Paradise Lost - Obsidian | |
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Review von Damage Case vom 04.05.2020 (12728 mal gelesen) | |
![]() Was darf man vom sechzehnten Werk einer Institution wie PARADISE LOST erwarten? Der Opener 'Darker Thoughts' empfängt mit Klargesang und Akustikgitarre, bis dann elektrische Gitarren und Growls übernehmen und gegen Ende in epische Gitarrenleads, wie sie nur Greg Mackintosh spielt, übergehen. So muss ein PARADISE LOST-Album beginnen, damit sich der geneigte Fan direkt wie zuhause fühlt. 'Fall From Grace' startet so, wie man es von den vergangenen beiden Alben kennt: düster, doomig, Death Metal-Grunts. Seit Nick Holmes 2014 bei BLOODBATH eingestiegen ist, setzt er diese Laute auch wieder verstärkt bei seiner Stammband ein. Nur eben im Wechselgesang mit klarer Stimme ("We're all alone" im Refrain - typischer geht es für die zynische Briten kaum), die auch diesen, wie auch alle anderen Songs von "Obsidian" auflockert. Muss man mögen, für Puristen ist das nichts. An dritter Stelle folgt mit 'Ghosts' der schnellste Song des Albums, der zwar von Breaks unterbrochen wird, in den Strophen aber mit feiner Basslinie und tiefer Gesangsstimme einen gewissen Gothic-Rock-Charme verbreitet. 'The Devil Embraced' ist ein wenig unauffällig, mit knapp über sechs Minuten auch um ein Drittel zu lang geraten, wobei das garstige Ende ab Minute fünf noch der beste Teil ist. Stilistisch würde diese, von einer Orgelmelodie begleitete, grimmige Walze am besten auf dem bärenstarken "Tragic Idol" (2012) reüssieren, wohl aber eher als B-Seite mit durchgängigem Klargesang. 'Forsaken' steigt mit gesampeltem Frauenchor und Klargesang ein, erinnert dann schnell an die seligen "Icon" (1993) und "Draconian Times" (1995), als Nick Holmes gesanglich den James Hetfield machte. Das Tempo wird leicht angezogen, stramm geht es durch den gesungenen Refrain "We're all forsaken", es gibt Keyboards und die seit 'Embers Fire' beste flirrende Gitarrenmelodie. PARADISE LOST in Höchstform! Mit 'Serenity' wird es wieder deutlich finsterer, Nicks Gesang imitiert wieder das Krümelmonster und es hat ordentlich schlechte Laune. Der Song stampft etwas weniger als fünf Minuten auf der Suche durch seine musikalische Heimat durch die Flora - und findet sich auf der etwas zwiespältigen Rückbesinnung "In Requiem" (2007) am besten wieder. Anschließend dann der Song, den man bereits beim ersten Hördurchgang zu kennen glaubt: 'Ending Days' atmet den Vibe von "Draconian Times" (eine langsamere Version von 'Yearn For Change' und 'I See Your Face' mit ähnlichem Motiv). Das grenzt zwar an blanke Selbstkopie, aber wenn man einen Song im Stile eines ikonischen Albums verfasst, musst das nicht wirklich etwas Schlechtes bedeuten, vor allem wenn man in diesen viereinhalb Minuten besser und authentischer klingt, als auf allen Alben zwischen 2000 und 2010. Wenn ein Song mit dem Titel 'Hope Dies Young' folgt, glaubt man bei PARADISE LOST auf ein Doom-Monster zu stoßen. Auf den beiden letzten Alben wäre das womöglich auch so gewesen, man denke nur an 'No Hope In Sight' - aber weit gefehlt. Das Stück ist neben 'Ghosts' das rockigste des Albums und so langsam geht dem Hörer das Licht auf, dass die Anreicherung des aktuell todesdoomigen Sounds um jenen der Jahre 1993 bis 1995 den musikalischen Masterplan beim Schreiben von "Obisidian" lieferte. 'Ravenghast' liefert abschließen das Finale nach Maß: finster, schleppend, angedeutete Blastbeats, doomig, dramatisch, hoffnungslos, Wechselgesang, PARADISE LOST. Die beiden Bonus-Songs 'Hear The Night' und 'Defiler' wurden vom Label nicht zur Verfügung gestellt. Man darf gespannt sein, denn PARADISE LOST sind bekannt für hochkarätige Extras, die teilweise besser sind als die eigentlichen Albumsongs beziehungsweise sogar zu ihren besten Aufnahmen zählen (zum Beispiel 'Sweetness', 'Cruel One', 'Never Take Me Alive', 'The Last Fallen Saviour' und 'Albino Flogged In Black'). Das Coverartwork ist leider etwas fade und einfallslos geworden, "Tragic Illusions 25" und "Tragic Idol" hatten in dieser Kategorie in jüngerer Vergangenheit deutlich die Nase vorn - macht 0,5 Punkte Abzug wegen optischer Langeweile. Fazit: Die aktuelle Phase seit "The Plague Within" erinnert an die Drei-Alben-Phase "Shades Of God" bis "Draconian Times". Ein Stil wird definiert, verfeinert und aufgelöst. Greg Mackintosh verleiht jedem einzelnen Song einen Hammersolopart sowie spannende Melodien - die zahlreichen Selbstzitate stören nicht wirklich, sie schaffen eher Erinnerungen an die Tage, als PARADISE LOST noch die Zukunft des Metals waren. Nach 2020 wird vielleicht eine neue Phase beginnen. Welche das sein wird? Nick und Greg werden sicher bereits eine Richtung im Kopf haben. "Obsidian" ist auf jeden Fall das abwechslungsreichste und auch beste Album seit dem grandiosen "Tragic Idol" und könnte irgendwann, wenn PARADISE LOST sich einmal zur Ruhe gesetzt haben werden, in der Gunst ihrer Anhänger in der oberen Hälfte der Banddiskografie stehen. Wunsch: Eine Wiederholung des 1993er Tour-Packages mit SEPULTURA. Beide Bands standen damals für den neuen Metal und sind ihrer Vision vom steten Wandel bis heute treu und somit relevant geblieben. Beide Acts nochmal auf einer Bühne vereint wären nicht nur ein Nostalgiefest, sondern auch eine Demonstration zweier Größen, die sich 2020 in einer Verfassung befinden, die auf noch viele weitere Großtaten hoffen lässt. Drei Anspieltipps: 'Darker Thoughts', 'Ghosts' und 'Forsaken' sind drei Highlights eines starken Albums, die man auf der irgendwann stattfindenden Tour hoffentlich live wird abfeiern dürfen. Gesamtwertung: 8.5 Punkte ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() | |
Trackliste | Album-Info |
01. Darker Thoughts 02. Fall From Grace 03. Ghosts 04. The Devil Embraced 05. Forsaken 06. Serenity 07. Ending Days 08. Hope Dies Young 09. Ravenghast | Band Website: www.paradiselost.co.uk Medium: CD Spieldauer: 45:18 Minuten VÖ: 15.05.2020 |
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