Ice - The Ice Age

Review von baarikärpänen vom 19.08.2020 (7479 mal gelesen)
Ice - The Ice Age Dank des schier unermüdlichen Einsatzes gewisser Trüffelschweine (im positivsten Sinne) ist so langsam die NWoBHM aufgearbeitet. Was wurde da nicht alles zu Tage gefördert. Bands, die lediglich einen Song veröffentlichten, oder, und das war die Mehrzahl der fast verschollenen Schätzchen, Bands, die es garade mal auf ein Ein-Track Demo gebracht hatten. Dabei war die Qualität der Musik, wie der Engländer sagt, outstanding und hätte in vielen Fällen zu einer größeren Karriere führen können.

Nicht vergessen werden dürfen aber auch die Labels, die sich auf eben jene Trüffeljagd spezialisiert haben. Nun ist, wie gesagt, die Weide fast völlig abggegrast. Zeit also, sich um andere Veröffentlichungen/Genre zu kümmern. Genau das machen Riding Easy Records, die in ihrer Brown Acid-Reihe Juwelen zu Tage fördern, die aus dem Bereich Heavy Psych und Proto-Metal kommen. Dazu gehörte auch die A-Seite einer Single der Band ZUKUS aus dem Jahr 1972, die es auf einen Sampler der Brown Acid-Reihe schaffte. Wie der Zufall es so will, erfuhren Riding Easy im Zuge der Veröffentlichung davon, dass besagte ZUKUS eigentlich ICE hießen, aus Indianapolis stammten und im Jahr 1970 zehn Songs für ein Album in Chicago aufgenommen hatten. Da die Mitglieder der Band aber kurz nach den Aufnahmen getrennte Wege gingen, verschwand das Mastertape kurzerhand im Schrank, aus dem Riding Easy es schließlich 50 Jahre später rausgeholt haben. Das ganze wurde digital bearbeitet, neu gemischt, dabei aber der Sound der Stimme und der Instrumente so ursprünglich gelassen wie möglich. Das Ergebnis, neun der damalig aufgenommenen zehn Songs, liegt fünf Jahrzehnte später also nun unter dem Titel "The Ice Age" vor.

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Eines vorweg: Wer auf "The Ice Age" hart bratende Gitarren und donnernde Drums erwartet, der dürfte mit den falschen Erwartungen an einen Release herangehen, der aus dem Jahr 1970 stammt. Da waren BLACK SABBATH, die ihr Debut im gleichen Jahr veröffentlichten, schon eine ganz andere Hausmarke. Auch DEEP PURPLE's "In Rock" spielt in einer anderen Liga. Will man ICE verorten, dann fallen da eher Bands wie THE MOODY BLUES oder BYRDS als Anhaltspunkt ein. So verwundert es auch wenig, dass der Opener 'Gypsy' auf jeder Scheibe der BYRDS eine gute Figur gemacht hätte. Dass sich Sänger Jim Lee hier wie ein Bruder von John Fogerty (CCR) anhört, darf gerne als Pluspunkt verstanden werden. 'Satisfy' wiederum groovt satt mit seinem vermehrten Orgel-Einsatz und seinem fast schon poppigen Refrain. Dass auch die in den USA sehr erfolgreiche British Invasion der frühen 60er ihre Spuren im Sound von ICE hinterlassen hat, dafür steht '3 O´clock In The Morning'. Erinnert mich mit seinem psychedelischen Ende sogar ein wenig an VANILLA FUDGE und hat ein feines Solo von Gitarrist John Schaffer (nee, nicht der ohne "H" und von ICED EARTH). 'Copper Penny' wiederum klingt so, als sei es vom Spätwerk der BEATLES beeinflusst. Am nähesten an den Proto-Metal kommen ICE mit 'Run to Me', dessen Anfang auch gut und gerne von BLUE CHEER oder BACHMAN TURNER OVERDRIVE stammen könnte, im Chorus aber geradezu poppig tönt. Für mich der schönste Song auf dem Album, wenn auch einer der eher ruhigen, ist 'He Rides Among Clouds', bei dem man THE MOODY BLUES am ehesten raushören kann. Auch wenn das Infosheet das abschließende Instrumental 'Song Of The East' mit seinen tollen Gitarrenharmonien als Reminiszens an VANILLA FUDGE ansieht, klingt es für mich eher wie ein Teil aus 'Prelude: Happiness / I'm so Glad (Medley)' von "Shades Of Deep Purple", sogar mit einer kleinen Prise BLUES PILLS zu Anfang. Was alle Songs auf "The Ice Age" aber gemeinsam haben ist dieser "Swing", und alle Songs hätten sich wirklich gut im damaligen Radio gemacht. Man merkt sofort, daß ICE keine Anfänger waren. Es dürfte auch von Vorteil gewesen sein, dass ICE eine der ganz wenigen Truppen zur damaligen Zeit waren, die bei ihren Auftritten nur auf eigene Stücke setzten.

Man darf Riding Easy gerne dazu gratulieren, dass sie ganz tief gegraben und diese Perle des ganz frühen Proto-Metals aus den USA zu Tage gefördert haben. Da spielt es (fast) keine Rolle, dass die Songs an sich den Proto-Metal nur ganz am Rande streifen. Wenn man sich die Mühe machen möchte, für Bands der damaligen Zeit Beispiele aus der jüngeren Vergangeneit zu suchen, dann wären SLAYER so was wie neuen BLUE CHEER und zuckersüße BON JOVI das Äquivalent zu ICE. Geschickter Schachzug übrigens bei der Auswahl des Covers. Wenn eine Band aus Indianapolis kommt, da liegt es ja auf der Hand, eine Uraltaufnahme des Indianapolis Motor Speedway als Artwork auszuwählen. Vergessen wir also mal die 50 Jahre und geben der Scheibe wohlverdiente acht nostalgische Punkte.



Gesamtwertung: 8.0 Punkte
blood blood blood blood blood blood blood blood dry dry
Trackliste Album-Info
01. Gypsy
02. Satisfy
03. 3 O´clock In The Morning
04. Copper Penny
05. Catch You
06. Can See Her Flying
07. Run To Me
08. He Rides Among Clouds
09. Song Of The East
Band Website: www.facebook.com/IceBandFromIndy/
Medium: CD, LP
Spieldauer: 35:14 Minuten
VÖ: 07.08.2020

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