Interview mit Francesco Sosto von The Foreshadowing

Ein Interview von Krümel vom 20.06.2016 (20189 mal gelesen)
Die italienische Melancholic Doom/Dark Metal-Truppe THE FORESHADOWING hat im Frühjahr ihr neues Album "Seven Heads Ten Horns" präsentiert. Um das Artikel-Paket, bestehend aus Review zur Scheibe sowie dem Song-By-Song-Special abzurunden, hatten wir auch die Möglichkeit, Francesco Sosto einige Fragen zu stellen. Wie schon vor ein paar Jahren, sprach der Keyboarder mit uns bereitwillig über die Zeit seit dem letzten Album und die Touraktivitäten. Er äußerte natürlich einige Gedanken zum neuesten Output und was er von Kritiken hält.

Seit der Veröffentlichung des brillanten Werks "Second World" sind vier Jahre vergangen. Unabhängig davon, dass ihr offensichtlich an dem neuen Material gearbeitet habt, zu dem wir später noch kommen, sind in der Zwischenzeit bestimmt einige interessante Dinge um THE FORESHADOWING herum geschehen?!

Francesco Sosto : Sicher! 2013 war die interessanteste Zeit, denn wir konnten zwei Touren durchführen. Eine in Amerika mit MOONSPELL, MARDUK und INQUISITION und eine in Europa zusammen mit SWALLOW THE SUN und ANTIMATTER. Anfang 2014 hielten wir eine Minitour in Italien ab, wo wir SATURNUS supporteten. Dann gab es eine lange, zweijährige Pause vom Tourleben, in welcher wir mit der Arbeit für das neue Album begannen. In dieser Zeit konnten wir ein Cover von "The Rains Of Castamere", einem Stück aus der erfolgreichen TV Serie "Game Of Thrones", realisieren, das bei unseren Fans sehr gut ankam.

Du hast die US-Tour mit MOONSPELL angesprochen, die ja sehr erfolgreich war. War es eine tolle Erfahrung für Euch in Übersee aufzutreten?

Francesco Sosto : Ja, definitiv! Es war eine großartige Erfahrung, denn wir sehen allein schon die Tatsache, dass wir an einer US-Tour teilnehmen dürfen, als eine große Ehre an. Nicht jeder hat die Möglichkeit drüben zu touren; wir haben es irgendwie geschafft. Außerdem waren wir, abgesehen von unserer Neugier auf ein Land, welches verglichen mit uns große Unterschiede in Gepflogenheiten und Gewohnheiten aufweist, obwohl wir Teil der gleichen westlichen Kultur sind, erstaunt über die dortige Neugierde auf neue musikalische Gegebenheiten aus Europa. Etwas, das bei uns in Italien komplett fehlt.

Ich glaube 2013 fand auch ein Line-up-Wechsel bei euch statt, richtig? Giuseppe Orlando spielt nun Schlagzeug ... War er nicht derjenige, der ein paar Jahre zuvor hinter den Reglern saß?

Francesco Sosto : Korrekt! Bevor unser früherer Drummer Jonah Padella die Band aus persönlichen Gründen verlassen hat, war Giuseppe unser Live Soundengineer und auch Produzent unserer ersten beiden Alben. Aber er ist im metallischen Umfeld besser als Drummer bekannt. Das war auch der logischste Grund, weswegen wir uns für ihn als Jonahs Ersatz entschieden haben. Wir brauchten nicht einfach nur einen Drummer, sondern mehr noch jemanden, der sich speziell auch mit Soundfragen auskennt. So gut, dass er zusätzlich zu seiner bemerkenswerten Performance in diesen vier Jahren auch bei der Mitwirkung an unserem Sound hervorstach, sowohl im Studio als auch bei Liveauftritten. Und auch ein erheblicher Teil des tollen Jobs im Hertz Studio, wo wir unsere Scheibe aufnahmen, ist ihm geschuldet.

Dies war aber nicht der einzige Wechsel. Nachdem ihr Travis Smith für das Cover von "Second World" verpflichtet hattet, war erneut Seth Siro Anton für das Artwork von "Seven Heads Ten Horns" verantwortlich. Sozusagen back to the roots?

