Interview mit Jan von Chaosbay

Ein Interview von Cornholio vom 01.10.2024 (29574 mal gelesen)
Kurz vor dem Gig der Band am 15.09.2024 im Kesselhaus in Wiesbaden hatten Schwarzfraggle und ich die Gelegenheit, mit Bandleader Jan Listing über das neue Album, aber auch ältere Sachen, die Zukunft und Musik im Allgemeinen zu sprechen.

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Cornholio Hallo Jan.

Jan: Hi.

Cornholio: Möchtest du erst mal was zu der Band an sich erzählen? Wir kennen CHAOSBAY noch nicht so lange. Ich habe im Internetforum vom Deaf Forever-Magazin (Grüße gehen raus!) das "Asylum"-Cover mal gesehen, weil das jemand gepostet hat und fand es total geil. Die Musik hat mich damals noch nicht so überzeugt, da war ich noch eher so im Power Metal-Bereich unterwegs und durch sie (deutet auf Schwarzfraggle) bin ich jetzt seit knapp anderthalb Jahren auch in Richtung Metalcore unterwegs. Und ja, erzähl doch mal, wie habt ihr euch gefunden, gegründet und wie ist das so zusammengekommen? Wie sind eure Einflüsse?

Jan: Ja, also wir haben uns 2012 in Mannheim gegründet, wir haben da alle studiert, also wir kommen aus unterschiedlichsten Teilen Deutschlands und haben alle zusammen Musik studiert. Und dann war das sogar ein Studieninhalt, dass wir eine Band gründen und die gibt es bis heute mit zwei Besetzungswechseln, aber sie besteht. Und dann haben wir drei Jahre ungefähr unser Ding gemacht, aber eher so auf lokalem Bandniveau, Jugendzentren und so. Das ist aber nicht so richtig vorangekommen, deswegen hatten wir dann eine vierjährige Bandpause. Der größte Teil von uns ist dann nach Berlin gezogen und unser Drummer wohnt noch in Kaiserslautern. Und irgendwann in der Pause habe ich dann aber gemerkt, dass ich ohne die Band nicht kann und habe angefangen, wieder Songs zu schreiben und mal mit den Jungs wieder Kontakt aufgenommen. Wir waren weiterhin befreundet und haben auch zusammen gearbeitet und ja, dann lief das wieder an. Dann haben wir mal wieder eine Tour gespielt, erst gar nicht mit dem Gedanken, dass es noch mal richtig losgehen soll, sondern mehr so "lass doch mal machen aus Spaß". Und dann haben wir einfach direkt gemerkt, dass hier noch viel Potenzial drin ist, was wir noch gar nicht ausgeschöpft haben. Und deswegen haben wir dann angefangen, ein Album zu schreiben und weiterzumachen. Das war 2019, und seitdem gibt es uns eigentlich in der Form, auch mit diesem Musikstil und in der Intensität, in der wir es jetzt machen.

Cornholio: imgright Und das war das Album "Asylum".

Jan: Genau, das war "Asylum", damit hat sozusagen diese neue Zeitrechnung für uns begonnen. Obwohl wir natürlich auch die alten Alben lieben und noch spielen und diese auch gerne verkaufen und Fans das immer noch lieben und so. Aber das sind eben eher Prog-Einflüsse gewesen, also DREAM THEATER, PAIN OF SALVATION, PORCUPINE TREE, das waren damals die Einflüsse. Und seit "Asylum" ist es mehr und mehr das modernere, so TESSERACT, PERIPHERY. Und die neueren Alben sind noch mehr vom Metalcore beeinflusst, also I PREVAIL, ARCHITECTS und sowas. Und so entwickelt sich das. imgleft

Cornholio: Ja, cool. Ich habe irgendwo gelesen, ich glaube auf laut.de oder so, dass dein großer Einfluss die "Scenes From A Memory" von DREAM THEATER war.

Jan: Oh ja, das auf jeden Fall. Vor allem auch für unser erstes Album. Aber auch nach wie vor schreiben wir fast immer Konzeptalben. Also Melodien, die sich durchziehen, eine durchgängige Geschichte durch das Album, das ist einfach ein Riesending für uns. Das macht super viel Spaß, das zu machen und auch den Fans macht es mittlerweile total viel Spaß, das zu entdecken und auch im letzten Song die Melodie vom ersten Song wiederzufinden.

