Nightwish - Endless Forms Most Beautiful

Review von Elvis vom 25.04.2015 (11125 mal gelesen)
Nightwish - Endless Forms Most Beautiful Im Hause NIGHTWISH ist die letzten Jahre einiges los gewesen. Nachdem man auch die Tarja Turunen-Nachfolgerin Anette Olzon losgeworden war (die Umstände sind eine Frage des persönlichen Standpunktes), kam mit Floor Jansen wieder frisches Blut ans Mikrofon der Finnen. Zunächst nur kurzfristig eingesprungen ist die Niederländerin nunmehr festes Mitglied. Dasselbe gilt für Troy Donockley, der schon vorher einmal mehr als nur die Flötentöne einbrachte und jetzt eben auch fix gesetzt ist. Nach dem nicht unumstrittenen "Imaginaerum" von 2011, war es langsam auch wieder allen Querelen zu Trotz Zeit für ein neues Album. Um ein bisschen mehr Chaos reinzubringen, musste Drummer Jukka diesmal gesundheitlich bedingt passen und so spielte Kai Hahto (WINTERSUN) vertretungshalber die Drums ein und ist auch auf der Tour dabei. Trotzdem bleibt Jukka jedoch offizieller Drummer bis er wieder auf der Höhe ist. Nun ja, was hat das neue Werk "Endless Forms Most Beautiful" denn nach all diesen Umständen zu bieten?

Zunächst ist da einmal eine sehr stattliche Spielzeit, denn mit fast 79 Minuten reizt man die Spielzeit der CD nahezu komplett aus. Die elf Songs auf "Endless Forms Most Beautiful" haben allesamt eine stattliche Spielzeit aufzuweisen, denn selbst die drei kürzesten Songs sind nur knapp unter der Marke von fünf Minuten. Da sich die Finnen als säkulare Band verstehen, geht es im Großen und Ganzen hier - stark vereinfacht gesagt - um die Schönheit der Evolution. Kreationisten werden sich vermutlich schon angewidert abwenden, wenn die Einleitung zum Opener 'Shudder Before The Beautiful' von Evolutionsbiologe Richard Dawkins gesprochen wird. Der Song selbst ist relativ typisch für NIGHTWISH der Neuzeit, abwechslungsreich und geht auch schön ins Ohr. Letztlich fühlt man sich gleich heimisch, wenn man auf den Stil der jüngeren Jahre steht. Schon hier fällt auf, dass Floor, die eine klassische Gesangsausbildung hat und doch deutlich anders könnte, sich gesanglich auch nicht allzuweit aus einer soliden, locker-flockigen Bruststimme herausbewegt. Stimmakrobatisch wäre hier sicher einiges mehr möglich (insbesondere im Vergleich zu Anette), aber offenbar ist es gewollt, dass NIGHTWISH sich anno 2015 nicht zu sehr den alten stimmlichen Tarja-Höhen annähern wollen. Über das ähnlich eingängige und durchaus bombastischere 'Weak Fantasy' geht es zur schon bekannten ersten Single 'Elan'. Hier wird spätestens erkennbar, dass die folkig-keltischen Elemente, die insbesondere Marco Hietala in jüngerer Vergangenheit forciert hat, weiterhin präsent sind und vielfach eingesetzt werden. Troy trägt hier natürlich auch seinen Teil zu diesem Aspekt des modernen NIGHTWISH-Sounds bei. Man mag geteilter Meinung sein, ich persönlich finde dieses Element jedoch gut und passend. Mir gefallen die heutzutage deutlich weniger hektisch daherkommenden Songs auch in diesem Zusammenhang fast besser als mancher alte Klassiker. Ein bisschen Lagerfeuer-Atmosphäre tut ja auch mal gut. 'Yours Is An Empty Hope' kommt da doch wieder deutlich flotter und mit mehr Bombast daher. Insgesamt ist nach meinem Eindruck das Orchester jedoch nicht mehr so präsent wie es zwischenzeitlich schon war. Das Gleiche gilt für Marco, der natürlich weiterhin einen guten Teil zum Gesamtklang beiträgt, aber gesanglich doch deutlich in den Hintergrund gerückt ist. Es dominiert klar Floor. Insgesamt handelt es sich hier um einen guten, abwechslungsreichen Song. Deswegen geht es danach mit 'Our Decades In The Sun' auch drei Gänge zurück, denn die Ballade schüttelt doch die Härte ziemlich ab zugunsten einer nachdenklichen Atmosphäre. 'My Walden' dagegen ist vermutlich eher ein Kandidat für eine weitere Single (auch wenn NIGHTWISH ja im Vorfeld deutlich betont haben, dass man das Album als Gesamtwerk sehen möge und nicht nur als einzelne Songs). Der Song ist gut, aber nicht übertrieben spektakulär - weswegen das auch Radio-tauglich wäre. Der folgende Titeltrack hat dafür wieder einen deutlich rockigeren NIGHTWISH-Faktor. 'Edema Ruh' ist eine solide Halb-Ballade mit einem angenehm plätschernden Touch. Das Keyboard-lastige 'Alpenglow' hat meines Erachtens auch ordentliches Airplay-Potential und gefällt mir jedenfalls auch nach diversen Durchläufen immer noch richtig gut (zudem ist der Songtitel irgendwie ziemlich cool). Ein bisschen fühlt man sich von Holopainens Keyboard-Riff an 'Bye Bye Beautiful' erinnert. Mit 'The Eyes Of Sharbat Gula' folgt ein langes Instrumental. Das is zwar sicher nicht schlecht, aber irgendwie würde es auch nicht wehtun, wenn der Song ein wenig kürzer wäre. Das kann man vom fast schon zu erwartenden Abschluss des Albums nicht behaupten. Mit 'The Greatest Show On Earth' toppen NIGHTWISH mit fast 24 Minuten Spielzeit jeden ihrer Mammutsongs um Längen. Richard Dawkins darf hier des öfteren reden, was sicher nicht unbedingt jedem gefallen wird. Bei der Spielzeit ist klar, dass sich hier nicht gehetzt wird und natürlich auch viel Bombast an Bord ist. Im Grunde genommen sind es fünf Teile, die hier das Magnum Opus bilden und auch eigene Namen tragen. Floor darf zu Beginn bei 'Four Point Six' dann doch mal in höheren stimmlichen Sphären schweben, geht aber in der Folge doch wieder in die unteren Regionen zurück. 'Life' ist da schon deutlich bombastischer und könnte auch alleine überzeugen. Über diverse Tierstimmen geht es über in 'The Toolmaker', in dem Marco endlich mal wieder stimmlich einiges zu tun bekommt im Wechsel mit Floor. Auch dieser Part wäre ein feines Stück für sich alleine betrachtet und ist ein Highlight auf "Endless Forms Most Beautiful'. 'The Understanding' ist mehr ruhige musikalische Untermalung für Ausführungen von Mr. Dawkins. Nach einem kurzen bombastischen Finale ist klanglich bei 'Sea-Worn Driftwood' der Name Programm. Dem ganzen Song gerecht zu werden ist durchaus schwierig. Letztlich muss eigentlich jeder für sich entscheiden, ob ihm das zu überladen ist, insbesondere mit den langen Sprechpassagen und dem langen Ausklang. Die Teile sind im Fall von 'Life' und 'The Toolmaker' wirklich klasse, aber ich persönlich komme doch immer noch besser mit den deutlich kompakteren und auf den Song fokussierten 'Ghost Love Score' oder 'The Poet And The Pendulum' zurecht. 'Song Of Myself' hätte meines Erachtens auch schon ein bisschen weniger Sprechpart gut getan, aber nun ja: unterm Strich ist es Kunst und da sind die Geschmäcker verschieden. Vielleicht wäre etwas weniger hier mehr gewesen, aber der künstlerische Anspruch ist hier eben ein anderer und das gilt es zu respektieren.

