Interview mit David Becker (Gesang) von Thorn Eleven

Ein Interview von Souleraser vom 30.03.2004 (4948 mal gelesen)
Alternativ rockender Nachwuchs aus deutschen Landen. Thorn.Eleven haben mit "A different view" ein wirklich beachtliches Rockalbum vorgelegt.
Zwischen den ersten Gigs der zugehörigen Tour fand Frontmann David Becker Zeit, ein paar meiner Fragen zu beantworten.

  Hi Thorn.Eleven. Ich kannte euch als Band noch nicht, aber mit "A different view" habt ihr mindestens einen neuen Fan dazu gewonnen.

  Für all diejenigen, die die Band noch nicht kennen, könntet ihr euch bitte kurz vorstellen? Insbesondere die unterschiedlichen Bands und Stilrichtungen, in denen ihr Erfahrungen gesammelt habt, sind sicherlich für viele Leser von Interesse.

David:   Gerne. Also hier eine kurze Bandgeschichte in Zeitraffer: Aus der Taufe gehoben haben wir Thorn.Eleven am Jahresende 1996, Gründungsmitglieder waren Matthias Heinz (Gitarre), Kai Mücke (Bass), David Becker (Gesang) und Mathias Wienand (Schlagzeug) - inzwischen spielen wir nach einigem unerfreulichen hin und her zu unser aller Freude wieder in Originalbesetzung. Live unterstützt uns mittlerweile unser langjähriger Bandzivildienstleistender Markus Schmitt mit ein paar Synths und sonstigem Gefrickel. Leider ist es aus organisationstechnischen Gründen aber nicht immer möglich, ihn mitzunehmen... Vorher haben wir schon alle in anderen Bands gespielt. Ich habe zuerst in einer tierisch schlechten Combo als Gitarrist gespielt, in der wir ein paar Metallica-Songs sehr mies gecovert und ein paar eigene richtig schlechte Songs gespielt haben, die ich stilistisch nicht einordnen kann. Später wurde es dann mit einer relativ punk- und rocklastigen Band schon ein ganzes Stück besser. Die Band hat sich irgendwann nach dem Ausstieg des damaligen Sängers von einem Quartett auf ein Trio verkleinert und ich habe meine ersten Gesangsversuche gestartet. Als Trio haben wir ziemlich stark in Richtung Helmet o.ä. geklungen. Von den anderen weiß ich, daß in ihrer Laufbahn von Death Metal über Rockabilly und Punk so ziemlich alles vertreten war. Kai und Mathias haben kurz vor unserer Gründung z.B. noch zusammen in einer Punkband geschraddelt...

  Was hat es mit dem Bandnamen und der Schreibweise von THORN.ELEVEN auf sich?

David:   Eine häufig gestellte Frage, auf die es leider keine zufriedenstellende Antwort geben wird. Zu Anfang hießen wir einfach nur Thorn, später haben wir dann herausgefunden, daß mindestens noch acht weitere Bands in Europa sich mit dem selben Namen schmückten - eine davon hatte ihn angeblich sogar schützen lassen. Um also Ärger und Verwirrung zu vermeiden, haben wir uns entschlossen, einfach die elf anzuhängen - eine Zahl, die innerhalb der Band zwar eine Bedeutung hat, aber selbige leider nicht preisgegeben wird (vor allem, weil es einfach immer wieder nett ist, die Ideen anderer Leute zur Bedeutung des Bandnamens zu hören). Von dem irgendwann später einsetzenden Boom an Bands mit Zahlen in ihrem Namen haben wir zu der Zeit noch nichts geahnt... Der Punkt sollte als Trennungszeichen einfach die 11 als neues Anhängsel repräsentieren und vom alten Namen abgrenzen.

  "A different view" heißt das neue Album. Ein anderer Blickwinkel worauf und was hat sich am Blickwinkel geändert?

