Livebericht Lacuna Coil (mit Cellar Darling ) |
---|
Ein Livebericht von Opa Steve aus Andernach (Juz-Liveclub) - 11.11.2017 (34113 mal gelesen) |
Als wir fast pünktlich zum geplanten Einlass ankommen, läuft drinnen noch der Soundcheck, so dass sich die Pforten des JUZ erst ein paar Minuten später öffnen. Es stehen erstaunlich viele Menschen in der Schlange davor und als wir schließlich drin sind, bleibt gerade noch kurz Zeit, um ein paar "Hallo" an bekannte Gesichter in die Runde zu werfen. Dann gehen auch schon die Lichter in der Halle aus. Den Openerslot an diesem Abend übernimmt die Viersener Band AEVERIUM. Bereits vor drei Jahren haben sie in Andernach gespielt und freuen sich offensichtlich, wieder hier zu sein. Musikalisch hat sich der Sechser dem Gothic Metal mit ein wenig Electro-Einsprengseln verschrieben. Dazu serviert man mit Aeva Maurelle und Marcel "Chubby" Roemer ein klassisches Beauty-And-The-Biest-Gesangsduo, wobei sich der weibliche Part in opernhafteren Lagen bewegt und die männlichen Vocals eher tiefer liegen. Als AEVERIUM die Bühne betreten, werden sie von den Leuten davor schon mit ordentlichem Applaus begrüßt. Der Set selbst wird mit einem etwas laut und klimperig klingenden Keyboard-Intro eröffnet, welches direkt in den ersten Song 'Hunted' übergeht. Auch im weiteren Verlauf ist das Tasteninstrument für meinen Geschmack oft etwas zu präsent, aber zum Genre passt es halt. Bei den ersten beiden Stücken haben die Musiker noch etwas Startschwierigkeiten, denn es läuft alles noch nicht so rund. Erst als sie 'What About Me', die Single-Auskopplung vom aktuellen Album "Time", präsentieren, merkt man den Stimmbändern der Vokalisten an, dass sie nun warmgesungen sind. Auch insgesamt hat sich die Gruppe nun eingegroovet. Dem von Anfang an schon zahlreichen Publikum scheint der Auftritt zu gefallen. Zwar kommen noch nicht alle aus sich raus und manche müssen immer wieder zum Mitmachen animiert werden, aber die Reaktionen nach den einzelnen Songs sind doch immer recht positiv und weniger verhalten. Die Viersener geben je drei Songs der bereits oben erwähnten 2017er CD sowie des 2015 erschienenen Releases "Break Out" zum Besten. Von diesem Debüt stammt dann auch der letzte Track 'Heaven's Burning', mit dem AEVERIUM den Auftritt beenden, um anschließend unter respektablem Beifall von den JUZ-Brettern zu entschwinden. Jedoch tauchen die Jungs und das Mädel schnell am Merchstand wieder auf, um sich mit Fans ablichten zu lassen. Derweil wird die Bühne für CELLAR DARLING umgebaut. Nachdem Anna Murphy, die neben den Vocals auch die Drehleier beisteuert, sowie ihre Mitstreiter Ivo Henzi (Gitarre) und Merlin Sutter (Drums) im letzten Jahr bei ELUVEITIE die Koffer gepackt hatten, haben sich die drei zu einer eigenen Band zusammengeschlossen. Und genau die bestreitet heute Abend den Mittelteil des Programms. Im Gepäck hat man die Stücke des diesjährigen Debüts "This Is The Sound", das ich bis dato leider überhaupt nicht kannte. Als "New Wave Of Folk Rock" bezeichnen sich die Musiker selbst. Ich muss gestehen, vom ersten Augenblick des Einstiegstitels 'Black Moon' an merke ich, dass ich was verpasst habe, denn alles ist sehr groovy und auch ziemlich melodisch. Nicht nur mir scheint der Auftakt zu gefallen, auch das restliche Publikum nimmt die Band sehr warmherzig auf. Weiter geht es mit dem rockigeren 'Hullaballoo'. Etwas