Tower - Shock To The System

Review von Rockmaster vom 11.11.2021 (3234 mal gelesen)
Tower - Shock To The System Ganz ehrlich, ich dachte bislang, dass die Schweden zurzeit die Instanz im Bereich der musikalischen Zeitreise seien. Die graben vergessen geglaubte Stilrichtungen, darunter Blues Rock und Classic Rock aller Couleur, aus, um altes und junges Publikum zu beglücken. Gerüchten zufolge gibt es sogar vier schwedische Musikerinnen und Musiker, die gerade ein Album aufgenommen haben, dem man nachsagt, es klinge wie zuletzt ABBA in den 70er-Jahren. Wenn dann dieser furchtbar angestaubte Sound von TOWER aus den Boxen scheppert und der Stil nach der Zeit klingt, als der klassische Metal mit sägenden Gitarren anfing, an der Speed-Schraube zu drehen, dann darf sich der beste Musik-Märchenonkel auch mal fett vertun. Rapunzel, die hier ihr Turmzimmer entstaubt hat, kommt nämlich nicht aus Nordeuropa, sondern aus Nordamerika - New York, um es genauer zu sagen. Rapunzel, das ist Sängerin Sarabeth Linden, die alle Bedenken, man könnte mit dem unmodernen Sound nicht mehr warm werden, mit ihrer hochenergetischen Rockröhre in Sekundenschnelle wegpfeffert.

Wie es sich in der zeitgemäßen Interpretation von Märchen gehört, hat die holde Sarabeth mit James Danzo und Zak Penley gleich zwei edle Gitarritter an ihrer Seite, die ihren wilden, gesanglichen Ritt begleiten. Das Hufgetrappel wird im gestreckten Galopp von James Jones imitiert, und - bislang als Gastmusiker - macht noch Jeff Filmer mit schwach ausgesteuerten vier Saiten (ein Leid, das er mit James Bassdrum teilt) im Hinterzimmer mit. Ja, das soll eine kleine Kritik sein, aber hier muss der Rezensionsritter mal eine Lanze brechen: Grimm kann man ob des vordergründig veralteten Sounds gegenüber TOWER nicht hegen (noch nicht mal die Gebrüder). Denn der schöne Nebeneffekt ist, dass man die Gitarren so deutlich hören und auseinanderhalten kann, wie man das gar nicht mehr gewohnt ist, und vor allem, dass Sarabeths Power-Stimme vollumfänglich zur Geltung kommt. Und auch ohne "modernen", "kompakten" Sound entwickelt die Band einen absolut arschtrittgewaltigen Drive.

Ebenso klassisch wie der Gesamteindruck aus technischer Sicht scheint auch der Ansatz zu sein, nach dem TOWER ihre Titel komponieren. Man hat den Eindruck, die Musik sprudelt aus Sarabeth und ihren Jungs nur so heraus, und wenn daraus dann ein Song wird, wird es eben ein Song. Mit Hooks hat die Band keine Not, und auf den letzten genialen Kniff wird hier bewusst auch mal verzichtet. Kleinere Schwächen müsste man schon mit Gewalt aufspüren wollen, um hier und da mal fündig zu werden. Die Kompositionen sind eingängig und organisch, da passt einfach alles zusammen. Zum Probehören darf man hier jeden Titel empfehlen (mit der Einschränkung, dass 'Metatron' nur ein Instrumental ist), mir gefallen besonders 'Running Out Of Time', 'Lay Down The Law' und 'In Dreams'. Während das Albumcover den Lockdown-Horror zitiert und das deutlich abgekühlte soziale Klima illustriert, geht es in den Songtexten um Gott und die Welt, politische Themen, persönlichen Verlust und die Flüchtigkeit unserer Beziehungen.

"Strip away the old debris" (streife die alte Staubschicht ab), das sollte man bei einem schönen alten 'Red Barchetta' machen, der Musik von TOWER steht die Patina aber märchenhaft gut. Der Beipackzettel zitiert auch, und empfiehlt, den Verstärker unbedingt "auf 11" aufzudrehen, wenn man "Shock To The System" hört. Kann man unterschreiben.

Gesamtwertung: 8.0 Punkte
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Trackliste Album-Info
01. Blood Moon (3:13)
02. Prince Of Darkness (4:22)
03. Metatron (2:45)
04. Running Out Of Time (3:53)
05. Lay Down The Law (4:49)
06. Hired Gun (3:50)
07. The Black Rose (3:20)
08. On The Line (2:53)
09. In Dreams (6:58)
10. Powder Keg (2:58)
Band Website:
Medium: CD, Vinyl
Spieldauer: 39:01 Minuten
VÖ: 12.11.2021

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