David:   Der Titel steht zum einen für unsere veränderte Sichtweise unserer Musik gegenüber. Im Nachhinein fanden wir die Produktion unseres Debütalbums (das wir mit Andy Sneap aufgenommen haben) einfach zu steril und metallastig. Mit dem neuen Album wollten wir hin zu einem rockigeren und erdigeren Sound und haben wesentlich mehr Wert auf das Feeling und die Stimmung innerhalb der Songs gelegt, als auf eine technisch perfekte Produktion und einen glattgebügelten Sound. Zum anderen hat sich unser Blickwinkel auf das Musikgeschäft in den letzten Jahren komplett verändert. Man muß sich zu oft um Vermarktung und andere geschäftliche Dinge kümmern, dauernd irgendwelche Kompromisse eingehen. Am Ende fehlt einem da manchmal fast die Kraft und Energie, sich auf das eigentlich wesentliche, nämlich die Musik bzw. das Schreiben guter Songs zu konzentrieren. Wenn man dann noch voll erwerbstätig ist, weil wir noch lange nicht von der Musik leben können, läuft man Gefahr, irgendwann einfach total ausgebrannt zu sein.

  Der Großteil oder sogar alle Lyrics entstammen der Feder von David Becker. Woher kommen die Ideen?

David:   Das stimmt, die Texte stammen allesamt von mir. Die Ideen dazu ziehe ich aus den Dingen, die mich bewegen bzw. aus allem, was einem so im Alltag begegnet. Auf "A Different View" sind die Texte fast durchweg von den Erfahrungen geprägt, die ich / wir seit der Veröffentlichung unseres selbstbetitelten Debütalbums gemacht haben. Klar ist auch der ein oder andere Song dabei, der sich mit zwischenmenschlichen Beziehungen wie z.B. dem ewigen Kampf mit der Liebe auseinandersetzt; die meisten Texte handeln aber eher davon, wie man seinen Weg im Musikgeschäft findet, ohne sich selbst oder seine Freunde in der Band zu verlieren. Dieses Thema war in den letzten zwei bis drei Jahren einfach ständig so präsent, daß eine Auseinandersetzung damit ganz automatisch kam und sich dann - zumindest für mich - wie ein roter Faden durch die Songs gezogen hat. Letzlich ist es mir aber völlig egal, ob jemand, der die Platte hört und die Texte liest, genau das nachempfinden kann, was ich mit einem Text auszudrücken versucht habe. Es ist doch viel wichtiger das jeder die Texte für sich selbst interpretiert und das darin versteht, was er selbst empfindet.

  Haben die übrigen Bandmitglieder die Möglichkeit, sich in den kreativen Prozess einzubringen?

David:   Die Musik schreiben wir ja alle gemeinsam. Bei den Texten ist es eben einfach etwas schwieriger, weil ich einerseits nur Sachen gut und authentisch singen kann, in die ich mich wirklich komplett hineinversetzen kann. Andererseits ist es bei uns so, daß ich leider derjenige bin, der mit der englischen Sprache am besten zurechtkommt (es sei dahingestellt, ob die Texte jetzt wirklich gut sind oder nicht), weshalb die anderen einfach nur sehr selten mit eigenen Textideen zu mir kommen - ich glaube, in den letzten Jahren ist das sogar überhaupt nicht mehr der Fall gewesen. Gegenüber konstruktiver Kritik bin ich allerdings immer offen und manchmal sogar auf einen "Lektor" angewiesen, der meine Texte noch einmal durchsieht, um mir eine unabhängige Meinung zu geben.

  Wie würdet ihr jemandem, der noch nie von euch gehört hat, in möglichst wenigen Worten den Sound von THORN.ELEVEN beschreiben, wenn gerade nicht die Möglichkeit besteht, eure Songs zu hören?

