Die ehemals als Doom-Band gegründete Formation aus Kalifornien mischt für ihren Zweitling diverse Elemente des Extreme Metal zu einem progressiven Potpourri.
Historischer Melodic Black Metal, der sich gekonnt mit der christlichen Heilsgeschichte auseinandersetzt und mit starkem Gesang und dem geschickten Einsatz der Drehleier besticht.
Ein Interview von Eddieson vom 18.04.2021 (21559 mal gelesen)
MASSEN aus Belarus haben mich mit ihrem Black/Death-Metal-Violin-Rock völlig überwältigt und schon jetzt ein Jahreshighlight erschaffen. Grund also, mal in Minsk anzuklingeln und mit Aleerma (dr) etwas über das Debütalbum "ContrAesthetic" und die heimische politische und Metal-Szene zu sprechen.
Hallo Aleerma. Wie geht es euch?
Aleerma: Hallo Jan. Vielen Dank, wir sind lebendig und fröhlich.
Als erstes möchte ich dich bitten dich und die Band vorzustellen und mal kurz abzueißen, wie die Band zusammengekommen ist.
Aleerma: Gerne. Wir sind MASSEN - Aleerma, Kardymon, Kara, Ankou, Eugene, Zmiles und Elvira - Avantgrade Black/Death Metal Orchester aus Belarus. Unser wichtigstes Anliegen ist es, durch unsere Musik und Gesang dem Hörer eine gegensätzliche Energie zu vermitteln. Irgendwann in 2019 haben wir entdeckt, dass wir ein gemeinsames Interesse haben, unsere Kreativität miteinander auszuleben. Damals waren wir noch alle in anderen Bands aktiv. Seitdem arbeiten wir daran, uns im extremen Metal zu entwickeln - ohne irgendwelche Bezüge zu irgendwelchen Genres, sondern ganz von uns selbst. Das Ergebnis ist Heavy-Music die unsere Wünsche und Sehnsüchte erfüllt.
Es ist für mich das erste Mal, dass ich mit einer Band aus Belarus spreche. Erzähl doch mal bitte etwas über die dortige Metalszene und wie das Leben eines Metalheads in Minsk so ist.
Aleerma: Die Metalszene hier in Belarus ist eigentlich ganz normal entwickelt. Wir leben hier an einem Kreuzpunkt vieler verschiedenen Kulturen und Menschen, wodurch der Geschmack der vielen Musiker natürlich total unterschiedlich ist. Was die Metalheads angeht, so denke ich, dass es hier genau so ist wie anderswo, mit der Ausnahme, dass Metal hier nicht sonderlich unterstützt wird und auch nicht als Kunst angesehen wird. Generell ist Musik hier für die meisten Menschen einfach nur eine Hintergrundbeschallung im Auto oder auf dem Traktor. Das Metal-Publikum hingegen ist großartig, sehr loyal und inspirierend. Wir sind dem hiesigen Publikum natürlich extrem dankbar, freuen uns aber auch darauf, Leute nun aus der ganzen Welt zu erreichen.
Minsk ist außerdem ein politischer Schmelztiegel. Seit einiger Zeit sind dort gwalttätige Proteste zwischen Demonstranten und den staatlichen Sicherheitskräften an der Tagesordnung. Hat die politische Situation in eurem Land einen Einfluss auf die Musik und wie siehst du generell die momentane Situation?
Aleerma: Natürlich ist dadurch, das Minsk die Hauptstadt unseres Landes ist, die Situation hier besonders schlimm. Seit langer Zeit, fast ein Jahr, gibt es immer wieder brutale Aufeinandertreffen zwischen den Menschen und staatlichen Sicherheitskräften. Leider ist das Ende des Kalten Krieges nocht nicht erkennbar, aber wir sind immer noch voller Hoffnung, dass es irgendwann so sein wird. Natürlich hat diese Masse an sinnloser Gewalt Einfluss auf unsere Musik. Obwohlm wir keine politische Band sind, möchten wir uns zu einer Anti-Social-Sichtweise positionieren. Anti-War, Anti-World ...
Ok, dann lass uns mal etwas über Musik sprechen. Euer neues Album "ContrAesthetic" wird - zum Zeitpunkt dieses Interviews - morgen veröffentlicht. Ich bin vollkommen überwältigt worden, nachdem ich das Album das erste mal gehört habe. Aber beschreibe doch mal "ContrAesthetic" in deinen eigenen Worten.