Schwarzfraggle & Cornholio: Ja, das haben wir hier auch noch als Punkt auf dem Zettel ...

Jan: Das ist einfach so das Ding. Klar, je mehr Metalcore, je mehr moderner Metalcore es wird, desto weniger wird es dieses klassische Prog-Ding, und desto klarer und songfokussierter arbeiten wir auch mittlerweile, aber Prog ist trotzdem immer noch ein Teil davon. Und ja, diese "Scenes From A Memory", ich war glaube ich 13, als ich sie das erste Mal gehört habe. Und ab da wusste ich: "Ja, so wird es gemacht!" Sehr cool.

Cornholio: Ich finde die auch fantastisch! Wir haben uns gefragt, die Coverartworks von den drei neuen Alben, also von "Asylum", von "2222" (wird "Twentytwo" gesprochen) und von "Are You Afraid", dem neuen Album, die sind ja alles total anders. imgright Wie kommt es, dass die so unterschiedlich sind? Hat das was mit dem jeweiligen Konzept zu tun?

Jan: Ja klar, es hat immer was mit dem Album zu tun. Aber wer das in dem Moment macht und auf welchen Stil wir Lust haben, das ist rückblickend schwer zu sagen. Irgendwie entsteht Kontakt zu einem bestimmten Grafiker oder Grafikerin, oder wir haben eine bestimmte Idee, was wir machen wollen. So wie jetzt beim neuen Album, da wollten wir gerne ein sehr helles Design haben, was so ein bisschen aussieht wie ein Filmplakat. Und vor allem wollten wir irgendwie Kunstwerke abbilden und nicht einfach nur wieder irgendein KI-3D-mäßiges Ding machen.

Schwarzfraggle: Und dann kam der Lobster. Wie steht ihr zu dem Kunstwerk, oder zu dem Künstler? Und der Text auf dem Cover unter der Skulptur, was hat es damit auf sich? (Hier der Link zum Cover in groß)

Jan: Das ist aus dem ersten Song, der gleichzeitig auch der Titelsong ist, 'Are You Afraid?" Und deswegen hat sich das angeboten, das dahin zu schreiben. Und genau, das ist ja auch einfach so ein bisschen dieses stylische Filmplakat. Das lieben wir einfach alle total. Und deswegen wollten wir mal in die Richtung gehen. Die Skulpturen selbst auf dem Cover zu haben, das war eine andere Sache. Also die Skulptur selbst gibt es natürlich schon viel länger als es jetzt die Musik gibt, deswegen haben die natürlich dementsprechend nichts damit zu tun. Wir hatten einfach Kontakt zu diesem Künstler gefunden und ich habe die Skulptur live gesehen, weil wir uns mal bei dem Künstler, bei dem Leon (Leon Emanuel Blanck, deutscher Künstler und Modedesigner), Klamotten für einen Videodreh ausgeliehen haben. Der ist eigentlich Modedesigner und hat eben vor Jahren auch diese Skulpturen gemacht. Aus alten Röntgenaufnahmen sind die zusammengeschweißt mit Epoxidharz, und deswegen schimmern die so bläulich-gräulich manchmal, wenn das Licht durchfällt. Und ich fand das so beeindruckend und habe mir das einfach so schön vorgestellt, wenn man das vor einer weißen Wand abbildet. Aber das ist letztendlich nicht auf einen bestimmten Inhalt bezogen, sondern es überträgt für mich eher diese Emotion des Albums. Es hat ja mit Angst zu tun, andererseits auch mit einer Faszination, Komplexität und es sieht ja ein bisschen aus wie eine schwarze Wolke, aber hat auch irgendwie was Animalisches. Also es überträgt einige Emotionen in unserer Musik relativ gut. Die anderen Alben haben sehr viel inhaltlich damit zu tun, bei dem ist es eher nicht so, sondern da hat es eher assoziativen Charakter. imgleft

Cornholio: Unsere nächste Frage bezieht sich auf die Songtitel vom neuen Album. Das ist alles außer dem Track "nostalgia" groß geschrieben, das ist mit Sicherheit Absicht. Der Track ist ja total ruhig, geht auch nur etwa zwei Minuten und ist im Ambient-Stil gehalten, sehr entspannend und ganz anders als der Rest des Albums. Du (deutet auf Schwarzfraggle) fandest ihn besonders toll! Magst du da was drüber sagen?

