Interview mit Francisco Palomo; Joe Stump von HolyHell

Ein Interview von Elvis vom 18.09.2012 (7873 mal gelesen)
Vor dem Gig im Rahmen der Dortmunder Music Week standen Francisco Palomo und Joe Stump von HOLYHELL uns Rede und Antwort. Während Keyboard-Wizard Francisco gleich gewohnt auskunftsfreudig war, markierte Joe zunächst wunderbar den schweigsamen Rockstar, taute aber dann doch angenehm auf. Viel Spaß dabei!

Wie geht es Euch? Heute ist ja der Abend des letzten Festivalauftritts.

Francisco Palomo: Genau, wir haben das "Ost Fest" in Rumänien gespielt, das "Gods Of Metal" in Italien, das "Rock Fest" in Schweden vor ein paar Tagen und hier in Dortmund ist jetzt die letzte Show. Wir sind sehr gut drauf und glücklich, hier zu spielen, die ganze Energie von den Festivals möchten wir zudem jetzt gerne nehmen und in die Vollendung des neuen Albums stecken.

Das Album wird jetzt ja im September erscheinen und hat sich ein wenig verzögert. War das jetzt wegen den Festival-Gigs oder wolltet Ihr gerne mehr Zeit, um alles richtig auf Hochglanz zu polieren?

Francisco Palomo: Wir fingen mit dem Album an und es lief so weit auch alles gut, bis wir an den Teil der Vocals kamen. Die fingen an, richtig kompliziert zu werden. Wir hatten kein Interesse daran, einfach aufzuhören und nicht all die Experimente zu machen, die wir im Sinn hatten, nur um das Album auf den Markt zu werfen. Dann kamen die Festivals zum selben Zeitpunkt, und die Kombination aus beidem führte dazu, dass wir zunächst nur die EP veröffentlichten, damit die Fans einen Vorgeschmack auf das Album bekommen konnten. Danach wollten wir uns dann auf die Vocals konzentrieren. Wir reden hier nicht von einer einfachen Performance vom Gesang her, sondern es gibt einiges an Layering, viele Effekte und große Chöre, all diese Sachen. Wir wollten das nicht über's Knie brechen, nur um es zeitig zu veröffentlichen, sondern es lieber richtig machen. Der Vocal-Part macht hier einiges aus, das wollten wir nicht einem früheren Veröffentlichungsdatum opfern. Das ist aus meiner Sicht auch die richtige Entscheidung.

Absolut, das sehe ich ganz genauso. Das ist viel besser, als das Album rauszuhauen und ein halbfertiges Produkt unter die Fans zu bringen.

Francisco Palomo: Ganz richtig, so haben wir das auch gesehen. Die Layer sind z. B. von der Band produziert diesmal, unsere Vision ist da ziemlich klar, aber auch sehr komplex. Da wollten wir keinesfalls etwas veröffentlichen, was nicht unserer persönlichen Vision entspricht.

Seit dem ersten Album sind jetzt drei Jahre vergangen. Ist es aus Deiner Sicht eine gute Sache, sich, sagen wir mal, drei Jahre Zeit zwischen den Alben zu nehmen?

Francisco Palomo: Als wir das erste Album 2009 veröffentlichten, gingen wir sehr viel auf Tour. Im Grunde bestand der komplette Rest von 2009 nur noch aus Tour. 2010 war im Grunde auch nicht anders, wir tourten praktisch die ganze Zeit. Letztlich hatten wir gar keine drei Jahre Zeit, sondern am Ende war es nur ein Jahr, das wir zur Verfügung hatten. Bei den ganzen Touren hatten wir nämlich kaum Zeit, uns ins Studio zu begeben und daran zu arbeiten. Wir sind auch keine der Bands, die auf Tour an Songs arbeiten oder auf Tour aufnehmen, zumindest Rough Tracks oder so was. Wir sitzen viel lieber in meinem Studio, machen gemeinsam die Tracks und nutzen lieber die Zeit zusammen sinnvoll zum Besten von allem. Dieses Album ist vielerlei Hinsicht ziemlich komplex, von daher brauchten wir auch Zeit im Studio, um all das zu erreichen, z. B. auch das Gitarren-Layering oder die ganzen sonstigen gemeinsamen Parts. Am Ende brauchte es etwa ein Jahr, um das Ergebnis zu bekommen. Wir haben auf Tour komponiert, aber um ein Album fertig zu bekommen, müssen wir eine Pause vom Touren haben. Da brauchen wir dann unsere Zeit, um zu schreiben und zu produzieren.

Wo Du von Komposition sprichst, wer macht das weitestgehend? Ich denke mal, Du wirst da sehr viel mit zu tun haben...

