. Auch meine Vocals haben etwas mehr Facette. Ich versuche mehr Emotionalität reinzubringen, ohne das in Metalcore abdriften zu lassen.
Michelle, du warst sofort am Songwriting beteiligt?
Michelle: Ja, ich bin sofort produktiv geworden. Ich hatte die Band immer im Blick und jetzt, wo ich bei HORSEMAN eingestiegen bin, muss ich was daraus machen. Klar hat man Sorgen, wenn man als Gitarrist mit seinem eigenen Stil einsteigt, dass es nicht klappt, aber ich bin mit meinen Ideen sofort gut aufgenommen worden und so schreib ich natürlich weiter.
Habt ihr schon genug Songs für ein Album zusammen?
Stefan: Genug Songs haben wir noch nicht, aber wir sind in einem krassen Prozess, haben viele Baustellen, haben aber das ambitionierte Ziel, dass wir Ende des Jahres ein Album fertig haben wollen. Aber wir sind nun mal eine Proberaumband, von daher kann und will ich keine Prognose wagen.
Okay, ich danke euch für das Interview und wünsche euch für alles Weitere viel Erfolg.