Jan: Ja, gerne. Der Song ist sozusagen so ein Farbtupfer und soll sich mit Absicht nicht in die anderen Singles einreihen. Das ist eher einfach wie so ein Interlude, so ein Zwischenspiel. Und kleingeschrieben ist es, weil es, wie halt das Wort schon sagt, "Nostalgia", das ist einfach was, was man sich zurückwünscht. Das ist nichts Reales, sondern das ist einfach für mich auch deswegen diese Soundwelt, die ist so ninetiesmäßig angehaucht. Das ist einfach so ein Kinderzimmergefühl, was da entstehen soll. Dieses Sich-komplett-wegbeamen-Wollen aus der Realität. Und in allen anderen Songs geht es ja um sehr reale Sachen. Deswegen hatte ich das Bedürfnis, da irgendwie die Schreibweise zu ändern und das irgendwie klar zu machen, dass das nur so eine Brücke zum nächsten realen Thema ist, ein kurzes Meditieren.

Schwarzfraggle: Es kommt total gut auf dem Album, finde ich!

Cornholio: Ihr habt ein paar Features drauf auf dem Album von den Bands OF VIRTUE, WE ARE PIGS und AWAKE AT LAST. Die letzten beiden kenne ich persönlich nicht, aber OF VIRTUE haben wir auch schon zweimal live gesehen, was sehr cool war. Wie kam der Kontakt zu den Bands zustande? Ist er über das Label gekommen oder war das ein privater Kontakt?

Jan: Ne, privat war das nicht. Die Kontakte kamen schon über's Label, aber wir haben halt zusammen überlegt, was wären passende Artists dafür. Dann haben wir natürlich ein paar Bands angefragt, und alle, die wir angefragt haben, haben direkt auch ja gesagt. Also das ist wirklich immer eine sehr große Ehre. Mit OF VIRTUE haben wir sogar lustigerweise mal zusammen gespielt auf zwei Festivals, einmal auf dem Summer Breeze und dem Pell Mell. Aber da kannten wir uns noch nicht gegenseitig, sonst hätte es einen persönlichen Bezug gegeben, ne? Und das hat einfach total gut gepasst zu den jeweiligen Stilen. Bei OF VIRTUE ganz klassischer Metalcore, bei WE ARE PIGS ist das Nu Metal-Thema einfach drin. Das macht sie mega gut, und sie hat auch diesen L.A.-Sound irgendwie in ihrer Stimme, weil sie da wohnt und das liebe ich. Und AWAKE AT LAST sind ganz klar Emo! Einfach richtig gut! Die Stimme, die zu diesem emolastigen Song passt, der uns natürlich auch sehr berührt, weil er irgendwie so diesen 2000er Touch mit drin hat. Deswegen finden wir das voll schön. Und über das Label ist dann der Kontakt entstanden, und wir hoffen, dass wir uns endlich mal irgendwann treffen und vielleicht sogar einen Song performen können zusammen. Wir haben uns Nachrichten geschrieben, die Bands haben sich auch voll gefreut. Also auf der nächsten Tour müssen wir unbedingt mal "Hi" sagen!

Cornholio: Apropos, ihr habt jetzt heute die Band VINTA mit, ich glaube, die haben selbst kein Label. Wie ist da der Kontakt gekommen?

Jan: Die sind uns einfach aufgefallen. Also befreundete Bands wie SETYØURSAILS und RISING INSANE hatten die mit auf Tour. Dadurch sind sie uns natürlich noch viel krasser aufgefallen. Man verfolgt sich ja gegenseitig und so. Und dann haben wir gemerkt, okay, die scheinen halt ein riesengroßes Feuerwerk da immer jeden Abend zu machen, und uns gefällt die Musik total gut, und das Ganze noch auf Deutsch. Das ist einfach so besonders, dass wir dachten, dass damit ja jeder was anfangen kann. Und vor allem, das ist halt cool, im Vorprogramm hast du ja meistens Bands, wo die meisten Zuschauer die Songs nicht kennen und dann auf Deutsch, dann hast du gleich noch mal einen ganz anderen Zugang zur Musik, auch gerade wenn es laute Musik ist. Das fanden wir sehr besonders, das eignet sich deswegen sehr gut. Und jetzt haben wir ja schon zwei Shows gehabt, und es passt einfach mega gut zusammen, auch obwohl die jetzt gar nicht aus dem Prog-Bereich kommen, so wie wir, aber trotzdem fällt das genau in diese Soundwelt mit rein. Superschön.