ungelenk erscheinen die sehr zurückhaltenden Ansagen von Anna ("Ich erzähle zwar mittels der Musik gerne Geschichten, spreche jedoch nicht so gern, und deswegen spielen wir den nächsten Song"). Doch so schüchtern sie dabei rüberkommt, so souverän und präsent wirkt die Fronterin während des Singens. Denn gerade in den höheren Stimmlagen spielt sie gekonnt mit ihrer Stimme, wie im nächsten Stück 'The Hermit'. Anschließend präsentiert man den Albumopener 'Avalanche' und danach mein persönliches Highlight des Sets: 'Six Days'. Dieses erzeugt eine sehr intensive und auch recht düstere Atmosphäre. Übrigens beeindruckt auch Merlin immer wieder mit seinen tollen Drumming-Rhythmen, die ein gewisses Tribal-Gefühl aufkommen lassen und direkt in den Bauch gehen. Live werden CELLAR DARLING übrigens von Sessionist Nicolas Winter am Bass unterstützt. Die Violinenklänge werden leider nicht live dargeboten, sondern als Playback eingespielt, da die Violinistin Shir-Ran Yinon wohl nur als Gastmusikerin fungierte. Die Zuschauer applaudieren nach jedem einzelnen Stücken immer mehr, denn die Schweizer wissen wirklich zu begeistern und auch zu fesseln. Man sieht zwischendrin immer einige Leute, die sich völlig entrückt zur Musik bewegen. Bei der Fast-Hymne 'Rebels' kommen Annas Vocals dann wieder besonders toll zur Geltung. Mit 'Starcrusher' und seinem leicht orientalischen Flair wird es anschließend nochmal etwas flotter, bevor die eingängig-melodische Singleauskopplung 'Challenge' vorgetragen wird. Mit dem finalen 'Fire, Wind & Earth" geht leider ein toller Auftritt viel zu schnell vorbei. CELLAR DARLING ernten am Schluss mit Recht großen Beifall. Nahezu alle - inklusive mir - sind begeistert von der Darbietung. Das zeigt sich auch später nach der gesamten Show, als eine recht große Schlange bei den Dreien ansteht, um entsprechendes Merch und Autogramme zu ergattern bzw. einfach nur das ein oder andere Wort mit Anna und ihren Bandkollegen zu wechseln. Man sieht den Musikern an, dass sie das Interesse der Leute still genießen. Doch nun zum Headliner! Eines muss man LACUNA COIL auf jeden Fall lassen: sie sorgen stets für tourfreudige Präsenz, sei es auf Festivals oder in Clubs. Nachdem durch das modernere Material schon irgendwie ein Austausch der Fanbase von vor 15 Jahren stattgefunden hat, erarbeiten sie sich gerade in Europa durch intensives Touring ihren Markt neu, was gerade nach der "Delirium"-Scheibe auch sinnvoll ist. Hat diese doch gerade - nach modernem Groove statt Gothic Metal und auch poppigen Radio-Scheiben - eine neue Härte in den Sound von LACUNA COIL hineingebracht, die den Hörern der stilistisch wechselhaften letzten acht Jahre doch einiges abverlangt. Man darf gespannt sein, ob die Mailänder hier in Zukunft auch wieder einen klaren stilistischen Kurs fahren werden. Bei den Aktien, die sie in ihren Liveauftritten haben, mache ich mir allerdings wenig Sorgen, dass sie jemals Mühe haben werden, sich wieder in die Köpfe der Menschen zu spielen. Gerade mal vor etwas mehr als einem Jahr haben wir sie in Köln besuchen dürfen und wir waren gespannt, inwieweit sich dieser Gig hier im JUZ-Liveclub Andernach unterscheiden würde. Zunächst fällt der deutlich nüchternere Bühnenaufbau auf. Instrumente, Amps, und ein Halbrund an Lichttraverse. Die Band selbst hat allerdings nachgelegt und ihr Asylum-Image nochmal gesteigert. Vor allem Cristina