Interview mit Tobin von Papa Roach

Ein Interview von Lestat vom 22.12.2010 (15539 mal gelesen)
Vor dem Konzert in München am 25.11. nahm sich Bassist Tobin einige Zeit, um über das vergangene und das kommende Jahr, PAPA ROACHs Entwicklung der letzten Jahre, die Tour und das letzte Album zu reden.

Ich sitze hier mit Tobin von PAPA ROACH. Hi erstmal. Ihr seid gerade auf Tour. Wie war die bisher?

Tobin: Hi! Die war großartig bisher. Wir haben in Helsinki, Finnland, angefangen und sind dann dort im Norden herum getourt. Wir waren dort schon einige Zeit nicht mehr und es hat gut getan, vor diesen Jungs mal wieder zu stehen. Und jetzt sind wir in Deutschland, welches eines unserer Lieblingsländer ist. Wir haben hier die eingefleischtesten Fans. Wir sind unterwegs mit DISTURBED, mit denen sind wir schon 2000 auf Tour gewesen. Mit dabei sind auch BUCKCHERRY, das ist, wie mit Freunden unterwegs zu sein. Und zuletzt sind auch HALESTORM dabei, mit denen wir auch schon getourt haben. Das macht einfach Spaß, man lebt einfach den Rock'n'Roll.

Du hast gerade gesagt, dass ihr in Deutschland die eingefleischtesten Fans habt. Nun habt ihr aber nicht mehr die Präsenz in der Presse, die ihr während des "Incest" Albums hattet. Hast du eine Ahnung, woran das liegt?

Tobin: 2000 war die ganze Rock-Sache einfach beliebter. Die Leute haben mit mehr Spannung verfolgt, wenn neue Bands oder Alben auf dem Markt waren, die großen Plattenfirmen waren mehr einbezogen indem sie mehr Geld reinsteckten und hart für die Bands arbeiteten. Seitdem hat sich eine Menge verändert.

Gibt es einen Mangel an Promotion?

Tobin: Ja, absolut. Wir sind keine neue Band, wir sind nicht der große, neue Hit. Die Show ist weitergezogen, ich habe keine Ahnung, was jetzt der große, neue Hit ist.

AMY MACDONALD...

Tobin: Wer ist das?

Eine englische Rockpuppe.

Tobin: Die kenne ich nichteinmal. Das passiert jedenfalls einfach. Wir haben uns bewährt, wir sind aus der Gefahr draußen. Sicher ist es toller, wenn man die Präsenz hat und in den Magazinen auftaucht. Aber wir haben Fans auf der ganzen Welt verteilt, wir bekommen unsere Shows ausverkauft und ich denke, die Musik wird besser, unsere Shows werden besser. Das ist es, was zählt. Wir haben Spaß.

Das ist es, was zählt. Ihr tourt jetzt bis zum 19. Dezember. Seid ihr dann wirklich zu Hause bei der Familie oder gibt es andere, konkrete Pläne?

Tobin: Mein Plan ist es, einfach nach Hause zu gehen und die Ferien mit meiner Familie zu verbringen: Mit den Kindern spielen, mit dem Hund spielen, (wird lauter) mit meiner Frau spielen (lacht), uns sonst nichts machen. Ich arbeite auf eigene Faust, ich habe mein eigenes Studio zu Hause. Nach einigen Tagen der Erholung gehe ich in den Schreibmodus. Wir haben dann einige Monate Pause, und ich denke, dass haben wir uns auch verdient, wir haben jetzt lange Zeit aufgetrumpft. Ich werde mich jetzt wirklich nur um die Familie kümmern und Dinge rund ums Haus erledigen.

Touren ist einfach eine Menge Stress für die Familie...

Tobin: Ja, jedesmal, wenn du auf Tour gehst, hast du jede Emotion. Wir sind gespannt, das zu tun, wofür wir leben, der Hype, wenn du auf der Bühne bist, das Machen von Musik, der Spaß, den wir haben. Es gibt aber auch Momente, in denen du dich total abgespannt fühlst, du müde und verkatert bist. Es ist ein bisschen von allem, und das ist Teil des Opfers dessen für das, was wir machen. Klar ist es hart, wenn man eine Familie, ein Haus und Kinder hat, so lange weg zu sein, aber das ist Teil unseres Jobs.

Und es ist ein guter Job, der Spaß macht... ?