David:   Oh Mann, das ist immer noch verdammt schwierig, v.a. weil man seine eigene Musik nicht so unabhängig und unvoreingenommen beschreiben kann wie die Musik anderer Bands. Wenn mich jemand fragt, sage ich einfach immer Rock im weitesten Sinne - sehr kläglich, ich weiß... Gerade bei "A Different View" fällt es uns aber besonders schwer, unseren Stil kurz und prägnant zu beschreiben, weil die Songs in unseren Augen sehr unterschiedlich und stilistisch weit gefächert ausgefallen sind. Im übrigen sind wir alle auch keine Freunde dieses ewigen Schubladendenkens, wo die eine Band einfach immer New Metal macht und die andere auf ewig als Ska-Kapelle durch die Lande zieht. Das schränkt auf Dauer doch einfach nur ein. Da hilft am Ende leider doch nur reinhören... :)

  Ende März, genauer am 19.03., beginnt mit der Releaseparty im Weinheimer "Cafe Central" die Livesaison 2004 für euch. Ganz allgemein, bevorzugt ihr die familiäre Atmosphäre eines Clubgigs oder die Power einer Freiluftbühne und vieler Zuschauer?

David:   Beide Livesituationen haben ihre Vorteile, deshalb könnte ich mich nicht spontan für eine davon entscheiden. Das Konzert im Cafe Central ist ja mittlerweile vorbei und hat die Vorteile von Clubgigs für uns mal wieder ganz deutlich gezeigt: ein stickiger Raum, alle schwitzen genauso wie man selbst auf der Bühne und man hat einen direkten Kontakt zum Publikum, ohne Graben und Security dazwischen. Da kann man sich nicht großartig verstellen, sondern muß sich auf das wesentliche beschränken und einfach drauflosrocken... Aber auch größere Bühnen auf Open-Airs haben ihre Reize, mal ganz abgesehen davon, daß man meist wesentlich mehr Menschen erreichen kann (vor allem auch solche, die einen bisher noch nicht kannten). Sommer und Sonne machen es einem oft leichter, die nötige gute Grundstimmung vor einem Konzert zu finden und dann locker spielen zu können. Die Distanz zum Publikum kann dann ja auch ein Vorteil sein, z.B. wenns gerade mal nicht so gut läuft oder man vom Publikum nicht besonders gut angenommen wird.

  Mit welcher Band oder welchem Interpreten würdet ihr gerne mal zusammen spielen? Es spielt dabei keine Rolle, welchem Genre die Band bzw. der Interpret entstammt oder ob die Konstellation überhaupt noch möglich ist, weil z.B. Musiker bereits verstorben sind.

David:   Ich würde definitiv gerne mal mit Social Distortion bzw Mike Ness irgendwo spielen - auch wenn das musikalisch natürlich eigentlich überhaupt nicht paßt. Wir hören im Moment alle relativ unterschiedliche Musik, aber Bands auf die wir uns immer alle einigen könnten, wären beispielsweise Incubus, Our Lady Peace oder Pacifier (ehem. Shihad).

  Gibts Bands, deren Teilnahme euch veranlassen könnte, einen Festivalauftritt oder sogar eine Tour abzusagen?

David:   Einen Festivalauftritt bzw eine Tour würden wir z.B. nur bei Teilnahme eindeutig als in irgendeiner Form bekannter radikaler Bands absagen. Ansonsten kann man sich ja gerade bei Festivals als Zuschauer die Bands, die man sehen will, selbst raussuchen. Wenn also unter 50 Bands ein oder zwei Bands sind, die wir wirklich total scheiße finden, schauen wir sie uns eben einfach nicht an. Bei Tourneen verhält es sich ähnlich, gerade weil man sich zur Zeit nicht wirklich aussuchen kann, mit wem man auf Tour geht. Viel eher muß man als Band unserer Größenordnung ja schon froh sein, wenn sich überhaupt eine Möglichkeit zum touren bietet. Allerdings würden wir auch hier natürlich nicht jede Tournee einfach so mitspielen! Ich denke, daß man z.B. die Böhsen Onkels und uns so schnell nicht auf einer Tour erleben wird :)

  Okay, das war's von meiner Seite. Ich wünsche euch viel Erfolg für "A different view" und die anstehende Tour und überlasse euch hiermit das Schlusswort.

David:   Da bedanke ich mich doch auch recht herzlich für das Interview und die guten Wünsche und hoffe, daß man sich vielleicht irgendwo auf Tour mal persönlich zu Gesicht bekommt...

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