Hellbreath - Slave Of God

Review von baarikärpänen vom 03.08.2021 (4679 mal gelesen)
Hellbreath - Slave Of God Es soll ja durchaus Kollegen der schreibenden Zunft geben, die Andreas "Neudi" Neudert's Mission, tief in der Kiste der Geschichte zu wühlen (anders kann man es nicht nennen) kritisch sehen und sich fragen, ob das überhaupt Sinn macht. Ich sage nur "Als auf CD gepresste Spotify-Playlist ganz nett, aber irgendwie auch überflüssig". Ähnlich sehen das wohl auch Metalheads, die Anfangs der 2000er oder später mit der harten Musik infiziert wurden. Ich für meinen Teil ziehe immer wieder meinen Hut, ganz egal, ob Neudi einen Sampler zusammenstellt oder längst vergessene Schätzchen der deutschen Metal-Szene ausgräbt und wiederveröffentlicht. Darunter befinden sich dann oft sehr skurrile Bands oder Scheiben, oft gar aus der sogenannten "zweiten Reihe". Und immer wenn man denkt, es kann gar nicht abgefahrener werden, legt Neudi noch einen drauf. Den (momentanen) Vogel schießt jetzt die Wiederveröffentlichung von HELLBREATH' einzigem Album "Slave Of God" ab.

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Das Infoschreiben bezeichnet HELLBREATH als "Geheimtipp für Eingeweihte", was sich jetzt aber ändern sollte, wo "Slave Of God" einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Schon beim ersten Durchlauf der Aufnahmen aus dem Jahr 1988 wird mehr als deutlich, warum HELLBREATH schon damals ein Geheimtipp waren und auch blieben. Für die Recordings an sich mieteten HELLBREATH eigens ein ganzes Haus und arbeiteten in aller Ruhe an der Scheibe. Ebenfalls einen komplett anderen Ansatz wählten HELLBREATH bei der Cover-Gestaltung, indem sie, entgegen der damaligen Norm, ein Kunsterk auf's Cover packten und komplett auf reißerische Fotos verzichteten. Was "Slave Of God" aber zu einem wirklich abgedrehten und im positivsten Sinne des Wortes kauzigen Album macht, ist die Musik, die HELLBREATH hier abliefern. Ursprünglich hatten HELLBREATH recht wenig mit dem Metal-Hype der 80er am Hut und verorteten sich eher in der Tradition von LED ZEPPELIN, SABBATH, DEEP PURPLE oder PINK FLOYD. Das änderte sich, als mit METALLICA, SLAYER oder EXODUS (von der Band selbst genannt) der Speed- und Thrash-Zug fahrt aufnahm. Was also machen, wenn man sich Neuem zuwenden will, aber auch die alten Einflüsse nicht verleugnen mag? Richtig, man kombiniert beides munter miteinander. Sowas mag in heutigen Zeiten kein Problem sein, aber 1988 war die breite Masse doch engstirniger. Dabei beginnt "Slave Of God" recht speedlastig mit 'Satan's Calling' (erinnert mich zuweilen sogar an 'Nosferatu' von CORONER). Anstatt diese Speedgranate aber gnadenlos von Anfang bs Ende durchzuziehen, wird's ab der Mitte des Songs sogar richtig klassisch-progressiv und ich höre da sogar eine klitzekleine Sequenz, die mich tatsächlich an 'Straßenfieber' von Udo Lindenberg erinnert. Der nachfolgende Titelsong treibt es dann geradezu auf die Spitze, denn hier stehen auf über neun Minuten Thrash-Riffing und Classic Rock auf einer Stufe. Für meinen Geschmack etwas zu lang geraten der Song. In die gleiche Kerbe haut das anschließende 'Gamber', dieses Mal in einer annehmbaren Länge. 'Riding Free' ist der einzige Song auf "Slave Of God", der durchgehend straight rockt, gar an 'Two Minutes To Midnight' von IRON MAIDEN denken lässt. Dass die Band wohl mit ihrer Einschätzung, EXODUS als Einfluss zu bezeichnen, richtig liegt, beweist 'Invasion Of The Undead', obwohl ich hier sogar DESTRUCTION raushöre. Richtig abgedreht wird's dann nochmal bei den Longtracks 'Chainsaw Massacre/ Empire Of Lords' und 'No Clemency', wobei erstgenannter Song so ziemlich alles auffährt, was an Stilen möglich ist, von der Thrash-Granate über Progressive Rock hin zum straighten Metal-Song, um schlussendlich zum frickligen Tech-Thrasher zu werden. Dieser für die damalige Zeit sehr ungewöhnliche und extrem kauzige musikalische Ansatz konnte schon alleine für sich gesehen keine offenen Türen einrennen. Ein weiter Punkt dürfte die Leistung des Sängers gewesen sein, der eben auch mehr als, ähem, kauzig klingt, und schon öfters mal komplett daneben liegt oder einfach nur überfordet. Ich lege mich einfach mal fest, wenn ich sage, dass selbst mit dieser Musik, aber einem echt fähigen Shouter, auch 1988 mehr möglich gewesen wäre. Abgerundet wird die Wiederveröffentlichung von "Slave Of God" mit fünf Songs der Nachfolgeband FRANTIC FRONT. Diese Songs (obwohl immer noch ein wahrer Stil-Mischmasch) wildern eher in Death Metal-Gefilden und klingen Eins A wie eine Weiterentwicklung des HELLHAMMER-Sounds.

"Slave Of God" entstand damals komplett in Eigenregie und das hört man der Scheibe auch an, auch wenn die originalen Masterbänder von Neudi remastert wurden. Das sollte man immer beim Genuss von "Slave Of God" im Hinterkopf behalten (auch wenn's wieder einige Nörgler geben wird, die das ganz bestimmt nicht als Genuss bezeichnen würden, eher wohl als Folter für die Ohren - die Frevler!). Dass die Musiker nicht unbedingt jeden Ton treffen, finde ich eher charmant. Abgerundet wird diese Veröffentlichung mit einem Booklet, in welchem sich zuvor unveröffentlichte Fotos und Abbildungen befinden, sowie ein Interview mit der Band. Die von mir hier vergebenen neun Punkte sind also mit Vorsicht zu genießen und richten sich eher an die Hörer, die sich einfach über ein weiteres obskures Album aus der ersten Hochzeit des Metals aus Deutschland freuen oder aber die, bei denen ähnlich kauziges Material wie BROCAS HELM oder SLOUGH FEG schon zum Frühstück auf Dauerrotation läuft.

Gesamtwertung: 9.0 Punkte
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Trackliste Album-Info
01. Satan's Calling
02. Slave Of God
03. Gambler
04. Riding Free
05. Invasion Of The Undead
06. Chainsaw Massacre/ Empire Of Lords
07. No Clemency
08. Edge Of Insanity (FRANTIC FRONT-Demo)
09. Damaging The Cemetary(FRANTIC FRONT-Demo)
10. Cut You In Little Pieces (FRANTIC FRONT-Demo)
11. Remained Alive (FRANTIC FRONT-Demo)
12. Victim Of Society (FRANTIC FRONT-Demo)
Band Website: www.facebook.com/Goldencorerecords/
Medium: CD
Spieldauer: 79:26 Minuten
VÖ: 16.07.2021

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