Tobin: Ja. Manchmal ist es seltsam auf Tour, wenn du aufwachst und nicht so recht weißt, wo du bist. Jeden Tag wachst du mit deinen Freunden auf und es ist irgendwie das Gleiche. Aber Der Zeitplan ist verwirrend und du weißt echt nicht, was dir der Tag bringt, bis du am Morgen aufwachst. Man muss sich jeden Tag einer neuen Umwelt anpassen, und das ist eine kleine Herausforderung. Aber gleichzeitig ist es spannend.

Und schaust du dir die Städte, in denen ihr spielt, auch an?

Tobin: Eine der ersten Sachen, die wir machen, wenn wir einen Day Off haben, ist, nachdem wir im Hotel angekommen sind, einen Spaziergang zu machen und die Sehenswürdigkeiten anzuschauen. Wir versuchen, die Stimmung vor Ort zu erleben, was Typisches zu essen, was zu drinken und einfach herum zu laufen. Ich mag Europa auch wirklich. Die Lebenseinstellung scheint eine andere zu sein. Es ist nicht alles besser, aber ich mag einfach den Vibe.

Ihr habt gerade "Time For Annihilation - On The Record And On The Road" herausgebracht. Wie waren die Reaktionen darauf, sowohl in der Presse als auch bei den Fans?

Tobin: Ich lese wenig in der Presse, aber die Fans lieben es verdammt. Sie lieben die Lieder, das ist, worüber sie sich freuen. Wir sind sehr stolz auf die neuen Lieder. Die neue CD an sich ist ein wenig die Zelebrierung einer Dekade von PAPA ROACH. Sie hat etwas davon, was wir in der Zukunft machen werden, was wir gerade machen, und einige unserer Lieblingslieder der Vergangenheit. Es ist einfach etwas anderes. Und wir arbeiten gerade an einem Album voller Länge. Ich mag auch die Tatsache, dass die CD nur fünf Lieder hat. Es setzt den Fokus, und die meisten Leute spenden ihre Aufmerksamkeit nur auf fünf Lieder. Ich denke, dass CDs mit einer riesigen Menge Songs einfach nicht mehr zeitgemäß sind. Die Leute haben nur noch die Aufmerksamkeit oder Geduld für fünf Lieder, sie sind auf eine gewisse Weise Single-getrieben. Ich würde eher EPs auf den Markt bringen, mit sieben, vieleicht zehn Liedern. Aber das liegt nicht an mir.

Hat es denn schon Songwriting für eine neue CD gegeben?`

Tobin: Ich würde nicht sagen Songwriting. Aber es gab eine Menge, ich würde sagen, Einarbeiten. Einarbeiten und Lernen in die Musik, um bessere Songwriter zu werden. Wir hören dem zu, was es Neues da draußen in der Welt gibt. Wir versuchen so neue Einflüsse herauszufinden und diese in unseren Sound zu übernehmen. Wir arbeiten weiter daran, kreativ zu sein und uns selbst herauszufordern, alles frisch zu halten.

Ihr orientiert auch wirklich vor jeder CD daran, was es da draußen grad so gibt? Oder geht ihr doch eher in den Proberaum und startet das Spielen?

Tobin: Es ist beides. Wir reden darüber, dass es gut wäre, einen Song zu schreiben, der so und so wirkt, und von der Menge eine bestimmte Reaktion hervorruft. Wir wissen noch nicht einmal, wie der Test aussehen könnte, wir reden nur darüber, welche Emotionen wir bei den Fans hervorrufen wollen. Und dann gibt es auch die Tage, wenn wir in den Proberaum gehen, uns unsere Instrumente greifen und das Spielen beginnen. Und dann kommt etwas sehr schönes, und verglichen mit dem, was wir sonst machen, anderes, dabei heraus. Dann sagen wir: "Hey, das ist cool, lasst uns ein Lied daraus machen".

Gibt es denn einen Hauptsongwriter bei euch oder ist es mehr ein Gruppenprozess?

Tobin: Jacoby und ich sind die Hauptsongwriter. Aber wenn es ans Jammen geht, ist es definitiv die Gruppe. Viele Ideen beginnen damit, dass ich auf dem Keyboard, das ich habe spiele. Ich programmiere das Schlagzeug, die Gitarren, den Bass und was es auch immer braucht. Manchmal läuft es dann so, dass wir versuchen, das zu spielen.

Siehst du einen großen Unterschied zwischen den PAPA ROACH jetzt und zu Zeiten der Gründung?