Francisco Palomo: Ja, richtig und Joe hat…

Joe Stump: Genau, ich habe auch ein paar Tracks schon fertig gehabt, ziemlich starke Nummern. Wobei natürlich alles richtig klasse ist, was wir da gemacht haben.

Francisco Palomo: Wenn wir komponieren, tun wir das an sich zusammen, jeder hat da seinen Anteil, z. B. eben bei den Gitarren-Parts oft Joe. Oder wenn es ein Drum-Solo in der Mitte gibt, dann eben das. Wir sind da ziemlich offen. Der Song nimmt seine Gestalt an, und wenn die Bandmitglieder kommen und die Tracks aufnehmen, eröffnet das noch mal ganz neue Perspektiven. Da kann sich jeder dann auf seine Weise einbringen.

Joe, Du hast die Zeit auch genutzt, um ein neues Solo-Album einzuspielen, richtig?

Joe Stump: Ganz genau!

Kannst Du mir ein paar Takte dazu erzählen?

Joe Stump: Ich würde nicht sagen, dass es eher typisch ist, nicht so wie mein letztes Solo-Album aus dem Jahr 2009. Das war mehr so eine gemischte Sache, mit ein bisschen Speed Metal und neoklassischen Sachen. Das neue Album ist sehr auf neoklassische Sachen fokussiert, sehr heavy, sehr düster und klassisch beeinflusst. Ich spiele immer und ich schreibe ebenso immer. Deswegen habe ich immer jede Menge Material für ein Album. In den Staaten habe ich auch einige Solo-Shows gespielt und auch ein bisschen Touring betrieben für das letzte Album. Diese Platte habe ich jetzt seit Januar oder so fertig. Es gibt wenige Labels, die solche Sachen heutzutage nachfragen. Es ist eine sehr spezielle Nische, diese ganze Gitarrenheld-Fanbasis. Es gibt noch kein festes Veröffentlichungsdatum, ursprünglich sollte es Juli sein, das ist jedoch nicht gerade der beste Monat, deswegen wurde es auf August verschoben. Jetzt kommt es etwa einen Monat vor dem HOLYHELL-Album auf den Markt.

Siehst Du das als völlig losgelöst von Deiner Arbeit mit HOLYHELL an oder gibt es da gewisse Parallelen?

Joe Stump: Francisco gastiert bei ein paar Stücken auf dem Album, das liegt aber nur daran, dass wir Freunde sind und gemeinsam spielen. Wir denken da insgesamt vornehmlich an Fans, die alles kaufen, was ich so mache. Die Gitarrenfans sind sehr hingebungsvoll, was diese Art von Musik betrifft. Es ist letztlich aber ein Mix von Leuten.

Wo würdet Ihr - sofern es denn welche gibt - die wesentlichen Unterschiede zwischen dem neuen Album und dem letzten Album sehen?

Francisco Palomo: Es ist definitiv ein stärkeres Album, es ist heavier, es ist düsterer, auch der lyrische Teil ist tierschürfender und dunkler als das erste Album. Das war jedenfalls der Zustand, in dem die Band war, als wir daran gearbeitet haben. All die Zeit, die wir gemeinsam auf Tour verbracht haben, hat uns zudem beim Schreiben geholfen. Wir haben viel besser verstanden, was jeder in der Band mit einbringen kann. Als wir die Aufnahmen gemacht haben, wussten wir genau, was jeder tun würde. Natürlich wollte jeder das erste Album übertreffen, aber wir wussten eben genau, wie jeder in der Band spielt und tickt, also half uns das schon ziemlich bei der Produktion.

Joe Stump: Es ist viel weiterentwickelter, viel komplexer, es hat sich viel von der Produktion her getan, die Songs sind viel weiter entwickelt und es gibt viel mehr stilistische Elemente. Da gibt es Thrash-Anteile, viel mehr Gitarren, einfach viel mehr verschiedene Sachen. Es gibt auch richtig außergewöhnliche Keyboard-Sachen. Das neue Album ist jedenfalls deutlich gitarrenlastiger.

Wie repräsentativ ist denn die EP für das neue Album?

Francisco Palomo: Es ist schon eine Widerspiegelung des neuen Albums, aber ich muss dazu sagen, dass wir diesmal nahezu konzeptionell sind. Wir denken zwar bei Alben nicht in Richtung Konzeptalbum, aber irgendwie klingen sie am Ende so. Das ist vielleicht Teil der Essenz der Band. Wenn es nun darum geht, ob die EP das ganze Album repräsentiert, muss man es vielleicht wirklich im Gesamtkontext des Albums sehen, warum der eine Song dort ist und der andere an einer anderen Stelle. Insbesondere bei den Lyrics schreibt Maria nicht einfach so, sie schreibt letztlich das ganze Album und nicht nur einen Song. Bei allem hat sie das große Ganze im Blick. Irgendwie gibt es schon einen ganz guten Überblick. Es wird Änderungen bei den Songs geben, wenn das Album veröffentlicht wird. Insbesondere bei 'Haunted' wird es größere Änderungen geben, die die Fans dann sehen werden. Am Ende wird das schon anders klingen als bei den drei vorab veröffentlichten Songs.

