Mandragora Thuringia - Rex Silvarum

Review von Zephir vom 23.12.2022 (1169 mal gelesen)
Mandragora Thuringia - Rex Silvarum Folk Metal aus Thüringen - dieses Qualitätssiegel gilt seit den Nuller Jahren unbestritten, wurde mehrfach geprüft und bestätigt. Meine Neugier auf MANDRAGORA THURINGIA ist entsprechend groß, und überraschend trifft mich die Info, dass die Band bereits seit 2008 existiert - allerdings zunächst releasefrei und mit anderer Besetzung musizierend. Eine erste unter Eigenregie veröffentlichte EP gab es 2016 ("Mandragora Erwacht"), das Coverart damals noch ein wenig im Kirmes-Gewand. Musikalisch wankten MANDRAGORA THURINIGA zwischen angeschwärztem Pagan Metal und tanzbarem, partytauglichem Mittelalter-Rock, was die Rezeption gespalten haben dürfte. Als erster Langspieler erschien 2019 "Der Vagabund", ebenfalls independent, mit geändertem Bandlogo und einem, wie ich meine, ziemlich gelungenen visuellen Eyecatcher. Man schärfte den Stil durch eine Portion düstere Ernsthaftigkeit, die der Melodiosität der Tracks übrigens keinen Abbruch tat.

Aber wie geht’s nun weiter? Inzwischen haben MANDRAGORA THURINGIA bei MDD unterschrieben, und jüngst ist das Zweitwerk "Rex Silvarum" rausgekommen, der König des Waldes. Die dreizehn neuen Songs liefern vielfältige Ideen und ebenso vielfältige stilistische Einflüsse ab - so wie es konsequenterweise sein muss, wenn man sich zwischen Nord und Süd, Ost und West im Herzen Europas befindet.

Das Intro 'Frühling' fährt höchst episch auf mit Marschtrommeln (Konrad Bogsch), Flöte, Synth-Orchester (Juan Robert Grüning), Chören und Dudelsack (Carlo Reiter) und leitet damit über in einen 'Ausbruch', der Freunde von alten EQUILIBRIUM in Begeisterungsstürme versetzen wird. Wer bei dem Gitarren- und Bassgewitter (Gitarren: Erik Schröter und Moritz Engler, Bass: Julian Styles) Gäsehaut und Nackenkribbeln verspürt, muss sich allerdings anschließend auf einen kleinen Stilbruch gefasst machen: 'Falkenflug' beginnt zwar mit paganem Galopp, schielt mit seinem clean gesungenen, melodischen Chorus aber durchaus in die Ecke IN EXTREMO und Konsorten. Mit diesem und dem folgenden Track, 'Kreaturen Der Nacht', wird das Publikum aus der Mittelalter-Metal-Szene eine Menge anfangen können, was nicht nur am musikalischen Aufbau und Arrangement mit Dudelsack und ohrwurmverdächtigen Hooks liegt, sondern auch an der ausdrücklichen Tanzbarkeit der Songs und, last but not least, am lyrischen Gehalt. Der Klargesang von Andor Koppelin ist übrigens genregemäß schön derb und dreckig; ich bin allerdings der Ansicht, dass ihm die harschen Vocals noch besser stehen - damit tritt der Frontmann definitiv in offensive Konkurrenz zu Kollegen wie KROMLEK oder GERNOTSHAGEN.

Weiter geht es mit 'Sunufatarungo' und balladesken, akustischen Tunes. Auch hier erinnert das Machwerk von MANDRAGORA THURINGIA mehr an die Szene der fahrenden Spielleute denn an Hörner hebende Nordmänner; rein aus inhaltlichen Gründen hat es mit Letzteren auch gar nicht viel zu tun, stammt der Titel doch aus dem Hildebrandslied. Das zu kategorisieren muss man nicht Germanistik studiert haben - wer früher MENHIR gehört hat, wird nun wissend nicken. Im Laufe des Geschehens wird der Track rauher und heavier, sodass die Hörerschaft ihre Einordnung selbst treffen muss. Der Titelsong 'Rex Silvarum' hätte dann in seiner Form auch zu Zeiten von EQUILIBRIUMs "Sagas" geschrieben worden sein können. Was auffällt, ist die oftmals etwas eintönige Harmoniefolge in den Refrains, die bei diesem Maße an Melodiosität ruhig auch etwas mutiger sein dürfte. Puristen werden sich an dem starken Einsatz von Synthies stören, aber Epik ohne Synthies wäre zumindest meinem Geschmack nach nur die halbe Miete.