Francesco Sosto : Wir hatten einige Künstler kontaktiert und Seth war derjenige, der sich am meisten dafür interessierte, uns zu helfen. Dieses Mal war es meiner Meinung die absolut richtige Wahl, denn uns gingen schon die Ideen bezüglich der Cover-Auswahl aus. Manche davon waren ein bisschen belanglos und offensichtlich. Da wir Seth kennen, weil er ja für uns schon in der Vergangenheit gearbeitet hatte, waren wir uns sicher, dass er eine Grundidee für das Artwork ausarbeiten würde. Also ließen wir ihn das tun, was er einfach am besten kann und übermittelten ihm lediglich ein paar grundlegende Elemente, die wir präsentiert haben wollten.

Aus welchem Grund habt ihr diesmal mit den Wieslawski Brüdern, Polen, statt erneut mit Dan Swanö zusammen gearbeitet.

Francesco Sosto : Zunächst entschieden wir uns, mit einem anderen Aufnahmestudio zusammen zu arbeiten, weil wir bezüglich des neuen Albums eine Veränderung anstrebten und mit neuen Dingen experimentieren wollten. Wir waren sehr zufrieden mit dem Job von Dan Swanö, aber normalerweise arbeitet er mit Software. Doch dieses Mal brauchten wir eine Produktion, die mit beidem, Hardware und Software, arbeitet - wie eben die Hertz Studios. Ich denke die Wieslawski Bros. waren sehr professionell und haben sehr viel beigesteuert, gerade was den Gitarrensound anbelangt. Allerdings gab's ein bisschen Trouble mit ihnen, da sie die Deadline für die Fertigstellung des Gesamtmixes nicht beachtet haben, aber das war kein so großes Problem. Wichtig war für uns vor allem der Grundsound von Gitarren, Bass und Drums. Der ganze Rest wie Keyboards, Chöre und Vocals wurde durch Giuseppe (Orlando) in seinem Outer Sound Studio komplettiert.

Lass' uns über die Musik von "Seven Heads Ten Horns" sprechen. Ich habe den Eindruck, dass sie ein bisschen heavier und kräftiger rüberkommt. Was ist Deiner Meinung nach der größte Unterschied zum Vorgängeralbum?

Francesco Sosto : Ich würde sicherlich sagen, dass wir uns vom Gothic-Doom Basicsound entfernt haben, der schon immer in unserer Diskographie stark vertreten war; nicht nur auf dem vorherigen Werk. Ich denke, die aktuelle Scheibe ist ein Hybrid aus verschiedenen Genres, während "Second World" eher gleichmäßig und direkter war, was das Hören anbelangt.

Wie gestaltete sich die Entwicklung des Songwritings? Inwieweit waren die Stücke schon arrangiert, bevor ihr ins Studio seid?

Francesco Sosto : Normalerweise ist es so, dass das Material schon fast fertig ist, wenn wir mit den offiziellen Aufnahmen beginnen. Es würde keinen Sinn machen, ein Album während des Recordingprozesse zu entwickeln; das ist heutzutage nicht mehr notwendig. Wie auch immer, wir haben einfach mit der Arbeit an ein paar Riffs aus unserem Ideen-Archiv angefangen und kreierten ein paar neue Riffs dazu. Dadurch entstand langsam aber sicher die Hauptidee zum Album und das war sowas wie der rote Faden. Sobald wir die Songstruktur fertig hatten, kamen die Lyrics dazu. Um es kurz zu machen: Das ist ein Arbeitsprozess, den wir schon seit unseren Anfangszeiten so durchführen.

Wie viel Arbeit steckt genau in der Entwicklung eurer CD? Ist das für euch ein Job, den ihr jeden Tag macht, oder braucht ihr zwischendurch auch mal Erholungspausen?