Joe Stump: Der Mix wird auf alle Fälle ein anderer sein.

Aber die drei Songs werden alle auch auf dem Album landen, oder?

Francisco Palomo: Ja, aber in anderer Form. Das ganze Album wird einen anderen Mix erhalten, da es noch nicht im Album-Kontext gemischt worden ist. Eine EP setzt insofern andere Schwerpunkte als ein Album. Da geht es auch um den ganzen Kontext. Diese drei Songs sind auf alle Fälle Teil des Albums, ein essentieller Teil sogar. Wir wollten einerseits repräsentative Tracks, andererseits keine Songs, die zu komplex waren; die wollten wir lieber für das Album aufheben, eher als Überraschung für die Fans. Manche Fans werden es mögen, andere werden denken, dass es etwas weit weg ist von der Richtung der Band, jedenfalls wenn man die Entwicklung sieht. Es wird Songs geben, die die Leute überraschen, andere werden die Leute eher an das erste Album erinnern, es ist also eine Mischung aus beidem.

Was ich ziemlich spannend finde, ist die Entscheidung, die EP ebenso wie MANOWAR das Album mit dieser Version des britischen Metal Hammer zu veröffentlichen. Ihr werdet sogar später ja das komplette Album den Käufern nachliefern. Wie seht ihr das unter geschäftlichen Aspekten, das Album sozusagen quasi für lau wegzugeben?

Francisco Palomo: Heutzutage ist es im Business wirklich schwierig. Sobald etwas mal draußen ist, lädt sowieso jeder das Album herunter. Wir glauben immer noch, dass die Fans z. b. Wert auf das Artwork legen und das hat nun mal seinen Preis, aber wir sind nicht wirklich in der Position, wie z. B. die SMASHING PUMPKINS, die einfach alles verschenken. Die haben genug Geld, um das so zu handhaben. Wir müssen immer noch arbeiten und Geld aufbringen, um ein Album zu produzieren. Wir können es daher nicht einfach kostenlos weggeben. Aber wie gesagt, sobald es mal draußen ist, gibt es die Torrents und genauso ging es uns mit dem ersten Album. Wenn es keine Torrents gäbe, hätten wir vielleicht dreimal so viele Exemplare davon verkaufen können. Wenn man sich die Blogs und Torrent-Sites ansieht, haben sich bestimmt 10.000-15.000 Leute das Album einfach so runtergeladen. Das ist nun mal die Richtung, die die Industrie eingeschlagen hat, ob nun zum Guten oder zum Schlechten. Es ist vielleicht auf die Weise gut, dass Label nicht mehr so einfach den Künstler über den Tisch ziehen können, aber ansonsten führt es natürlich dazu, dass das Budget für den einzelnen Künstler deutlich beschnitten wird. Es ist ein Geben und Nehmen. Für die Künstler ist es mittlerweile jedenfalls wirklich eine schwierige Zeit und es ist daher aus meiner Sicht umso wichtiger, dass die Fans vom Künstler das Produkt auch kaufen. Letztlich verlieren vor allem die Künstler.

Vielleicht wäre es wirklich eine gute Idee, wenn die Distribution von den Labels wieder mehr zu den einzelnen Künstlern wandern würde.

Francisco Palomo: Auf eine gewisse Weise, ja.

Digital, vor allem.

Francisco Palomo: Ja, eine Menge Künstler gehen mittlerweile auch diesen Weg. Es ist eine totale Übergangsperiode, und derzeit ist es gerade irgendwo dazwischen. Es gibt immer noch Leute, die das klassische physische Produkt wollen. Wir sind selbst Old School, wir mögen das physische Produkt.

Joe Stump: Ich bin auch jemand, der am liebsten eine klassische CD kauft. Irgendwas Digitales habe ich noch nie gekauft.

Francisco Palomo: Metal ist eines der wenigen Genres, wo der physische Teil noch eine echte Rolle spielt. Die Fans sind den Bands gegenüber da wirklich loyal. Das ist auch fantastisch, aber es wandelt sich alles in Richtung der digitalen Variante.

