Nocturna - Daughters of the Night

Review von Rockmaster vom 19.02.2022 (2449 mal gelesen)
Nocturna - Daughters of the Night Vorhang auf, Bühne frei für NOCTURNA. Es ist schwerlich möglich, das musikalische Theater, das die Band inszeniert, losgelöst vom visuellen Konzept der Band zu betrachten, das sie in ihren bislang gestreamten Videos propagieren. Dennoch wollen wir erst einmal versuchen, das vorliegende Album "Daughters Of The Night" vom reinen Höreindruck her anzugehen. Nach dem Intro 'Spectral Ruins' pfeffert die Band dem Hörer erst einmal die beiden Symphonic Metal-Granaten 'New Evil' und 'Daughters Of The Night' um die Ohren. Auffällig ist sogleich, dass sie mit den beiden Gründerinnen Grace Darkling und Rehn Stillnight gleich zwei Gesangsstimmen am Start hat. Die singen stark, und wenn sie doch mal kleine Schwächen zeigen oder der Stimmumfang zu sehr ausgereizt wird, machen sie das gleich wieder durch schöne Duette wett. Insbesondere der Opener überzeugt hier mit einem Gespür für Melodien und Dramatik, während die Band dann auf 'Daughters Of The Night' nochmal mächtig Theaterdonner drauflegt. Gitarrist Hedon aka Federico Mondelli, der uns schon von Bands wie FROZEN CROWN bekannt ist, bereitet hier auf seinem Gitarrenhals Hackschnitzel, während Drummer Deimos seinerseits Escalopes für das ganze Ensemble weichklopft. Mit der folgenden, schönen Ballade 'The Sorrow Path' zeigen NOCTURNA, dass sie es auch gefühlvoll und ruhig angehen können. Das zugrundeliegende Motiv auf dem Piano ist beinahe durchschnittlicher Standard, aber was Grace, Rehn und Hedon an Gesangsmelodien und Gitarrenvariationen darüber zaubern ist wundervoll.

Das technische Niveau der Instrumentalisten, zu denen außer den bereits Genannten noch Bassistin Antares zählt, ist tadellos mit leichter Tendenz zu übersteigerter Präzision, die der Qualitätskontrolle einer Schweizer Uhrenfabrik standhalten könnte. NOCTURNA haben auf ihrem Erstling keinen einzigen nennenswerten Hänger, jedoch hätte man ihnen soufflieren dürfen, dass sie den Spannungsbogen zu früh abreißen lassen. Schon die nächste Nummer 'Sea Of Fire' fällt deutlich ab, und auch das schnelle 'Blood Of Heaven' macht zwar wieder mächtig Dampf, wirkt aber phasenweise zu stramm durchkalkuliert, um restlos zu fesseln. Die Stärke der ersten Titel erreicht die Band bis zum Albumende nicht mehr. Immerhin, die Schlussnummer 'The Trickster' bleibt zwar auch rhythmisch etwas blass, überzeugt aber dennoch wieder mit starken Gesangsmelodien und einem gefälligen Riff.

Wie eingangs erwähnt scheint es, als wollen sich NOCTURNA als Gesamtkunstwerk vermarkten. Grace und Rehn treten im Gothic-Style auf und wollen neben ihren stimmlichen auch nicht mit optischen Reizen geizen. Ein bisschen schwarzer Lidstrich, Lippenstift, und schon haben die beiden eine Ausstrahlung als könnten sie die arktischen Polkappen retten. Die drei anderen haben sich bei ihren Künstlernamen, denen nach sie sich der Vergnügungssucht hingeben, Schrecken verbreiten oder über den Himmel wachen, in der antiken Mythologie bedient. Auf offiziellen Bandfotos und in den Videos herrscht für sie - bislang - Maskenpflicht, und darüber, ob da bei jedem die eigenen Haare wallen, darf auch spekuliert werden. Bei den metallisch wirkenden Masken haben sie sich, heißt es, unter anderem vom japanischen Kabuki-Theater inspirieren lassen. Gegenüber der geradezu ikonischen Schminkkunst der Japaner, anhand derer ein Anhänger der traditionellen Stücke einen jeden Charakter auf den ersten Blick wiedererkennt, sind die Masken hier eher zurückhaltend gestaltet und strahlen eine gewisse Kälte und Distanz aus, die durchaus auch im musikalischen Konzept Ausdruck findet. "Entmenschlichend" wäre der stärkste Eindruck, den die Masken bei mir hinterlassen.

Das Gesamtkonzept jedenfalls funktioniert, und wenn NOCTURNA die musikalische Qualität nächstes mal ebenso konsequent hoch halten wie die visuelle, dürften wir noch einige gute Musik erwarten. Sollte allerdings die Inszenierung die Musik in den Hintergrund drängen, wäre ich persönlich raus.


Gesamtwertung: 7.0 Punkte
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Trackliste Album-Info
01. Spectral Ruins (1:59)
02. New Evil (4:36)
03. Daughters Of The Night (4:05)
04. The Sorrow Path (4:13)
05. Sea Of Fire (3:48)
06. Blood Of Heaven (3:25)
07. In This Tragedy (6:18)
08. Darkest Days (3:45)
09. Nocturnal Whispers (1:15)
10. The Trickster (4:57)
Band Website:
Medium: CD
Spieldauer: 38:22 Minuten
VÖ: 21.01.2022

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Bassist Antares ist wohl eine Bassistin, falls Du doch mal über Youtube stolperst. Aber 7 Punkte würde ich auch vergeben
7/10   (21.02.2022 von des)

Dass hier eingesetzt wurde, was die Studiotechnik hergibt, passt ja irgendwie ins Bild (technische Perfektion, Inszenierung, etc.). Ich denke auch, dass Stil und Ausdrucksform hier nicht direkt auf die Generation der Metal-Opas und Rock-Onkel zugeschnitten wurde, fand es aber müßig, das breit auszuführen. Auch der "unterkühlte" Ansatz hat was "modernes" und durchaus seine Berechtigung im Metal. Ob's uns gefällt, oder nicht, ist Geschmackssache. So lange ich mir über NOCTURNA keine peinlichen Märchen auf YouTube ansehen muss wie über die Papi Emeriti von GHOST, ist alles gut.
(20.02.2022 von Rockmaster)

Das Review las sich so interessant, dass ich reingehört habe. Fand es auch erst richtig gut (und ja, ich höre immer den dritten Song eines Albums, das ist die perfekte Taktik :-)), bis sich die Stimmen wieder hoch in Alt und Kopfstimmen-Sopran schraubten. Verdammt, das kann ich einfach nicht aushalten. Schade. Außerdem deutlich zu viel Autotune auf den Zweitstimmen.
5/10   (19.02.2022 von Opa Steve)

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