sieht mit ihrem extremen Lippenstift und den farbigen Streifen im Gesicht tatsächlich manchmal aus wie der Joker aus den Batman-Filmen. Mit ihrer Sprüche-übersäten weißen Jacke scheint dieser Eindruck durchaus gewollt zu sein. Im Gegensatz zu letztem Jahr sind ihre Haare (glücklicherweise) wieder naturschwarz. Aber die Verwandlung von der obersympathischen Frontfrau zu einer ziemlich durchgeknallten Rolle binnen 12 Monate war schon ... irritierend. Dafür merkt man der Band an, dass sie ihr jeweils ausgesuchtes Image liebt und lebt. Der Einsatz am Bühnenrand ist extrem energisch. Die Setlist orientiert sich dabei stark an vergangenem Jahr. Mit 'Ultima Ratio' und 'Spellbound' startet die Band nicht gerade mit ihren Überhits. Allerdings geht es dann mit dem stärksten Song des "Broken Crown Halo"-Albums weiter, nämlich 'Die & Rise', welches den JUZ-Liveclub mit seinen geschätzten 400 Besuchern vor allem beim Refrain steilgehen lässt. Ab hier wird mal wieder klar: LACUNA COIL sind live definitiv eine Bank und die Kette guter Konzerte setzt sich schon seit fast 20 Jahren ununterbrochen fort, in denen ich die Band live besuche. Und darin liegt sicherlich auch die Stärke trotz aller Personal- und Stilwechsel, dass das Quintett jedesmal alles gibt. OK, die Saitenfraktion könnte noch mehr aus sich herausgehen, aber die Clubbühnen bieten nun mal nicht ausreichend Platz für vier Personen, und es macht Sinn, dass der meiste Raum den beiden Frontleuten eingeräumt wird. Cristina und Andrea sind ein gut eingespieltes Team und zeigen auch hier, dass sie mit jeder Bühne individuell umgehen können. Vor allem, wenn man sich überlegt, dass Andernach gerade erst die zweite Station der aktuellen Tour ist und die Band am Vortag noch auf Malta auf der Bühne stand und mitsamt Equipment im 2000 Kilometer entfernten Andernach aufschlagen musste. Cristinas Gesang, der in Köln im Jahr zuvor dermaßen perfekt klang, dass man schon an Playback gedacht hatte, klang in Andernach deutlich härter, nicht ganz so perfekt, aber das wäre zumindest soundtechnisch das einzige hervorzuhebende Manko dieser ansonsten sehr runden Show. Auf einige Dinge hat man verzichtet wie z.B. das angedeutete Drumsolo, leider auch auf tolle Titel wie 'The Ghost Woman And The Hunter'. Positiv ist wiederum, dass schwache Titel wie 'Zombies' aus der Setlist geflogen sind. Vermutlich gilt heute das Konzept, das "Delirium"-Image auf die Spitze zu treiben und vor allem Songs mit verstörenden Vibes und Aggressionen reinzubauen. Dies merkt man nicht nur an der Aufmachung, sondern auch vor allem an der Bühnenshow. Cristina und Andrea sind sehr spärlich mit Ansagen und erledigen das meiste mit Gestik. Vielleicht hier und da etwas aufgesetzt, aber das Konzert wird so zu einem rundherum stimmigen Erlebnis. Zu den Highlights gehören 'Trip The Darkness', das extrem atmosphärische 'Downfall' und natürlich 'Our Truth', welches viele Besucher zum Springen animiert. Nach dem durch laute Chöre "We fear nothing!" eingeleiteten 'Nothing Stands In Our Way' geht der Hauptteil des Gigs dann zuende. Natürlich ist der Zugabenblock obligatorisch, und die Band hat sich für den Schluss einen alten sowie neuen Hit aufgespart. 'Heaven's A Lie' dröhnt nach einem kurzen Irrenhaus-Intro laut durch die PA, und die Singleauskopplung 'The House Of Shame' beschließt nochmal mächtig diesen klasse Konzertabend. |
Alle Artikel