Joe Stump: Ich denke, das ist auch eine Frage verschiedener Altersklassen, verschiedener Leute und der ganzen Demografie. Die jüngeren Leute in Europa ab 14 Jahren aufwärts sind da auch anders drauf als in den Staaten. Hier sind sogar die jüngeren Leute mehr an physischen Produkten interessiert als in den Staaten. Da hat irgendwie schon jeder 11jährige sein iPhone, für die ist das mit den digitalen Produkten einfach eine andere Sache. Nicht, dass es hier zwangsläufig so anders wäre, aber es kommt wirklich auf die Altersklasse an, die Demografie, den Standort, einfach auf diverse Faktoren.

Ich denke, es hat schon etwas zu bedeuten, dass zumindest in Europa Bands wie z.B. MOTÖRHEAD, die nie so besonders groß im Mainstream waren, heutzutage Top 10 oder sogar Top 3-Positionen in den Charts erreichen können. Das liegt insbesondere an einer loyalen Fanbasis, die das Produkt am Ende wirklich kauft.

Joe Stump: Ganz richtig. Diese Jungs sind auch ständig da draußen, nur so erreicht man diesen legendären Status. Die waren schon immer da draußen.

Wie kann ein Künstler heutzutage den Verlusten aus den Albumverkäufen entgegenwirken? Läuft das über ausgedehntes Touren, was ja auch nicht zwangsläufig so lukrativ ist?

Francisco Palomo: Das ist etwas, was man natürlich nicht illegal runterladen kann. Selbst wenn jemand die Show aufnimmt und z. B. auf YouTube stellt, das ist letztlich nicht dasselbe, wenn man mal darüber nachdenkt. Der komplette Live-Eindruck ist etwas, was man nicht aufnehmen kann. Du musst einfach dabei sein, es spüren, die komplette Energie der Band - das ist es, wohin die Musik sich bewegt, zumindest im Metalbereich.

Joe Stump: Merchandise ist natürlich auch ein Teil. Das macht bei allen Bands natürlich auch was aus.

Habt Ihr über Euer Merchandise denn noch Kontrolle oder habt Ihr das sozusagen "outgesourced"?

Francisco Palomo: Wir sind in einem gewissen Umfang daran beteiligt. Maria ist daran z. B. sehr stark beteiligt. Selbst wenn wir HOLYHELL nicht so sehr als Gesamtkonzept sehen mögen, ist der visuelle Teil doch sehr wichtig. Daran hat sie deswegen starken Anteil. Wir sind zum Glück nicht in der Situation, dass das Label uns alles aus der Hand nimmt.

Joe Stump: Und sie ist sehr detailorientiert und genau, was das betrifft. Das ist cool, denn so sind die Lyrics, das große Gesamte und auch das Merch insgesamt aus einem Guss. Sie ist für diesen Teil auch verantwortlich.

Wenn das Album dann im September erscheint, was werden dann die nächsten Schritte sein?

Francisco Palomo: Wir fangen im Oktober an und spielen Festivals, vornehmlich Gothic-orientierte Festivals. Das ist etwas, wo HOLYHELL bis dato nicht allzu sehr in Erscheinung getreten ist. Im Herbst werden da wohl also einige Shows folgen. Wir werden also konstant touren. Es gibt auch Gespräche über ein paar Headliner-Shows in verschiedenen Ländern, um das Album zu unterstützen. Promotion ist da natürlich sehr wichtig. Das wird auf jeden Fall eine große Rolle spielen.

Joe Stump: Auch, wie in der Vergangenheit, die Kings Of Metal zu supporten, also die Opening Spots bei MANOWAR zu spielen, wird natürlich eine Rolle spielen, da sind wir bei 45-50 Minuten Spielzeit, also längeren Sets.

Wo wir in der Vergangenheit schon darüber gesprochen hatten: wird es irgendwelche Cover-Versionen auf dem neuen Album geben?

Francisco Palomo: Nein, Cover wird es auf dem neuen Album nicht geben. Es wird neue Cover-Versionen bei den Live-Shows geben, aber keine Studio-Versionen. Wir haben das eine Cover auf dem ersten Album gemacht und natürlich die Live-Version von 'Phantom Of The Opera', aber damit soll es erst mal sein Bewenden haben. Die Tradition, live etwas zu spielen, möchten wir beibehalten, aber live funktioniert das für uns besser als im Studio.

Ok, habt Ihr noch ein paar letzte Worte für unsere Leser?

Francisco Palomo: Wir hoffen sehr, dass die Fans unser Album mögen werden, wir haben sehr, sehr hart dafür gearbeitet. Es bedeutet uns sehr viel, wenn ihr die Verzögerung versteht und danken euch sehr, dass ihr bereit seid, zu warten. Es wird das auf alle Fälle wert sein, da verdammt viel Arbeit darin steckt.

Joe Stump: Ich danke einfach jedem für die Unterstützung. Unser neues Album ist ein Fortschritt in jedweder Hinsicht. Das werden wir Euch schon bald beweisen!

Danke, habt eine fantastische Show heute Abend!

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