Interview mit Tom G. Fischer von Celtic Frost

Ein Interview von Opa Steve vom 10.03.2007 (16294 mal gelesen)
Zum Tourauftakt in Köln trafen wir Tom zum relaxten Plausch. Dabei standen Rückblick und Ausblick nach dem grandiosen Comeback auf dem Themenplan.

  Ihr habt nun einigen Abstand zur letzten CD - "Monotheist" ist ja nun einige Monate auf dem Markt....

Tom G. Fischer:   ... "Abstand" ist relativ. Wir haben schließlich 4 1/2 Jahre an dieser CD gearbeitet. Wir sind total damit verwachsen - das ist unser Leben. Dieses Album ist eines der wichtigsten Alben, die CELTIC FROST je gemacht haben. Da stecken so viel Emotionen und ehrliche Gefühle drin.

  Das Album war ja ein spannender Schritt für euch. Jetzt im Nachhinein: war der Erfolg so wie erwartet?

Tom G. Fischer:   Ich weiß nicht, ob mir das jemand glaubt, aber ich habe gar nichts erwartet. Das Album ist zu tiefst persönlich. Ich habe das Album für mich gemacht, und auch die anderen haben es für sich gemacht. Ich war nicht zufrieden mit einigen Dingen, die ich früher gemacht habe. Und ich hab mir geschworen: wenn es jemals wieder eine CELTIC FROST Platte gibt, dann muss es eine wirkliche CELTIC FROST Platte sein. Und nicht so eine missratene Fehlgeburt wie manch andere Platte, die wir früher gemacht haben.

  Zum Beispiel?

Tom G. Fischer:   Zum Beispiel "Cold Lake". Und dieses Ziel stand für mich über Allem. Und als ich mit Martin 2001 bei einem Abendessen über die ganze CELTIC FROST Geschichte gesprochen habe, haben wir gesagt, wir gehen erst aus dem Studio, wenn die Platte so ist, wie wir sie haben wollen. Egal ob es 4 Monate oder 4 Jahre dauert. Und das haben wir gemacht. Ob's jetzt Erfolg hat oder nicht ist für mich persönlich nicht so wichtig. CELTIC FROST hat schon einen Ruf, und das ist viel viel mehr, als wir uns jemals erträumt hatten. Was soll ich jetzt noch erwarten? Das wäre alles nur arrogant. Ich bin nicht zurückgekommen, um mich "im Erfolg zu suhlen". CELTIC FROST haben ihren Ruf in der Vergangenheit beschmutzt, und für mich war es wichtig, diese Ehre wieder herzustellen. Ein Album zu machen, hinter dem ich auch noch mit 80 stehen kann, genauso wie ich hinter "Morbid Tales" stehe. Als eine Band, die jedesmal ein radikal anderes Album macht, kannst du den Erfolg eh nicht vorplanen. Selbst "Morbid Tales" war nach HELLHAMMER ein Risiko - "Into The Pandemonium" sowieso.

  Haben sich die Plattenfirmen um euch gerissen, oder habt ihr erst Demos verschickt?

Tom G. Fischer:   Klar haben sie das. Wir haben aber Demos gemacht, weil wir keine Plattenfirma wollten, die von uns eine zweite "Morbid Tales" oder irgendeine Jugendplatte erwartet. Wir wollten eine Plattenfirma, die begeistert von der Musik ist, die wir jetzt machen. Daher haben wir viele Demos gemacht, und in den 4 1/2 Jahren fast alle Songs schon fast in Albumqualität aufgenommen. Die haben wir dann einem kleineren Kreis von Plattenfirmen vorgelegt. Und am Schluss blieben nur 2 Firmen wo wir das Gefühl hatten, dass da wirklich ein Draht zur Musik existiert - und nicht nur zur Bilanz.

  Wie geht es denn jetzt weiter? In aktuellen Interviews lässt du die Zukunft ja immer noch offen.

Tom G. Fischer:   Natürlich. Wir haben hart gearbeitet und wir sind wieder CELTIC FROST. Solange das so bleibt, denke ich, werden wir noch Musik spielen. Gerade haben wir angefangen, ein neues Album zu schreiben. Wir sind mitten in der Europa-Tour, dann kommt noch USA, Australien, Griechenland, Sommerfestivals... - das sind dann über 120 Gigs, und mit Martin mache ich gerade die HELLHAMMER-Veröffentlichungen der ersten Demos im Luxuspaket und das HELLHAMMER-Buch. Wir haben im Archiv noch Sachen, die nie veröffentlicht wurden.

  Der kommerzielle Erfolg ist also kein ausschlaggebendes Argument?

Tom G. Fischer:   Hmmmm, insofern vielleicht, dass wir die Kosten von "Monotheist" nie mehr einspielen können. Die 4 1/2 Jahre im Studio waren sehr teuer und wir sind nicht GENESIS - wir sind nicht reich. Wir haben rund um die Uhr in normalen Jobs gearbeitet und noch woanderes Geld aufgetrieben, um das Album finanzieren zu können. Das war reiner Idealismus. Selbst wenn die Tour und die Verkäufe super laufen, kriegen wir die Kosten auf dem heutigen Markt nicht mehr rein. Die Verkäufe sind aus einem anderen Grund wichtig: denn wenn niemand das Album gekauft hätte, hätten wir die Konsequenzen gezogen, denn dann hätten CELTIC FROST keine Daseinsberechtigung.

  Was habt ihr heute gelernt, wie ihr mit dem Business umgeht?

