Empyrium - Über Den Sternen

Review von Zephir vom 30.03.2021 (5227 mal gelesen)
Empyrium - Über Den Sternen Jedem einzelnen Album von EMPYRIUM wohnt ein ganz besonderer Zauber inne. Wohl kaum eine Formation hat im Laufe der Jahre so viele musikalische Metamorphosen durchlaufen und ist dabei dennoch dem eigenen Stil, der eigenen Ästhetik, dem eigenen Wesen so konsequent und unverwechselbar treu geblieben. Nach den doomigen Anfängen Mitte der 1990er folgte eine neoklassisch und neofolkig inspirierten Phase, und das nach einer längeren Pause erst 2014 erschienene letzte Album trug schließlich einen unerwarteten, aber stimmigen modernen Anstrich. Seit "The Turn Of The Tides" sind sieben Jahre vergangen, und die 2015er EP "The Mill" liegt immerhin auch schon wieder sechs Jahre zurück. Dabei waren Markus Stock alias Schwadorf und Thomas Helm in der Zwischenzeit nicht untätig: Erst 2019 brachten die beiden nach ebenfalls recht langer Zeit endlich wieder ein Album von NOEKK heraus, und was die Arbeit explizit von Markus Stock angeht, so erschien in den letzten Jahren so einiges Neues von EWIGHEIM, SUN OF THE SLEEPLESS und THE VISION BLEAK.

Entsprechend groß waren meine Spannung und Vorfreude, als mit "Über den Sternen" endlich auch wieder ein neues Werk der Marke EMPYRIUM angekündigt wurde. Herausgekommen ist ein faszinierendes Album voller düster-romantischer Momente, das einmal mehr etwas völlig Neues ist und gleichwohl wirkt, als hätten die beiden Künstler das gesamte Schaffensspektrum von EMPYRIUM zusammengefasst und obendrein eine feine Prise NOEKK’scher Progressivität hinzugefügt. Gleich der Opener 'The Three Flames Sapphire', der auf einer Volkssage aus der Rhön basiert, fährt nahezu alles auf, was EMPYRIUM je ausgezeichnet hat: Neben melancholischer Akustikgitarre auch dramatische E-Saiten, neben dem weichen, verträumten, klassischen Gesang von Thomas Helm auch Cleangesang, raunende und harsche Vokals von Schwadorf; Violine und Cello sind ebenfalls vertreten (Aline Deinert und Robina Huy) und sogar eine Flöte, die sofort an Zeiten von "Songs Of Moors & Misty Fields" (1997) denken lässt und auch wieder von Nadine Stock eingespielt wurde. 'A Lucid Tower Beckons On The Hills Afar' überrascht dann recht unvermittelt mit Hackbrett, dunkelmetallischer Wucht und heiserem Gefauche, dazu gesellt sich das oben bereits als progressiv erwähnte feine harmonische Experiment, das mich durchaus an NOEKK erinnert. Musikalisch passiert viel in diesem Track, der anfangs mit heftigen Drive losstürmt und zwischenzeitlich mit folkig-versonnener Atmosphäre, mit Flüsterstimme und Cello spielt. Und obwohl nichts wiederholt oder kopiert wird, obwohl alles neu und abermals ganz anders klingt als sämtliche vergangenen Alben, blitzen immer wieder Reminiszenzen auf, so ich hier stellenweise an 'The Blue Mists Of Night' denken muss. Weiterhin dämmert im Laufe des musikalischen Geschehens die vage Ahnung, dass auch Freunde von AGALLOCH vielleicht einmal reinhören sollten. Wer wahrhaftig jemals geglaubt hat, dem Schaffen von EMPYRIUM sei nach "Weiland" (2002) nichts mehr hinzuzufügen gewesen, der wurde schon lange eines Besseren belehrt ...