Francesco Sosto : Es ist schwer zu definieren, wie viel Arbeit uns dieses Album gekostet hat. Normalerweise ist es im Durchschnitt die Arbeit einiger Jahre, doch dieses Mal brauchten wir aus verschiedenen Gründe sogar vier Jahre dafür. Erstens war es eine unterbrochene Arbeit, weil wir ständig mit unseren Alltagsproblemen zu kämpfen hatten, was uns einfach die Zeit stahl, die für die Scheibe notwendig gewesen wäre. Zweitens waren wir jeder Menge unvorhersehbarer Ereignisse ausgesetzt, für die all diejenigen, die uns geholfen haben die Platte zu realisieren, verantwortlich waren. Daher waren wir gezwungen die Produktion zu verschieben. Zusätzlich ist es wichtig zu erwähnen, dass, wenn wir uns normalerweise im Proberaum oder im Studio treffen, es nicht gesagt ist, dass wir auch in der richtigen Stimmung sind, um irgendetwas Lohnenswertes hervorzubringen. Das soll nicht heißen, dass das oft vorkommen, aber manchmal ist es eben so. Zudem kann man sich, nachdem man schon drei Alben herausgebracht hat, nicht mit dem erstbesten Riff zufrieden geben, das man im Kopf hat. So wie der Bandsound sich verfeinert, so erhöht man auch die Ansprüche an sich selbst. Und genau so sollte es auch sein.

Ihr habt erneut ein Track-by-Track-Special veröffentlicht, in dem ihr euch zu dem Halb-Konzept hinter "Seven Heads Ten Horns" äußert. Vor ein paar Jahren sagtest Du in einem Interview zu "Second World", dass es wie eine Art Kreislauf ist: eine dunkle Ära geht und eine bessere beginnt. Erneut habt ihr euch als Hauptthema den Niedergang einer Kultur ausgesucht ... Das ist etwas, dass euch umtreibt, nicht wahr?!

Francesco Sosto : Lass' es mich so sagen: Der Kernpunkt von "Seven Heads Ten Horns" ist der Fall der EU als System. Die Scheibe beschreibt diese harten Zeiten und das Unbehagen, das die Menschen fühlen, die zu unserer Generation gehören. Das heißt also es fokussiert natürlich auch unser Unbehagen, unsere Beschwerden. In diesem Fall ist unser Pessimismus nicht rein existenziell, sondern bezieht sich auf die Ereignisse in und um Europa, die wir jeden und jeden Tag erleben.

Insgesamt habt ihr erneut eine bedrohlich-düstere Atmosphäre erschaffen. Seid ihr im wirklichen Leben auch derart "dunkel" eingestellt oder eher fröhliche Personen?

Francesco Sosto : Eigentlich sind wir nette Typen mit einem ganz normalen Leben und einem ausgeprägten Sinn für Humor. Es ist außerdem wahr, dass wir eine pessimistische Sicht des Lebens haben, aber es ist eher als realistische Analyse der Fakten zu sehen. Die Tatsache, dass wir uns eine Spielart der Musik mit einer düsteren Atmosphäre ausgesucht haben, ist vor allem eine Frage des persönlichen Geschmacks. Ich denke, wir sind mehr von Themen wie Tod und Dunkelheit inspiriert als von anderen, aber das bedeutet nicht notwendigerweise, dass wir unglückliche oder traurige Menschen sind. Das wäre genauso als würde man annehmen, dass Dario Argento oder Robert Rodriguez Serienkiller sind nur, weil sie Horrorfilme produzieren.

Hast Du einen Lieblingssong auf "Seven Heads Ten Horns"? Wenn ja, welchen und warum?

Francesco Sosto : Für mich ist es 'Nimrod', weil es unser ambitioniertestes und experimentellstes Stück ist und es die modernsten Sachen beinhaltet, die wir gemacht haben. Zusammenfassend gesagt, es ist ein Stück Musik, das am besten den gegenwärtigen und zukünftigen Sound von THE FORESHADOWING repräsentiert. Ich denke wirklich, 'Nimrod' wird unser Startpunkt sein, von dem wir die Inspiration für unsere kommenden Songs beziehen.

Und auf der anderen Seite - gibt es einen Track, den Du weniger magst?

Francesco Sosto : Ich würde sagen, nein. Glücklicherweise überspringe ich kein Lied, wenn ich das Album höre. Und wenn das so ist, ist das immer ein gutes Zeichen, weil es bedeutet, dass es angenehm ist es sich anzuhören.