Tom G. Fischer:   Oh, das ist heute natürlich komplett anders. Wir haben 24 Jahre Erfahrung mit der Musikindustrie, einen Ruf, der einem eine gewisse Power gibt. Wir sind reifer, haben Connections, ein eigenes Label mit Verlag. Somit ist alles unter Kontrolle. Und wir haben zum ersten Mal in der CELTIC FROST Geschichte einen Manager, der wirklich fähig ist.

  Ihr habt das Album mit Peter Tägtgren produziert, den man normalerweise aus seinen Scheiben immer raushört. Bei euch aber gar nicht...

Tom G. Fischer:   ... Das hat Gründe. Wir wollten Tägtgren, weil wir jemanden brauchten, der die Erfahrung mit moderner Studiotechnik wirklich mitbringt. Aber er hat von den 4 1/2 Jahren nur einen Monat mit uns gearbeitet. Daher ist sein Einfluss recht gering. Und zweitens waren wir mit seinem Mix nicht sehr zufrieden. Martin und ich sind zurück in die Schweiz und haben das Album noch zweimal neu gemischt. Daher klingt es nach CELTIC FROST. Aber die Erfahrung mit Tägtgren war sehr intensiv und hat uns viel gebracht. Auch wenn uns der Mix nicht gefallen hat, hat er uns doch weit vorwärts gebracht, und auch menschlich war alles prima - das ist sehr wichtig.

  Wie habt ihr eigentlich den original Gitarrensound wieder hingekriegt?

Tom G. Fischer:   Ich hatte eigentlich immer das selbe Equipment. Bei APOLLYON SUN habe ich viel experimentiert, aber ich spiele jetzt noch das selbe Setup wie auf "Morbid Tales".

  Ich hatte mal eine Band live gesehen - WARHAMMER - die waren verdammt nah dran.

Tom G. Fischer:   [lacht] Das stimmt. Die haben's gecheckt. Aber die leben das genauso fanatisch wie wir.

  Wie kommt Franco klar bei euch? Haben sich seine Erwartungen erfüllt?

Tom G. Fischer:   Ich weiß nicht, welche Erwartungen er hatte. Er hatte es Anfangs unheimlich schwer, seinen Platz in CELTIC FROST zu finden. Aber das ist jetzt auch vorbei - schließlich ist er seit 2002 nun dabei. Das ist nun länger, als Reed St. Mark bei CELTIC FROST war. Und Franco ist der erste Schlagzeuger, der voll am Songwriting beteiligt ist.

  Euren Tourgitarristen habt ihr gerade erst ausgewechselt - an einem ständigen Mitglied an der zweiten Klampfe habt ihr kein Interesse?

Tom G. Fischer:   Vorerst nicht. Wir sind offen, und wenn es musikalisch und persönlich passt, könnten wir uns das vielleicht eines Tages vorstellen. Aber CELTIC FROST wurde als Trio geboren, und wir fühlen uns zur Zeit einfach wohl damit.

  Fühlt ihr euch in der Szene noch zuhause, nachdem die Fans relativ gesehen jünger geworden sind, die Szene vielleicht auch radikaler wurde?

Tom G. Fischer:   Also dass die Szene jünger geworden ist, finde ich prima. Wir haben im Publikum Teenager, die damals unmöglich dabeigewesen sein konnten. Aber auch Leute aus unserer Generation. Und mit musikalischer Radikalität habe ich schon mal überhaupt keine Probleme, sonst hätte ich damals nicht HELLHAMMER gegründet. Das ist Heavy Metal und kein Pop - das muss einfach radikal sein, da muss Bewegung drin sein.

  Und die ideologische Seite?

Tom G. Fischer:   Für Außenstehende war das immer gefährlich. Das ist ein Kommen und Gehen. Black Metal wurde diskutiert, und in den 80ern wurden schon Verbindungen zur rechten Szene nachgesagt. Manchmal hat's gestimmt, manchmal nicht. So etwas muss man von Fall zu Fall betrachten.

  Eine letzte Frage: habt ihr zu H. R. Giger noch Kontakt? Du spielst aktuell eine Gitarre mit seinem Design.

Tom G. Fischer:   Wir haben zu Giger sehr guten Kontakt. Er war erst vor zwei Tagen bei unserem Gig in Zürich. Giger ist ein guter Freund geworden, und wir haben mit ihm gerade an unserem Merchandising gearbeitet - das erste Mal, dass Giger so etwas gemacht hat. Das war ein Zeichen der Anerkennung, dass wir ihn 20 Jahre nie hintergangen haben. Der Kontakt ist noch besser als früher, und wir werden sich auch in Zukunft mit Giger arbeiten.

  Wie kam der Kontakt ursprünglich zustande?

Tom G. Fischer:   Wir hatten ihm schon zu HELLHAMMER-Zeiten ein Demo geschickt, wo wir unsere Ideologie und Vorstellung vorgestellt haben - und das sahen wir sehr nahe bei dem, was seine Bilder ausdrücken. Das ganze düstere Image hat uns musikalisch unheimlich beeinflusst. Und er hat sich auf unser Schreiben hin gemeldet und konnte das nachvollziehen. Und dann kamen CELTIC FROST mit Reed, wobei sich rausstellte, dass Reed mit der Ex-Frau von Giger zusammen ist. Und dann war der Kreis sowieso geschlossen.

  Dann wäre ich mit den Fragen durch und wünsche euch einen guten Gig heute abend!

Tom G. Fischer:   Vielen Dank. Ich bin selbst gespannt. Mein erstes Konzert in Deutschland seit ungefähr 1986. Und ich möchte mich für die Treue, die uns gewisse Fans seit einer Ewigkeit entgegenbringen, bedanken.

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