Aleerma: Erstmal vielen Dank für die warmen Worte. Es ist schön zu hören, dass unsere Musik dich im positiven Sinne trifft. Ich würde "ContrAesthetic" als eine Mischung zwischen Violin-basierendem-Rock, mit der brutalen Energie von Death/Black Metal beschreiben. Wir haben die Musik geschrieben, die wir selbst gerne hören möchten. Es ist natürlich doppelt so schön zu hören, dass es auch beim ausländischen Publikum gut ankommt. Das Album ist am Ende sehr gegensätzlich geworden, mit seiner ganz eigenen Atmosphäre, welche das Interesse an der Musik aufrecht erhält. Es klingt ein wenig nach dem einsamen Leben einer verbitterten, verzeifelten und aggressiven Person.
Ihr habt euch dafür entschieden die Texte in eurer Heimatsprache zu singen, was einerseits natürlich ziemlich cool ist, auf der anderen Seite für viele Hörer außerhalb von Belarus natürlich zu Verständnisproblemen führt.
Aleerma: Als wir anfingen Musik zu schreiben, haben wir uns für Belarussisch entschieden, eben weil wir in Belarus leben. Außerdem wollten wir unsere Sprache unter die Leute bringen, da sie recht selten genutzt wird. Für uns klingt die Sprache sehr emotional und melodisch, so, als wäre sie genau für Musik gemacht. Mittlerweile können wir uns auch gar nicht mehr vorstellen, die Songs in einer anderen Sprache zu singen. Trotzdem es MASSEN nur in belarussischer Sprache gibt werden wir wohl auch demnächst einige Texte in Englisch schreiben. Für diejenigen, die sich gerne näher und intensiver mit unseren Texten auseinandersetzen möchten, die können uns gerne eine Mail an massenofficial@gmail.com schreiben und wir schicken gerne eine Übersetzung unserer Texte. Bequemer ist es aber mal eben ins Booklet der CD oder dem Vinyl zu schauen, denn dort haben wir auch die englische Übersetzung abgedruckt.
Um mal zwei meiner persönlichen Lieblingssongs aus dem Album rauszupicken, was kannst du mir über 'Cold Clouds' und 'A Step To Silence' erzählen?
Aleerma: Oh, das hast du eine exzellente Wahl getroffen. Die zentrale Idee und Message von 'Cold Clouds' findet man schon in der Textzeile "Why does the bullet and the gun decide everything?" Der Song beschreibt die pure Begeisterung und das Groteske, und es ist natürlich ein großer Anti-Kriegssong auf dem Album. 'A Step To Silence' ist eine misanthropische Geschichte, in der es darum geht den Weg zu wählen, der zur Entfremdung führt und ein eigenes Weltmodel zu besitzen, einer Person, die sich in der Stille auflöst. Ein interner Dialog, der nur in völliger Einsamkeit stattfinden kann. Darum ist das Songwriting auch sehr dramatisch ausgelegt. Generell ist das ein Song darüber, dass jede Person ihre eigene Realität hat und niemand das Leben eines anderen Menschen beeinträchtigen sollte.
Was "ContrAesthetic" vor allem ausmacht ist die Vielfältigkeit innerhalb der Songs. Die Songs haben epische Melodien, sind aggressiv, dann wieder verträumt und dramatisch. Auch die verschiedenen Gesangstile bringen natürlich zusätzlich noch eine gewisse Abwechslung. Wie funktioniert das Songwriting bei euch?
Aleerma: Vielen Dank erstmal. Das Songwriting läuft absolut fair bei uns. Wir haben zwei Komponisten bei uns. Zum einen ist das Kardymon und zum anderen bin ich das. Wir bringen meist halbfertige Songs mit zu den Proben und dort arbeiten wir das zusammen so lange aus, bis wir uns das anhören können. Die meiste Arbeit steckt dann in den Arrangements für den Bass, für die Rhythmussektion generell, und für die Violine. Danach machen wir uns an die cleanen Gesangsparts unserer Sängerin Elvira. Ich fungiere dann als derjenige, der alldem den letzten Schliff gibt, bis zum Ende der Aufnahmen.
Aleerma, vielen Dank für das Interview und den kleinen Einblick in euer Land und eure Band. Ich wünsche euch für das Album alles Gute und überlasse dir die letzten Worte.
Aleerma: Es war mir eine Freude, mit dir zu sprechen, wir wissen die Unterstützung wirklich sehr zu schätzen. Testet "ContrAesthetic", welches via Apostasy Records erscheint, und folgt unseren News. Im Namen des gesamten Teams wünsche ich dir und Bleeding4metal alles Gute für 2021.