Interview mit Bernd (Gesang, Gitarre), Ronny (Bass) von Old Mother Hell

Ein Interview von Blaze Breeg vom 24.10.2020 (29114 mal gelesen)
OLD MOTHER HELL gehören zu den eigenständigsten und zweifellos sympathischsten Bands im deutschen Metal-Underground. Nach dem fulminanten selbstbetitelten Debüt im Jahr 2017 steht nun mit "Lord Of Demise" ein bärenstarker Nachfolger in den Läden, der die Fanschar noch vergrößern dürfte. Klar, dass wir Bernd und Ronny vor diesem erfreulichen Hintergrund zu einem Plausch gebeten haben.

Zunächst einmal, Bernd, Ronny, möchte ich mich herzlich für eure Zeit bedanken. Einleitend die wichtigste Frage in diesem Jahr: Wie geht es euch? Seid ihr von Corona weitgehend verschont geblieben?

Bernd: Danke der Nachfrage, rein gesundheitlich sind wir zum Glück bislang verschont geblieben. Dass wir weder Konzerte geben noch selbst auf welche gehen können, ist natürlich maximal beschissen. Sorry, wenn ich das so direkt sage.

Ich würde es nicht anders ausdrücken! Man kann ohne Übertreibung sagen, dass euer Debüt im Underground für reichlich Aufsehen und große Begeisterung gesorgt hat. Wie blickt ihr auf die zurückliegenden Jahre zurück?

Bernd: Ich denke, ich spreche für alle in der Band, wenn ich sage: Die Zeit war Wahnsinn! Keiner von uns hat je so etwas erleben dürfen. Die unverhoffte Zusammenarbeit mit Cruz Del Sur, Einladungen zu Festivals wie dem HELL OVER HAMMABURG, DER DETZE ROCKT oder dem HAMMER OF DOOM und der massive Fan-Support sind einfach unbeschreiblich!

Ich hatte das große Glück, euch im März 2019 mit SANHEDRIN und GATEKEEPER im 7er-Club in Mannheim live erleben zu dürfen. Dieses Package war genial und alle Bands haben abgeliefert. Aber bei euch war die Meute enorm euphorisch, ich stand vorne und es ging richtig ab. Würdet ihr mir zustimmen, wenn ich sage, dass ihr eine ganz besonders enge Beziehung zu euren Fans pflegt?

Bernd: Der Abend hatte etwas Magisches und wird uns noch lange in Erinnerung bleiben. Drei Bands, die sich gegenseitig schätzen und auch persönlich sehr gut verstehen, ein Club voll irrer Fans, für uns zusätzlich noch ein Heimspiel - das war schon eine geile Geschichte. Was deine Frage betrifft: Wir bemühen uns jedenfalls sehr, etwas von dieser unbändigen Energie zurückzugeben. Das fängt schon bei unserem Shop an: Wir versuchen die Preise fair zu gestalten, Ware nach Geldeingang zeitnah zu versenden und gehen selbstverständlich auch auf Autogramm-Wünsche ein. Nach einem Auftritt wollen wir nicht einfach im Backstage-Bereich verschwinden, sondern für ein Bierchen und einen Plausch zur Verfügung zu stehen. Mir als Sänger fällt das leider nicht immer leicht, nach einem Auftritt noch im lauten Club in der Unterhaltung die Musik übertönen zu müssen, insbesondere im Hinblick auf Folgeshows, aber ich will mich nicht beklagen.

Ronny: Ich selbst sehe mich nicht in erster Linie als Musiker oder Künstler, sondern mehr als Heavy Metal- bzw. Hardrock- Fan. Deshalb ist es für mich ganz selbstverständlich, dass ich nach den Auftritten nicht abgeschottet im Backstagebereich abhänge und lieber den Kontakt zu den Leuten suche, die vor Ort im Club oder auf Festivals zugegen sind. Unsere Fans sind ausnahmslos sympathische Menschen, die sehr leidenschaftlich ihre Lieblingsmusik abfeiern. Wer sich da nicht zugehörig fühlt, dem ist auch nicht mehr zu helfen.

Schauen wir auf euren neuen Output, "Lord Of Demise". Erfreulich finde ich den Umstand, dass ihr erneut unter der 40-Minuten-Marke geblieben seid. Ich nehme an, ihr bevorzugt als Fans und Musiker Alben, die auf den Punkt kommen.