In der Limited Edition gibt es als Bonus zudem eine zweite CD mit Instrumentalversionen hinzu. Das wird nunmehr schon seit "Dark Passion Play" fast als Standard von NIGHTWISH so gehandhabt. Zur Rezension lag diese zwar nicht vor, aber da NIGHTWISH ja eh immer Soundtrack-hafter geworden sind, macht das auch durchaus Sinn und ist jedenfalls Value For Money.

"Endless Forms Most Beautiful" wird daher gerade Fans der neueren NIGHTWISH-Alben sicherlich alles bieten, was sie mögen. Ob alle Altfans noch das bekommen, was sie vielleicht immer noch gerne hätten (insbesondere wieder eine Tarja), mag eine andere Frage sein. Man muss der Band schließlich auch zugestehen, dass sie eine Entwicklung hinlegt und nicht stehenbleibt, auch wenn es nicht jedem gefällt. Es ist immer noch genug NIGHTWISH drin, um alle möglichen Schichten anzusprechen und radiotauglich ist auch der ein oder andere Song. Das halte ich jedoch nicht für Berechnung. Unterm Strich haben NIGHTWISH mit "Endless Forms Most Beautiful" wieder ein mehr als gutes Album hingelegt und mit Floor Jansen am Mikrofon dürften noch ganz andere musikalische Dinge möglich sein. Man darf gespannt sein und auf die Tour im Herbst/Winter kann man sich schon jetzt freuen.

Gesamtwertung: 8.5 Punkte
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Trackliste Album-Info
01. Shudder Before The Beautiful (6:29)
02. Weak Fantasy (5:23)
03. Élan (4:45)
04. Yours Is An Empty Hope (5:34)
05. Our Decades In The Sun (6:37)
06. My Walden (4:38)
07. Endless Forms Most Beautiful (5:07)
08. Edema Ruh (5:15)
09. Alpenglow (4:45)
10. The Eyes Of Sharbat Gula (Instrumental) (6:03)
11. The Greatest Show On Earth
I. Four Point Six (5:47)
II. Life (5:05)
III. The Toolmaker (6:22)
IV. The Understanding (3:00)
V. Sea-Worn Driftwood (3:48)
Band Website: www.nightwish.com/
Medium: CD
Spieldauer: 1:18:53 Minuten
VÖ: 27.03.2015

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Geschmäcker sind verschieden, aber ich bin hier anderer Meinung. Ich habe die Doppel-Vinyl-Ausgabe und höre mir eigentlich nur Seite A gerne an (Shudder bis Elan); wirklich sehr gute Songs. Doch spätestens danach gehen mit die ständigen Chöre auf den Wecker. 'Decades' ist eine ziemlich üble Ballade und 'My Walden' mit diesen "higher, higher" Zeilen im Chorus blanker Kitsch. Ich geb Dir Recht, 'Alpenglow' ist wieder interessant. Das nachfolgende Instrumental (wieder mit diesen unnötigen Chören) völlig unnötig. 'The Greatest Show On Earth' ist wohl die längste Auslaufrille der Welt. 6 Minuten Intro, dann 6 Minuten Gesang in 2 Parts (die beiden besten Teile des Songs; klasse!) und dazwischen Tierstimmen. Als Abschluss 6 Minuten Walgesänge. Die gesprochenen Passagen von Dawkins regen aber zum Nachdenkken an und passen perfekt rein. Und dass sie Floor nicht sie Sau rauslassen lassen ist der größte Fehler von Tuomas und Co. Nach vielen Durchläufen Prädikat Fahrstuhl auf hohem Niveau.
6/10   (26.04.2015 von des)

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