Cornholio: Cool. Zu dem vorigen Thema noch, zu den drei gefeaturten Songs. Spielt ihr die live teilweise oder singst du das dann alles?

Jan: Ja, ja, das ist schon so, dass wir natürlich die Songs trotzdem so oder so aufs Album gepackt hätten. Also die stehen schon auch immer als Version, wo nur ich singe. Und ich hoffe dann natürlich immer, und so ist es auch, dass die Leute ihre Parts auch so ein bisschen abändern oder einfach ihre persönliche Note reinbringen. Aber trotzdem ist das von der Form so, dass sie es auch alleine performen können, denn das werden wir in 99% der Fälle machen und es wäre extrem schade, wenn wir die nicht live spielen. Das machen wir auf jeden Fall.

Schwarzfraggle: Hat ja auch so ein bisschen Ohrwurmcharakter, also gerade der Song mit OF VIRTUE. Nur mal ganz kurz, ich fand dieses eine Lied so toll. Set wir das Album gehört haben, der Song 'Maniac In The Mirror', der ist so groovig, finde ich. Also für mich ist das irgendwie so ein Part, den ich total schön finde. Wollte ich einfach nur mal sagen.

Jan: Oh, danke. Dankeschön, danke.

Schwarzfraggle: Wirklich nicht so dieser klassische Metalcore, sondern eher so ein bisschen groovig und beatig. Und ich finde das halt echt cool, ich hab den immer im Kopf die ganze Zeit, der hört gar nicht mehr auf.

Jan: Ja, schade, dass wir den halt nicht spielen. Spaß.

Schwarzfraggle: Ich hab schon gedacht ...

Jan: Ja, ja, klar. Ja, wer weiß, wer weiß ...

Cornholio: Noch mal zu dem "2222"-Album. Ich hab es zwar nicht daheim (habe es mir an dem Abend nach dem Konzert dann gekauft), aber das hat ja einen sehr positiven Vibe, so ein Blick 200 Jahre in der Zukunft, da ist alles wieder super und die Menschheit hat sich erholt, so kommt das auf dem Album ja rüber. Auch wenn ich die Texte nicht vorliegen habe, aber das neue Album ist eher dystopisch und eher das Gegenteil gefühlt. imgright

Jan: Ja, ja, genau. Es ist auf jeden Fall viel mehr Realismus drin. Ich würde es nicht als dystopisch bezeichnen, weil ich jetzt keine düstere Welt ausmale, sondern ich versuche echt eher in der Gegenwart zu bleiben, und eher Fragen zu stellen. Es ist ja ein Album, deswegen hat es ja auch als Titel eine Frage. Es ist weniger wie bisher, dass es einfach Aussagen trifft und sagt: "So ist es!" und "Das muss besser werden!", sondern es stellt eben Fragen. "Hast du Angst?", "Wie machen wir das?", "Was denkst du, wenn du nachts ins Bett gehst?", "Wie fühlst du dich?" Solche Fragen werden auf dem Album gestellt und das hat natürlich einen kritischen und negativen Unterton. Aber ja, ich finde es allgemein auch in unserer Musik immer trotzdem so, und das versuchen wir auch live rüberzubringen, dass das halt trotzdem irgendwie positiv bleibt, dass selbst auch wenn es ein negativer Inhalt ist, der Song irgendwie positive Energie allein durch die Musik rausstrahlt, dass man sagt okay, jetzt lasst es anpacken!

Cornholio: Ja, das merkt man auf jeden Fall. Aber die Musik ist positiv, aber die Texte halt nicht. So ist es nicht, aber ist halt auch gerade in der Welt nicht ganz so.