Bernd: Ich glaube fast, dass du da eher die Ausnahme darstellst, zumindest haben wir auch schon gegenteiliges Feedback erhalten. Es gab aber nie einen Plan. Ich finde, ein neunter Song hätte dem Album nicht geschadet, aber letztlich muss man es sehen, wie es ist: Wir arbeiten alle Vollzeit, hatten einen Besetzungswechsel am Schlagzeug aufzuarbeiten und spielten in der Zeit seit dem Debüt eine ganze Reihe Auftritte. Irgendwann kam der Punkt, wo wir entscheiden mussten, ob wir noch länger warten oder mit dem vorhandenen Material endlich ins Studio gehen sollten - was wir letztlich auch getan haben.

Ronny: Ein gutes Album sollte maximal 40 Minuten dauern. Mit dieser Zeitmarke liegt man goldrichtig und es schleichen sich keine Füller rein. SAVATAGE - "Hall Of The Mountain King" (39:28), SAXON - "Denim And Leather" (37:43), IRON MAIDEN - "The Number Of The Beast" (40:28), JUDAS PRIEST - "Screaming For Vengeance" (38:50) ... noch Fragen?

Du sprichst mir aus der Seele! Wenn ich mich frage, warum ich eure Platten so mag, lautet eine Antwort immer: Ich habe das Gefühl, ihr steht live bei mir im Wohnzimmer. Wie lange habt ihr am für OLD MOTHER HELL perfekten Sound getüftelt? Und seid ihr eigentlich selbst vollends mit dem Klangbild auf "Lord Of Demise" zufrieden?

Bernd: Stark! Das ist im Endeffekt genau die Wirkung, die wir erzielen wollten. Freut mich extrem, das zu hören. Wir sind definitiv mehr als zufrieden mit dem Sound des Albums. Im Vergleich zum Debüt wollten wir dieses Mal einen etwas weniger räumlichen Klang und dafür mehr "in die Fresse", ohne natürlich einem furztrockenen, modernen Einheitsbrei nachzueifern. Jens Siefert vom RAMA Tonstudio Mannheim hat wieder ein sehr gutes Ergebnis abgeliefert. Zwar mussten wir im Mix die eine oder andere kleine Extrarunde drehen, doch letztlich sind wir genau da rausgekommen, wo wir hin wollten.

Ronny: Wenn du als Band in einem großen Studioraum zusammen live einspielst, hast du schon mal 70% an geilem Sound, wenn der Produzent weiß, welche Mikros wie positioniert werden müssen.

Worin seht ihr als Künstler in stilistischer Hinsicht den größten Unterschied zum Vorgänger?

Bernd: Wir haben von Beginn an bewusst darauf geachtet, uns selbst kein Genre aufzuerlegen, was sich auch in unserer Bandinfo widerspiegelt. Ich weiß, viele Menschen lieben diese Schubladen, aber wir wollten uns da nicht zu sehr einschränken. Letztlich schreiben wir die Songs ja nicht nach einem Plan, sondern so, wie wir eben Bock drauf haben. Wenn du es in Genres ausdrücken willst, würde ich sagen: Die Doom-Einflüsse sind eher klassischen Heavy Metal-Elementen gewichen, weil sowohl ich als auch Michi (von dem auch einige Gitarren auf "Lord Of Demise" geschrieben wurden) hier mehr Berührungspunkte haben, während auf dem Debüt noch etwa die Hälfte der Songs mit unserem ersten Gitarristen Robert entstanden sind, der andere musikalische Schwerpunkte hatte. Wie die Reise in Zukunft weitergehen wird, können wir aber an diesem Punkt selbst nicht sagen. Du wirst aber vermutlich eher keinen Death Metal von uns hören (lacht).

Gibt es einen Song auf "Lord Of Demise", den ihr besonders gelungen findet oder der euch noch mehr als andere am Herzen liegt? 'Betrayal At The Sea' mit seinen "Revenge!"-Shouts dürfte live ein Kracher werden.