Durchatmen kann man erst mit 'The Oaken Throne', einer melancholischen Ballade, die mit dem entrückten Hall auf Instrumenten und Vocals eine Menge von dem zeitgenössischen Sound der zehner Jahre abbekommen hat, in ihrer mystischen Naturverbundenheit aber gleichzeitig durchaus auch an die Ära "Weiland" erinnert. Bei 'Moonrise' handelt es sich alsdann um einen rein instrumentalen Track. Akustische Gitarrenstücke gab es schon auf "Where At Night The Wood Grouse Plays" (1999), aber neu ist nun der Klang der Stahlsaiten, der dem Track gerade im Kontrast zu den früheren weich und waldhölzern schmeichelnden Nylonseiten eine kühle, silberne Mondeslicht-Atmosphäre verleiht. Wir bleiben weiter im Himmel und bei den Sternen: 'The Archer', getragen von einem melancholischen Drumming wie anno 2006 'Der Weiher', ist mit viel Hall weichgezeichnet, dabei trotz des introvertierten Arrangements mit Akustikgitarre und Flöte ebenso clean und klar wie die Produktionen von 2014 und 2015.

Seinen schwarzromantischen Höhepunkt erreicht das Album mit 'The Wild Swans': Anleihen von Blackgaze mischen sich mit Neofolk und Neoklassik, untermalt von atmosphärischen Synthesizern - dieser märchenhaft-mystische Song ist exemplarisch für die neue und ebenso altvertraute Stimmung, die EMPYRIUM bei all ihrer Wandlungsfähigkeit unverwechselbar macht. This deceitful magic to never be undone / With every dawns awakening a feathered coat is spun … Eine weitere Reminiszenz liefert 'In The Morning Mist', denn der Nebel war auch in der Vergangenheit schon lyrisches Thema von EMPYRIUM. Hierbei handelt es sich abermals ein wehmütiges Instrumental, das seinen ganz eigene Atmosphäre durch das auf nahezu dem ganzen Album präsente Hackbrett erhält - der metallische, glitzernde Sound des Instruments kontrastiert mit der lyrischen Streicherstimme.

Schließlich erhebt sich der Titeltrack 'Über den Sternen' als zehnminütiges Kunstwerk in den Zenit der Nacht und weit darüber hinaus. Hier wird noch einmal alles aufgefahren, was das gesamte Album an epischem, lyrischem, mystischem und sagenhaftem Gehalt in Musik und Text zu bieten hat. Der Titel entstammt übrigens einem Schiller-Zitat, welches Schwadorf bei einer Inszenierung der "Räuber" begegnete. Ebenso programmatisch wie 'Über den Sternen' für den Bandnamen EMPYRIUM steht, ist dieser mal von E-Gitarren und heiserem Gefauche dominierte, mal schwermütige und kontemplative, mal neoklassische und versonnene Track für das Album. Einen Bonus-Track gibt es je nach VÖ-Variante mit 'The Crimson Heath': Dieser überrascht abschließend mit perkussiven Rhythmusspielen, leicht experimentellen Harmonien und einer Mischung aus Folklore und Modernität.

Mit "Über Den Sternen" haben EMPYRIUM eine weitere musikalische Entwicklungsstufe mit neuen Sounds und Arangements durchlaufen - und klingen doch so charakteristisch nach EMPYRIUM wie eh und je. Das Gesamtkunstwerk wird übrigens abgerundet durch ein märchenhaftes Coverart von Fursy Teyssier (LES DISCRETS); das von Prophecy produzierte Digibook kommt zudem mit sämtlichen Songtexten, Erläuterungen aus Schwadorfs Feder sowie passenden Fotografien aus der immer wieder besungenen Region. Damit ist "Über Den Sternen" wie jedes einzelne EMPYRIUM-Album nicht einfach Musik, sondern ein intensives ästhetisches Erlebnis. Wer wie ich ein langjähriger treuer Fan ist, wird begeistert sein von dem neuen Gewand mit altvertrautem, nostalgischem Charme.



Gesamtwertung: 10.0 Punkte
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Trackliste Album-Info
01.The Three Flames Sapphire
02. A Lucid Tower Beckons On The Hills Afar
03. The Oaken Throne
04. Moonrise
05. The Archer
06. The Wild Swans
07. In The Morning Mist
08. Über Den Sternen
09. The Crimson Heath (Bonus Track)
Band Website: www.empyrium.de
Medium: CD, LP
Spieldauer:
VÖ: 26.02.2021

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