'Waldgeflüster' ist alsdann ein soundtrackartiges instrumentales Intermezzo, das mit einer wortlosen Frauenstimme in Fantasywelten entführt, die dereinst mal der lang verlorene Wald gewesen waren (Prädikat: nostalgische Gefühle garantiert!). Archaisch und schamanisch wird es mit 'Amygdala', einem angsteinflößenden Hexenwesen. Bei diesem Track ist Dom R. Crey mit an Bord, der schon länger für EQUILIBRIUM und NOTHGARD musiziert und übrigens das vorliegende Album aufgenommen hat. 'Grünes Meer' ist dann vielleicht der Höhepunkt des Shanty-Rock-Charakters, der sich durch "Rex Silvarum" immer wieder durchzieht. Aus diesem Grunde ist das Album durchaus auch empfehlenswert für all jene, die gern mal bei NACHTGESCHREI oder VOGELFREY wildern.

'Kriegerbarden' ist zumindest in meinen Ohren ein etwas schwächerer Song, der die besungene Macht musikalisch nicht ganz umzusetzen vermag. 'Trollmelodie' im Anschluss probiert sich an der längst durch FINNTROLL geprägten Mischung aus Metal und Polka - das ist zwar nichts Neues, aber es macht Spaß und eignet hervorragend zum Mithüpfen und -Singen. Bei 'Linde' hören wir einen Gastauftritt von Robse Dahn, seines Zeichens Frontmann bei den bereits erwähnten EQUILIBRIUM. Diese Nummer ist wieder eine, die episch viel aus dem Material rausholt; das vokale Duett ist natürlich auch eine Wucht, wie sollte es anders sein?

Der Rausschmeißer schließt den Kreis zum Opener: 'Herbst' beginnt wieder soundtrackartig und episch, aber melancholisch mit Piano-Klängen und Chören, variiert die Leadmelodie von 'Frühling' gekonnt mit geändertem Instrumentarium und hinterlässt den Hörer abschließend mit der Gänsehaut, mit der es vor rund 50 Minuten begonnen hatte.

Nach dieser relativ langen Besprechung, in welche Zeit zu investieren mir das Album von MANDRAGORA THURINGIA absolut wert war und ist, muss ich wohl ein Fazit ziehen - und das fällt mir nicht leicht. Die Formation um Andor Koppelin liefert absolut gekonnt, so viel steht fest, und es gibt wenig zu meckern. Die Stilmischung aus schwarzmetallischem Pagan Metal und folkigen Shanty-Tunes gib’s in dieser Form sicher auch nicht an jeder Ecke, aber genau an diesem Alleinstellungsmerkmal könnten sich die Einen oder Anderen stoßen, wenn es an machen Stellen von "Rex Silvarum" zu humorig zugeht oder aber die Songs Humor vermissen lassen. Mir persönlich gefällt das Werk da am besten, wo es im Fahwasser des angeschwärzten, epischen Pagan Metal verkehrt und mit seinem Soundtrack-Equipment filmische Panoramen vor dem inneren Auge entstehen lässt. Dass die Harsh Vocals besonders gekonnt rüberkommen, habe ich ja bereits erwähnt. Für Live-Gigs sind aber ganz sicherlich die partytauglicheren Tracks die größeren Kracher, das ist nun Geschmackssache und vielleicht auch eine Frage der Erwartungshaltung. Die numerische Bewertung ist entsprechend schwierig, und ich vergebe in Anerkennung der gekonnten musikalischen Dramaturgie, der großen Bandbreite des Albums sieben Blutstropfen. In jedem Falle werde ich MANDRAGORA THURINGIA im Auge respektive im Ohr behalten und bin gespannt, ob sie zukünftig die eine oder andere Richtung manifestieren werden. Sollte dies nicht der Fall sein, werde ich vermutlich Song-Picking betreiben und mir diejenigen Titel heraussuchen, die für mich persönlich das größte Gänsehaut-Potenzial auffahren. Denn die können MANDRAGORA THURINGIA schreiben und spielen, so viel ist sicher.

Gesamtwertung: 7.0 Punkte
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Trackliste Album-Info
01. Frühling
02. Ausbruch
03. Falkenflug
04. Kreaturen Der Nacht
05. Sunufatarungo
06. Rex Silvarum
07. Waldgeflüster
08. Amygdala (feat. Dom R. Crey)
09. Grünes Meer
10. Kriegerbarden
11. Trollmelodie
12. Linde (feat. Robert 'Robse' Dahn)
13. Herbst
Band Website:
Medium: CD
Spieldauer: 52:09 Minuten
VÖ: 04.11.2022

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