Jan: Genau so, diese verschiedenen Ebenen. Das wollen wir halt, dass man trotzdem den Song genießen kann, auch wenn es ein kritischer Song ist über den man sich total freuen kann. Das finden wir total legitim. Und wenn man einfach Bock hat, sich mit dem Text zu beschäftigen, vielleicht mal zu Hause oder so, dann kann man das machen und kann den Song so für sich benutzen, wie man will.

Cornholio: Das finde ich cool. Schreibst du alle Texte und alle Lieder, oder macht ihr das in der Band zusammen?

Jan: Wir schreiben immer mehr zusammen. Die ersten Alben habe ich komplett alleine geschrieben, weil die Band so gegründet wurde, dass ich alleiniger Sänger und Songwriter war. Das war damals im Studium das Konstrukt, und da haben alle anderen in verschiedenen Bandfunktionen einfach nur die Instrumente übernommen. Aber mehr und mehr werden wir zu einem Team. Je mehr wir spielen, desto mehr sind wir auf der Straße und müssen uns immer Aufgaben teilen. Und das ist ultra schön! Und das ist natürlich jetzt auch so. Im Studio setzen wir uns zusammen, schreiben zusammen Songs beziehungsweise schicken sie uns hin und her, weil wir ja nicht regelmäßig proben, da wir aus unterschiedlichen Städten kommen. Es läuft eben alles über den Computer. Die Jungs schicken mir Riffs, ich mache da einen Song draus, dann treffen wir uns mal zusammen, schreiben dran weiter und so. Das ist echt voll schön, und daran merkt man auch irgendwie, dass es lebendig bleibt. Ich würde mich, glaube ich, irgendwann selbst total langweilen, wenn alles nur noch von mir kommt oder ich würde mich auch wiederholen. Aber Texte schreibe ich komplett alleine.

Cornholio: Und spielst du auch ein Instrument? Spielst du auch Gitarre auf der Bühne? Ich habe Bilder gesehen, wo du nur singst, und andere, wo du eine Gitarre umhängen hast. Legst du die ab und zu ab? Ihr habt dann zwei Gitarristen, wenn du mitspielst, oder?

Jan: Ja, Alex kann fett genug spielen, dass das reicht eigentlich. Also wir könnten auch eine Show spielen, wo ich gar nicht Gitarre spiele, aber es macht vom Arrangement oft auch Sinn, dass es eine Lead- und eine Rhythmusgitarre gibt. Aber ja, bei ein paar Songs, die zum einen entweder zu schwer zum Spielen und gleichzeitig zu singen sind, oder es braucht einfach von der Energie her etwas Action auf der Bühne, da singe ich nur. Und das wird mehr. Es scheint mir Spaß zu machen, mal nicht mich hinter der Gitarre verstecken zu müssen.

Cornholio: Ich habe noch gesehen, ihr habt 'Message In A Bottle' von THE POLICE gecovert. Wie kam das? Also gerade der Song, also ist ja nicht so typisch für Metal.

Jan: Es ist einfach mal was anderes! Also du willst als Band etwas anders machen, es ist einfach cool, mal ein Cover zu spielen! Gerade dieses Metal-Cover-Thema ist einfach was, was total Spaß macht und etwas, wo man sich da einfach ausleben kann und den Song in einem komplett anderen Gewand dastehen lassen kann. Und gewisse Melodien sind so zeitlos und so krass, wie zum Beispiel bei dem Song, dass das in jedem Genre funktionieren würde. Und das haben wir ausprobiert. Wir haben auch viele andere Songs ausprobiert, aber bei dem war es direkt klar. Und das Stück gibt es auch noch nicht so oft draußen als Metal-Version. Es gibt ja fast jeden Song als Metal-Cover, den gab es noch nicht. Und das hat total gut funktioniert und macht mega Spaß, weil das ist, man lässt mal kurz locker und sagt komm, wir spielen jetzt einfach mal Musik. Wir haben ja früher alle mit Cover-Musik angefangen und das ist irgendwie auch so ein anderes Lebensgefühl, als immer seinen eigenen Kram den Leuten aufdrängen zu wollen, übertrieben gesagt. Einfach schön, auch mal einfach performen zu können.

Schwarzfraggle: Ich denke, es funktioniert ja auch, weil die Leute einfach mitsingen können.