Tobin: Ja. Ich denke unsere Songs wurden besser, und auch, dass die Liveshows Fortschritte gemacht haben. Ich denke auch, dass die Energie immer noch da ist. Es ist nur nicht mehr chaotisch. Das war einfach die Folge davon, dass wir damals sehr jung waren. Wir waren damals Anfang 20, jetzt sind wir in den Dreißigern. Wir vier draußen auf Tour in der Zeit. Wir haben jetzt einen anderen Fokus und eine Ahnung davon, wie das Geschäft läuft. Wir haben jetzt Familien. Das ändert nicht, nach was sich die Musik anhört. Aber es ändert etwas daran, wie wir andere behandeln, wie wir uns selbst behandeln. Wir sind einfach professioneller geworden.

Und was die Musik angeht?

Tobin: Ich denke, dass Jacoby inzwischen melodischer singt. Wir waren damals sehr durch Hip-Hop und Funk beeinflusst. Das haben wir aber nicht beibehalten. Das war in den Neunzigern eben in. Wir waren auch weniger im Metal zu Hause, wir interessierten uns mehr für Punk Rock und Hip-Hop. Und wir haben versucht, es so zu machen, wie RAGE AGAINST THE MACHINE und die RED HOT CHILLIE PEPPERS es vorgemacht haben. Das ist, was wir am Anfang versucht haben. Und dann haben wir unser eigenes Ding entwickelt und wurden die Rock'n'Roll-Band, die wir jetzt sind. Wir hören immer noch verschiedene Musikstile,

Was sind dann heute eure oder deine Lieblingsmusikstile oder Bands?

Tobin: Unsere Musik hat sich in den letzten Jahren definitiv verändert. Es gibt einige Metalbands, die ich jetzt höre, wie SOILWORK, oder ähnliche Bands. Dann höre ich viel elektronische Bands mit Overdubs und so, wie MINISTRY. Ich fand MINISTRY und THE PRODIGY und ähnliche Bands einige Zeit wirklich toll. Es ist aber schwer zu sagen, was uns wirklich beeinflusst zur Zeit, weil es eine Menge gute Musik gibt. Ich habe zwei Gesichter, und es gibt so viel gute Musik überall verteilt, ob es nun Reggae, Indie oder Ambient sei. Alles beeinflusst uns auf eine gewisse Weise.

Es hängt einfach davon ab, wie du dich gerade fühlst...

Tobin: Genau. Wir werden nie eine Band voller Metalheads sein. Das ist, was wir sind, und ich kann daran auch nichts ändern.

Das finde ich gut. Das Jahr geht gerade zu Ende - gibt es denn ein Highlight oder einen Tiefpunkt für 2010?

Tobin: Wir haben Woodstock in Polen geheadlined. Es war die größte Show, die wir bisher gegeben haben, und es war der größte Ansturm, den wir je hatten. Die Menge war Wahnsinn. Wir haben vor wahrscheinlich 350 000 Leuten gespielt. Ich habe das Ende der Menge nicht gesehen. Es war einfach eine riesen Menge, die mitgesungen hat, und auf und ab gesprungen ist. Und das Gegröhle aus Menge war ziemlich intensiv. Das war definitiv ein Highlight.

Gibt es auch etwas, was nicht so gut was?

Tobin: Nein. Ich meine, ich fokussiere mich einfach nicht auf negative Sachen.

Und habt ihr bereits große Pläne für 2011, außer Songwriting?

Tobin: Wir werden weiter touren, durch Kanada, Südamerika. Wir werden zurück nach Europa kommen, und im Sommer kommen die Festivals. Der Rest wird dann zu Hause zu chillen, zu schreiben, versuchen, gesund zu bleiben. Ein weiteres Highlight im vergangenen Jahr war, dass ich geheiratet habe. Das war einfach großartig, Aber ansonsten ist alles, was wir machen: Wir essen, leben und atmen einfach Musik. In PAPA ROACH zu spielen bedarf über 80% unseres Lebens. Wir müssen einfach nach Hause gehen und uns um unsere Familien kümmern und die Zeit zu Hause nutzen.

Dann noch nachträglich alles Gute! Ich bedanke mich für das Interview - die letzten Worte gehören dir!

Tobin: Hört euch "Time For Annihilation ... " an, wenn ihr es noch nicht habt. Es ist ein Paket, voller PAPA ROACH mit den besten Liedern zuzüglich fünf brandneuer Lieder. Und wenn ihr könnt, kommt bitte zu den Konzerten und seht uns. Ich denke, PAPA ROACH ist vor allem als großartige Live-Band bekannt. Und ihr könnt das Live-Erlebnis nicht runterladen. Ihr müsst kommen und mit uns tanzen, schreien und kreischen, verrückt sein und hoch und runter springen. Es ist einfach eine großartige Zeit.

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