Bernd: Mein persönlicher Favorit ist 'Shadows Within', aber eher inhaltlich, nicht weil ich ihn als gelungener als den Rest empfinde. Er behandelt ein sehr dunkles, zum Glück vergangenes Kapitel in meinem Leben, geprägt von Depressionen und einer heftigen Angststörung. Übrigens ebenso wie der Titelsong 'Lord Of Demise', der auf einem Alptraum aus eben dieser Zeit basiert. Bei der Nummer bin ich besonders stolz auf die Strophen zu Beginn. Laurent Teubl (Gitarrist/Sänger von CHAPEL OF DISEASE), in dessen Sculpt Sound Studios wir die Vocals aufgenommen hatten, war mit den ersten Takes nicht so zufrieden und stachelte mich an: "Ich möchte diese Verzweiflung spüren können, wenn du singst." Ich habe mich daraufhin mental wieder in diesen Abgrund begeben, stand mit Tränen in den Augen hinterm Mikro und habe diese ganzen Emotionen in einen einzelnen Take gelegt. Zum Glück wurde es dieser Take dann auch auf dem Album, denn noch mal zurück an diesen Punkt gehen war keine Option mehr.

Wie steht ihr eigentlich zu Coverversionen? Ihr habt inzwischen fraglos genug eigenes Songmaterial, um einen tollen Headlinergig zu bestreiten. Aber gibt es Nummern von anderen Künstlern, die ihr mit OLD MOTHER HELL gerne mal live spielen würdet?

Bernd: Das Thema taucht immer mal wieder auf, aber letztlich scheitert es meist schon an der Songauswahl. Ich persönlich möchte auch kein Lied covern, bei dem ich nicht das Gefühl habe, dass es anschließend mindestens gleich gut, wenn nicht sogar besser klingen würde. Damit fallen für mich richtig geile Stücke fast schon raus, weil ich zu viel Angst hätte, sie zu verhunzen. Und einen mittelmäßigen Song will ja auch keiner hören, oder?

Ich bin ein großer Freund der berühmten Inselfrage, daher verschone ich euch auch nicht damit. Angenommen, ihr dürftet nur fünf Alben in die Einsamkeit mitnehmen, welche wären dies?

Bernd: Für mich wären das wohl die folgenden fünf Scheiben, aber mir würde trotzdem enorm viel fehlen ... PAIN OF SALVATION - "In The Passing Light Of Day", DEPRESSIVE AGE - "Symbols For The Blue Times", NEVERMORE - "Nevermore" (das selbstbetitelte Debüt), LEFAY - "The Seventh Seal", SAVATAGE - "Dead Winter Dead".

Ronny: Wenn ich nur fünf Platten für eine einsame Insel wählen dürfte, dann wären es überwiegend Liveplatten, die mich aus der Einsamkeit heraus in eine energiegeladene, schweißtreibende Liveshow hineinziehen können. Da man auf einer Insel auf die Jagd gehen muss, habe ich noch die STONES dabei, weil diese Platte immer bei mir laufen muss, sobald ich am Grill stehe: QUEEN - "Live At The Rainbow '74", MOTÖRHEAD - EVERYTHING LOUDER THAN EVERYONE ELSE, THIN LIZZY - "Still Dangerous: Live At The Tower Theater Philadelphia 1977", RORY GALLAGHER - "Check Shirt Wizard (Live in '74)", THE ROLLING STONES - "Exile On Main St."

Sind im laufenden Jahr Platten erschienen, die bis dato noch nicht so viel Aufmerksamkeit bekommen haben und die ihr unseren Leserinnen und Lesern ans Herz legen möchtet?

Ronny: Dieses Jahr sind wieder einige hervorragende Platten erschienen. Da möchte ich gerne sechs Empfehlungen geben für Alben, die leider ein bisschen unter dem Radar laufen und meiner Ansicht nach mehr Aufmerksamkeit verdient hätten: PALE DIVINE - "Consequence Of Time", DEATH THE LEVELLER - "II", PURIFICATION - "Perfect Doctrine", THE SPIRIT CABINET - "Bloodlines", CARDINALS FOLLY - "Defying The Righteous Way", LORD VIGO - "Danse De Noir".

Bernd, Ronny, herzlichen Dank für eure Antworten. Ich hoffe sehr, dass "Lord Of Demise" die Aufmerksamkeit erhält, die diese tolle Scheibe zweifellos verdient. Bleibt gesund und munter - auf neue energiegeladene Live-Erlebnisse in nicht allzu ferner Zukunft!

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