Jan: Genau. Es ist einfach ein Eisbrecher. Je nach Show, wo man bekannter oder weniger bekannt ist, ist das total der Eisbrecher zwischen dem Publikum und uns. Das ist total schön.

Cornholio: Das Thema hatten wir mit SETYØURSAILS auch. Die haben 'Shallow' von BRADLEY COOPER und LADY GAGA gecovert und spielen den Song aber nicht mehr. Früher auf Festivals haben sie ihn immer gespielt, um die Leute aufhorchen zu lassen, aber mittlerweile spielen sie den nicht mehr, weil sie wollen nicht mehr, dass man sie wegen einem Coversong kennt. Sie sagen, sie brauchen kein Cover mehr, nur damit uns die Leute da sehen und wiedererkennen.

Jan: Es gibt ja auch Bands, wo dann deren Karriere komplett auf diesem Coversong aufbaut, das war bei uns zum Glück nicht so. Da haben wir auch lange drüber nachgedacht. Ich meine, klar wollen wir, dass jeder Song, den wir rausbringen, erfolgreich wird. Aber du wirst dann natürlich, und das sieht man bei vielen Bands, nur über das Cover definiert, und deine eigenen Songs gehen unter. Das will man eigentlich auch nicht. Das haben wir riskiert, aber es ist ehrlich gesagt genau richtig so, wie es jetzt ist. Die Version ist sehr bekannt, aber wir würden auch ein Konzert ohne den Song durchspielen und trotzdem viele gute, bekannte Songs spielen.

Cornholio: Ich habe nur noch eine Sache, wir haben vorhin schon ganz kurz über Einflüsse gesprochen. Da hattest du DREAM THEATER und PORCUPINE TREE und PAIN OF SALVATION genannt. Haben die anderen drei auch die gleichen oder ähnliche Einflüsse oder kommt irgendjemand aus dem Metalcore-Bereich? Und hat dann da irgendwie einer die Weichen gestellt, sage ich mal? Oder habt ihr da den gleichen, oder einen ähnlichen Background? imgleft

Jan: Ja, also wir haben alle einen Rock-Background auf jeden Fall, das kann man grob so sagen, aber aus unterschiedlichsten Richtungen. Diese Prog-Einflüsse kommen komplett von mir, würde ich sagen. Die Jungs finden das aber total geil und kennen das auch und so, haben aber in ihren früheren Jugendbands andere Sachen gemacht. Das ging von klassischem Metalcore, Hardcore, aber auch normaler Rock, Blues Rock und Nu Metal. Wir sind alle eigentlich sehr, sehr vom Nu Metal beeinflusst aufgewachsen und das ist eigentlich das, was uns am meisten verbindet, würde ich sagen. LINKIN PARK, LIMP BIZKIT, die ganze Schiene da, spätestens da ist der gemeinsame Nenner immer da. Wir haben auch manchmal LIMP BIZKIT aus Spaß gecovert, live, weil es uns einfach so einen Spaß macht. Da merkt man, dass die Musik für live gemacht ist. Das ist so krass. Und dann aber die verschiedenen Pop-Einflüsse und die Abstufungen zwischen den Metal-Genres, die sind dann später bei allen unterschiedlich entstanden und treffen sich aber jetzt im Songwriting wieder. Also alle haben einen Rock- und Metal-Background, aber aus unterschiedlichsten Richtungen.

Cornholio: Ja, das macht es ja so einzigartig. Man hört die Einflüsse, man hört ein bisschen poppige Einflüsse, ohne es jetzt negativ zu meinen, mit den Mitsing-Refrains und sowas ist ja cool. Und man hört auch den Prog-Anteil und natürlich den Chor raus. Macht schon Spaß! Letzte Frage, die mir gerade einfällt: Hast du irgendwelche Vorbilder im Sinne von Stageacting, irgendwelche Frontleute, zu denen du "aufschaust" oder sagst, boah, der performt geil, so ähnlich will ich auch rüberkommen. Oder ein bisschen was abschauen oder so?

