Ein Interview von Opa Steve vom 24.07.2018 (19237 mal gelesen)
69 CHAMBERS aus der Schweiz bestehen zu zwei Dritteln aus CORONER, dennoch ist der Stil ein völlig anderer. Und vor allem stilistisch deutlich offener. Grund genug, mit Sängerin Nina nach den zweiten tollen Review in Folge einen Plausch zu führen.
Hallo Nina, nach sechs Jahren ist mit "Machine" euer drittes Album binnen neun Jahren erschienen. Hat es diese Zeit gebraucht, um die den Qualitätsanspruch zu erfüllen, oder gab es andere Gründe für die lange Pause bei euch?
Nina: Hi Stefan! Die lange Pause war nicht geplant, sie ergab sich unter anderem dadurch, dass Tommy sehr beschäftigt war mit seinem Tonstudio und außerdem seine alte Band CORONER wiederbelebte. Diego stieg bei CORONER mit ein. Ich war derweil viel unterwegs in meinem Job als Autojournalistin. Zugegebenermaßen gab es auch eine Zeit, in der ich mir überlegte, 69 CHAMBERS aufzugeben, aber ich konnte es einfach nicht lassen, neue Song zu komponieren und Diego und Tommy waren sofort Feuer und Flamme fürs Weitermachen. So kam es dann doch zum dritten Album. Natürlich wäre es besser gewesen, weniger Zeit verstreichen zu lassen, aber im Nachhinein tat uns die Pause musikalisch wahrscheinlich nicht schlecht.
Welche Auswirkung hatte die Reaktivierung CORONERs auf euch, zumal sich ja - von dir abgesehen - der Rest der Band aus dem aktuellen CORONER-Lineup zusammenstellt?
Nina: Dass unser langjähriger Drummer Diego bei CORONER einstieg, nachdem deren Schlagzeuger Marky die Band verließ, konnte ich absolut nachvollziehen. Es gibt in der Schweiz nicht viele, die auf seinem Niveau Metal spielen, und für ihn war der Einstieg eine einmalige Chance. Klar hatte ich auch befürchtet, dass es negative Folgen für 69 CHAMBERS haben könnte und mir zeitweise überlegt, die Band wieder auf vier Mitglieder aufzustocken - bloß, damit sich das Line-up deutlicher unterscheiden würde. Letztlich sind wir aber ohnehin zwei grundverschiedene Bands in anderen Genres, jeder macht sein eigenes Ding und bislang kann ich nicht feststellen, dass uns das irgendwie tangiert.
Ich persönlich kann nur ganz vage Parallelen zu CORONER erkennen und vermute daher, dass das maßgebliche Songwriting von dir stammt. Inwieweit können sich Tommy und Diego ins Songwriting von 69 CHAMBERS einbringen und euren variablen Stil mitprägen?
Nina: Das stimmt, fürs Songwriting bin seit jeher ich zuständig. Ich habe die Band ja auch gegründet - Jahre, bevor Tommy und Diego mit eingestiegen sind. Aber die Zusammenarbeit ist mir unheimlich wichtig, die Inputs von Tommy und Diego sind unverzichtbar, sie holen stets das Beste aus meinen Ideen heraus. Zudem gibt es inzwischen auch etliche Songs, die sie selbst initiiert haben: Auf dem aktuellen Album lieferte Tommy die Ideen zu 'Who Am I' und 'Happiness' und Diego zu 'Metamorphose', wobei er da sogar den Text schrieb. Ich kann mir nicht vorstellen, 69 CHAMBERS je ohne die beiden Jungs weiterzuführen.
Die Vielseitigkeit hat uns bei Bleeding4Metal schon bei "Torque" sehr gut gefallen und wurde auf "Machine" noch ein Stück perfektioniert. Ist es mühsam, eine so breite Mischung von Alternative/Rock/Gothic bis hin zu brutalen Stücken wie 'F.Y.L.' so zusammenzusetzen, dass beim Hörer ein Qualitätseindruck entsteht, oder ist es bei eurem Songwriting-Prozess eher ein natürlicher Flow?
Nina: Nein, das bedarf null Anstrengung. Es ist ein natürlicher Prozess und rührt daher, dass wir alle nicht auf eine einzige Musikstilrichtung fixiert sind, sondern unsere Inspirationen aus unterschiedlichen Genres beziehen. Mich würde es eher Anstrengung kosten, ein Album zu komponieren, das ganz eindeutig und kompromisslos in eine bestimmte Schublade passt.
Aus welchen Einflüssen anderer Bands oder Stile schöpft ihr denn eure Inspirationen?