Seid ihr rückblickend komplett zufrieden mit eurer Arbeit? Gibt es etwas, dass ihr jetzt im Nachhinein anders machen würdet?

Francesco Sosto : Vielleicht könnten wir in einigen Aspekten mehr machen, aber es gibt immer etwas zu ändern, sogar wenn ein Album gerade fertig gestellt wurde. Hört man sich die Songs an, dann denkt man immer, einige technischen Sachen könnten noch verbessert werden. Aber diese Einstellung kann auch ein zweischneidiges Schwert sein, wenn Du sie nicht stoppst: Nachdem wir mit den vier Alben einige Erfahrung gesammelt haben, wissen wir genau, dass es einen Anfang und ein Ende für alles gibt. Das gilt auch für die Entwicklung eines Albums.

Gibt es Reviews, die euch gegen den Strich gehen? Zum Beispiel wenn jemand eure Musik unbegründet zerreißt?

Francesco Sosto : Wir haben immer jede Art von Kritik akzeptiert, egal ob negativ oder positiv. Wir respektieren diese Regel auch auf unserer Facebook-Seite, auf der wir niemals Negativ-Kommentare zensieren. Es ist wichtig, dass jeder das Recht hat, frei seine Ansicht über unsere Musik auszudrücken. Sicherlich kommt es vor, dass uns schlechte Rezensionen ärgern, vor allem, wenn sie wenig konstruktiv und angreifend sind. Es ist die eine Sache, wenn ein Journalist glaubt, dass unsere Musik langweilig oder uninteressant ist. Wir tolerieren diese Meinung wirklich, denn in diesem Fall ist es einfach der persönliche Geschmack. Insgesamt ist es unmöglich jeden glücklich zu machen. Aber es ist schon etwas anderes, wenn man ein Album beurteilt, indem man jede Menge verrückte Sachen sagt wie "die Produktion ist schwach oder mittelmäßig" oder "die Band ist technisch schlecht". Manchmal stoßen wir auf solch eine Art von Kritik, die sich auf uns bezieht und ich glaube, das ist einfach absurd. Wir haben immer darauf geachtet, dass die Produktion unserer Alben alle Details berücksichtigt und auch auf der technisch-ausführenden Seite haben wir immer versucht alles zu geben. Das ist keine Meinung, sondern einfach Tatsache. Wir haben solche Bedenken zum Beispiel noch nie von einem Musiker oder Soundengineer uns gegenüber gehört, und das reicht uns, um uns in diesem Punkt sicher zu fühlen. Was angreifende Kritik betrifft, nun, die beachten wir nicht mal. Jemand der beleidigende Worte wie "Schrott", "Scheiße" oder "Müll" zur Beurteilung eines Album verwendet, darf sich meiner Meinung nach nicht professioneller Journalist nennen, sondern ist ein kleiner Amateur, der gerne jemand anderer sein möchte ...

Wie wichtig ist euch denn die Meinung der Fans oder Zines?

Francesco Sosto : Ich halte daran fest: Wenn uns ein Hörer oder Journalist konstruktive Kritik zukommen lässt, sind wir immer geneigt, diese zu akzeptieren, denn in diesen Fällen ist sie darauf ausgelegt, die Band für die Zukunft zu verbessern. Auf jeden Fall ist Kritik der Fans und Zines immer sehr wichtig, denn wenn die Mehrheit glaubt, dass dein Album großartig ist, dann kannst Du sicher sein, einen guten Job getan zu haben. Wenn umgekehrt die meisten zustimmen, die Scheibe sei enttäuschend gewesen, dann stimmt mit dem Album auch was nicht. Wenn die Meinungen halb positiv, halb negativ ausfallen, kann das ein Hinweis darauf sein, dass man ein kontroverses und originelles Werk fabriziert hat, welches vielleicht in zehn Jahren neu bewertet oder aber komplett vergessen sein wird. All diese Beispiele sagen aus, dass Kritik der Hörer und Journalisten immer ein guter Maßstab sind.

Da bei uns die letzten Wort immer dem Musiker gehören, hast Du nun die Möglichkeit alles zu sagen, was Du schon immer loswerden wolltest ...

Francesco Sosto : Unterstützt uns einfach!

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