Jan: Ich persönlich? Ja, es hat sich ein bisschen aufgespalten. Früher in dieser Prog-Welt hatte ich das auf jeden Fall. Das sieht man, glaube ich, auch noch. Da war es auf jeden Fall Steven Wilson von PORCUPINE TREE und Daniel Gildenlöw von PAIN OF SALVATION. Also diese typischen Masterminds von den Prog-Alben, die sich dieses Ding zu Hause ausdenken und auch Gitarre spielen und irgendwie so ein krasses Bandkonstrukt um sich bauen, das fand ich total cool, aber das ist es jetzt definitiv nicht mehr. Das merkt man auch daran, dass ich manchmal die Gitarre ablege. Jetzt ist es schwer zu sagen. Natürlich die ganz großen Bands, Olli Sykes von BRING ME THE HORIZON, ein krasser Performer. Also der würde mir jetzt am ehesten einfallen. Aber ich habe ihn halt noch nie live gesehen. Es ist schwer zu sagen. Nein, da kann ich mich jetzt nicht festlegen auf den moderneren Sound. Ich versuche, meinen eigenen Stil zu finden. Ich bin eher beeinflusst von Bands, an denen wir näher dran sind, mit denen wir touren oder die mit uns. Das finde ich viel interessanter, weil du die Leute dann auch privat erlebst, wie sie das verbinden, du erlebst sie beim Soundcheck und dann merke ich, dann habe ich halt einen krasseren Zugang dazu, was sie dann auf der Bühne rüberbringen. Weil ich nicht einfach nur diesen Frontalunterricht kriege, sondern irgendwie gleich eine Connection zu der Person habe. Und da habe ich schon so krasse, also positive Überraschungen erlebt. Leute, die mich einfach mit ihrem Charisma so beeindrucken, sowohl hinter als auch auf der Bühne. Das sind viel eher Leute, von denen ich mir unterbewusst was abgucke. Ja, Moves, die ich dann vorm Spiegel übe, damit die auch so cool aussehen wie bei denen. (lacht)

Schwarzfraggle: Ganz kurze Frage noch, im Metalcore gibt es ja ganz viel dieses Mental Health-Thema. Ist das bei euch in der Band auch ein Thema, von dem ihr sagt, da wollen wir darauf aufmerksam machen? Weil es eben einfach ein großes Thema in dem Genre ist.

Jan: Auf jeden Fall. Es ist definitiv ein Thema! Es ist weniger in der Band oder in dem Genre, es ist mehr eins für uns alle, vor allem für mich als Selbstständiger ein Thema. Ich bin ja selbstständig, wir sind alle selbstständig als Musiker unterwegs in verschiedenen anderen Sachen. Und da ist für mich eher die Krux zur Mental Health-Geschichte, die Band aufrechtzuerhalten mit einem Aufwand, der weit über ein Hobby hinausgeht, aber dir natürlich trotzdem noch lange nicht den Kühlschrank voll macht. Da liegt für mich irgendwie das Hauptding. Ich muss aber sagen, dass wir das bisher noch wenig in Texten verarbeitet haben. Es ist aber ein Thema, was schon lange in der Schublade liegt. Es hat sich noch nicht so ergeben, dass sich irgendwie für mich schon die richtigen Worte dafür gefunden habe. Bin da selbst eher noch für mich am Arbeiten bei dem Thema. Das aktuelle Album ist auf jeden Fall persönlicher als die vorigen. Also es geht schon deutlich mehr in eine Richtung, wo ich viel mehr von mir reinstecke. Vorher habe ich ja so ein bisschen mit Abstand eine Geschichte erzählt, das ist der Zustand, den kann man so bewerten und fertig. Da habe ich wenig von mir selbst reingelegt und das ist jetzt bei dem Album auf jeden Fall schon anders. Und ja, es könnte gut sein, dass es vielleicht mal Songs gibt, die in diesen Bereich gehen, aber irgendwie habe ich mich da noch nicht rangetraut, weil ich auch nicht abgedroschen klingen will. Es passieren dann schnell Floskeln, und ich will das auch ernst meinen und auf eine ganz persönliche Art rüberbringen. Das habe ich bisher noch nicht rausgefunden für mich, aber es ist sehr interessant und ich will mich da auf jeden Fall dransetzen und finde es mega gut, dass da Bands schon viel deutlicher darauf aufmerksam machen und da ihre Community mitnehmen. Finde ich echt mega gut.

Cornholio: Super, das ist ein tolles Schlusswort! Danke für deine Zeit und für das Interview, und viel Spaß weiterhin auf der Tour. Bis bald!

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