Nina: Das ist schwer zu sagen. Meine musikalische "Kindheit" erlebte ich während der Grunge-Zeit, ich fuhr total auf SOUNDGARDEN, ALICE IN CHAINS, aber auch HELMET ab, und wahrscheinlich hört man das heute noch. Genauso liebe ich inzwischen aber auch MESHUGGAH und GOJIRA, höre gerne ab und zu Popmusik und Singer-Songwriter im Radio. Das passt überhaupt nicht zusammen, aber mich haben solche Grenzen nie interessiert. Das Ergebnis davon hört man dann wohl bei 69 CHAMBERS, obwohl ich mich eigentlich nie bewusst an den Ideen anderer Bands bediene.
Was würdest du selbst sagen, inwieweit sich "Machine" von "Torque" nach sechs Jahren Abstand unterscheidet?
Nina: Es ist ganz klar immer noch dieselbe Band mit demselben Musikstil, aber die Herangehensweise war etwas anders. Wir wollten kein hochpoliertes Album mehr wie bei "Torque", sondern etwas roher, ehrlicher, erdiger werden. Wahrscheinlich ist "Machine" auch etwas reifer, weil wir selbst persönlich gewachsen sind. Auf alle Fälle lautete unsere Attitüde: Scheiß drauf, was andere erwarten könnten, wir tun einfach das, was uns persönlich gefällt.
Eure Songtitel lassen einen großen Interpretationsspielraum, wenn man die Lyrics nicht vorliegen hat. Mit welchen Themen befassen sich 69 CHAMBERS und woher nimmst du die Texteinflüsse?
Nina: Ich mag es, dass der Interpretationsspielraum groß ist! Die Themen sind im Prinzip das Leben, die eigenen Erfahrungen - negativ, wie positiv -, aber ich will ja niemanden belehren oder bekehren, deshalb ist es mir wichtig, nicht allzu konkret zu werden und darauf zu zählen, dass jeder das hineininterpretiert, was ihm persönlich entspricht.
Du selbst bist ja teilweise außerhalb Europa aufgewachsen und hast in anderen Ländern und Kulturen gelebt. Nimmt man daraus auch Zutaten für die persönliche Musik mit, die man schreibt?
Nina: Stimmt, ich habe 16 Jahre meines Lebens in Südkorea und Singapur, plus noch ein Jahr in den USA verbracht. Konkret hat das keine Auswirkungen auf mein Songwriting, und doch gibt es da natürlich einen Erfahrungsschatz, von dem ich zehre und eine Grundoffenheit, die mich dazu bewegt, "out of the box" zu denken, auch musikalisch.
Du hast während der Jahre irgendwann von der Gitarre auf Bass umgesattelt. Fühlt ihr euch in diesem Line-up nun heimisch, oder wünschst du dir auf der Bühne gelegentlich noch die Gitarre zurück?
Nina: Ich bin keine große Virtuosin auf Bass oder Gitarre, für mich sind sie im wahrsten Sinne des Wortes Instrumente - sprich: Mittel zum Zweck, um jene Melodien, die in meinem Kopf rumschwirren, klanglich umzusetzen. Von daher hänge ich weder am einen noch am anderen. Nur, wenn es ums Songwriting geht, ist mir die Gitarre lieber. Ich habe übrigens auch die meisten Rhythmusgitarren auf dem Album eingespielt. Aber die Trioformation gefällt uns allen sehr gut, und da war es natürlich klar, dass Tommy - er ist ja nicht nur ein bisschen, sondern 100-millionenmal besser als ich auf dem Instrument - live die Gitarre übernehmen und ich den Bass spielen würde. Bass war übrigens auch das Instrument, das ich zuerst gelernt hatte, von daher fühl ich mich damit sehr wohl.
Stichwort Bühne: Plant ihr mit dem neuen Album auch frische Liveaktivitäten, und wenn ja, welche Touren stehen in absehbarer Zeit auf eurem Plan?
Nina: Noch kann ich leider keine Tourdaten vermelden, aber ich hoffe schwer, dass es im Herbst nach der Open-Air-Saison mit einigen Clubgigs in Europa losgeht. Die Termine werden wir dann zu gegebener Zeit durchgeben.
Vielen Dank, dass du dir für Bleeding4Metal ein paar Minuten Zeit genommen hast! Am Schluss geben wir den Bands immer die Gelegenheit, unseren Lesern zu sagen, was ihr schon immer sagen wolltet. Feuer frei!
Nina: Danke dir! Und danke den Lesern. Ich hoffe, ihr zieht euch "Machine" einmal rein und seht euch vor allem auch unseren neuen offiziellen Musikclip dazu an. Hoffentlich bis bald mal live!